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ein Schachprogramm. Gewiss, heute gibt es andere Programme, die ebenso stark spielen, sie heißen zum Beispiel Rybka oder Shredder. Doch als die Hamburger Fritz-Väter im Jahr 1991 einen Namen für ihr Kind suchten, sollte es kein kryptischer sein, sondern ein kurzer, frecher, freundlicher. Fritz’ Erfolgsgeschichte ist zweifellos auch mit dem Charme des Namens verbunden.Viel an ihn denken muss wohl zurzeit Wladimir Kramnik. Der Russe spielt bald in Bonn gegen Deep Fritz; es ist Kramniks zweiter Kraftakt innerhalb kurzer Zeit. Erst Mitte Oktober hat er in Elista/Russland seinen WM-Titel verteidigt, indem er oben mit Weiß Wesselin Topalow in der letzten Stichpartie besiegte.

      Lösung: 1.Tb7+! (Der Zug, der die Weltmeisterschaft entschied! Falls nun 1…Txb7, gewinnt einfach 2.Txc5+ Kb6 3.axb7! Topalow hatte bei seinem vorherigen Zug, …Tc2xBc5, offenbar nur mit der Antwort 1.Kxb6? gerechnet.) 1:0.

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      Neben Bunker und Bolzplatz

      Im Hamburger Stadtteil Eilbek steht ein Haus, in dem sich täglich Menschen zum Schachspielen treffen. Es handelt sich um das Schachzentrum des Hamburger SK, der mit seinen 176 Jahren der älteste bestehende Schachklub Deutschlands ist und mit über 400 Mitgliedern auch der größte. In diesem verklinkerten Haus, gelegen neben einem Bunker und einem Bolzplatz, wird die Kultur des Schachs auf bemerkenswerte Weise gepflegt. Der HSK hat 25 Mannschaften, darunter ein Männer- und ein Frauenbundesligateam, und besonders kümmert man sich um den Nachwuchs.

      Aber auch um das Wohl der Denksportler. Denn als sie nun das zehnjährige Bestehen ihres Hauses mit einem kleinen internationalen Meisterturnier feierten, waren sogar Schnittchen und Kuchen von verlockender Qualität. Freundlicherweise ließen sie auch mich mitspielen, weshalb hier ausnahmsweise von einer eigenen Partie die Rede ist. Ahnen Sie, warum ich oben als Weißer am Zug gegen Wolfgang Pajeken ein bisschen Herzklopfen bekam?

      Lösung: 1.Tc7! (Diesen Eindringling darf Schwarz nicht nehmen, denn auf 1…Txc7 setzt 2.Df8 matt; während das zähere 1…Dxc7 2.Lxc7 Txc7 3.Dg5 letztlich auch chancenlos wäre.) 1…De8 2.Df7+! (Das war’s – auf 2…Dxf7 gewinnt 3.Txc8+. Schwarz gab auf.) 1:0.

      Kuss des Todes

      Der unbegreifliche Fehler von Schachweltmeister Kramnik

      Wer die Guggenheim Collection in der Bonner Bundeskunsthalle betritt, sieht sogleich Entscheidendes Rosa, ein Bild von Wassily Kandinsky. Der Meister hatte im Jahr 1932 unter anderem ein dreieckiges Schachbrettmotiv auf die Leinwand gepinselt. Wladimir Kramnik, der Schachweltmeister, ist ein Kunstliebhaber, er wird sich die Ausstellung aber erst nächste Woche ansehen können, weil er zurzeit noch mit dem Supercomputer Deep Fritz beschäftigt ist, genau eine Etage unter Guggenheims Meisterwerken.

      Am Montagabend muss jedoch auch Kramnik das Schachbrett einen Moment lang nur als Dreieck wahrgenommen haben, eine Ecke hatte er im Duell mit Deep Fritz völlig außer Acht gelassen – unglücklicherweise jene, in der sein König stand. Nach einer bis dahin stark vorgetragenen Partie zog Kramnik im 34. Zug seine Dame nach e3. Offenbar träumte er von einem entscheidenden, ja rosaroten Gewinnzug. In Wirklichkeit war es ein unbegreiflicher, schachhistorisch einmaliger Fehler: Der Weltmeister hatte ein einzügiges Matt übersehen!

      Als daraufhin Mathias Feist, der Bediener von Deep Fritz, die Dame nach h7 schwang, wo sie Kramniks König einen sogenannten Kuss des Todes verpasste, durchzuckte es den Weltmeister. Von den Zuschauerrängen waren Laute des Entsetzens zu vernehmen und auch Gelächter. Das geschlagene Genie gratulierte seinem Gegenüber, unterschrieb das Partieformular, fasste sich noch einmal an die Stirn und verschwand. „So etwas ist mir noch nie passiert, ich habe überhaupt keine Erklärung dafür“, sagte Kramnik. Er habe sich gut gefühlt und die Variante mit dem scheinbar krönenden Abschluss lange zuvor berechnet und immer wieder geprüft. „Das sah alles so gut aus für mich, und dann bin ich matt in einem.“ Auch Deep Fritz’ Bediener hatte es nicht gleich gesehen. „Auf dem Monitor leuchtete plötzlich ‚Matt‘, und ich dachte, ist jetzt der Computer kaputt oder was?“, sagte Feist.

      Die Schachgeschichte hat zwar immer wieder gezeigt, dass selbst den größten Denkern hin und wieder schlimme Fehler unterlaufen, aber einen solch krassen wie diesen hat es zumindest in einer Turnierpartie eines Weltmeisters noch nie gegeben. Man muss lange zurückdenken, um einen nur annähernd vergleichbaren Fall heranzuziehen: Im Jahre 1892 ließ sich der russische Meister Michail Tschigorin, der in der entscheidenden 23. WM-Partie den Sieg vor Augen hatte, von Wilhelm Steinitz plump mattsetzen – allerdings in zwei Zügen, nicht in einem. Steinitz, der erste Weltmeister der Schachgeschichte, behielt dank des glücklichen Sieges seinen Titel.

      Müdigkeit oder Druck hat Kramnik selber als Erklärung ausgeschlossen. Auch mit Zeitnot ist das Unbegreifliche nicht zu erklären, schließlich stand ihm für die nächsten sechs Züge mit 32 Minuten noch ausreichend Bedenkzeit zur Verfügung. Für den deutschen Großmeister Artur Jussupow liegt die Ursache für Kramniks menschliches Versagen sowieso weniger im Psychologischen als im Schachtaktischen begründet, nämlich im Mattmotiv selber.

      Einerseits sei es ein banales Angriffsmotiv gewesen, andererseits kein alltägliches: Deep Fritz’ Dame konnte auf dem Feld h7 mattsetzen, weil sie dort von einem auf f8 stehenden Springer gedeckt war. Und dass ein weißer Springer auf der gegnerischen Grundreihe steht, sei kein gewöhnlicher Fall, meint Jussupow. „Wenn dieser Springer wie üblich über g5 oder f6 gekommen wäre, hätte jeder sofort erkannt, dass auf h7 Matt droht“, sagt Jussupow, „aber einen Springer auf f8, den sieht man nicht so oft.“

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      Kuss des Todes: die Stellung nach De4-h7 matt!

      Diese Erklärung erscheint im Falle eines Hobbyspielers völlig einleuchtend. Aber bei einem Genie wie Kramnik? Wie der Maler Kandinsky dank seiner synästhetischen Wahrnehmung die Farben nicht nur sehen, sondern auch hören konnte, scheint doch gerade der 31-jährige Russe wie kaum ein anderer zu fühlen, wo Gefahren lauern und wo seine Figuren hingehören, damit sie perfekt harmonieren.

      Es bleibt abzuwarten, ob der geknickt wirkende Weltmeister zu seiner Spielkunst und Präzision zurückfindet. Vor der dritten Partie führt Deep Fritz mit 1,5:0,5 Punkten. Kaum wahrscheinlich, dass Kramnik den Rückstand in den verbleibenden vier Partien noch in einen Vorsprung verwandelt, was neben einer halben Million Dollar Antrittsprämie mit einer weiteren halben Million vergütet würde.

      Später am Abend machte er sich selber Mut und wies darauf hin, dass der Spielstand keinesfalls den Spielverlauf widerspiegele. „Ich habe in der ersten Partie Druck gemacht, und ich habe heute wieder Druck gemacht, man kann wirklich nicht behaupten, dass Fritz mir überlegen ist“, sagte Kramnik. „Ja, es stimmt, ich hätte ein Remis erzwingen können, aber ich sah keinen Sinn darin, ich konnte doch ohne Risiko auf Gewinn spielen.“

      („Kuss des Todes“ erschien am 29. November 2006 in der Süddeutschen Zeitung.)

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      Nach seinem Blackout in der zweiten Partie und vier Remisen lag Wladimir Kramnik mit 2:3 Punkten zurück. In der letzten Partie wagte er viel, um noch den Ausgleich zu schaffen. Doch er verlor ein zweites Mal. Endstand: 4:2 für Deep Fritz.

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      Arik Braun ist U18-Weltmeister

      Nach zwei Wochen Schach hat Arik Braun erst einmal genug. „Jetzt arbeite ich nur noch für die Schule“, sagt er. Schließlich macht der blonde Könner aus dem baden-württembergischen Allmersbach nächstes Jahr sein Abitur. Was er später werden will, weiß er aber noch nicht. „Da fällt mir einfach nichts ein.“ Muss auch nicht, denn notfalls wird er eben Schachprofi. Für den Großmeistertitel fehlt ihm sowieso nur noch eine Norm. Und jetzt, Ende Oktober, ist Arik in Batumi/Georgien U18-Weltmeister geworden!

      Manchmal hatte er sich im Schwarzen Meer schwimmend