Emilio und das Meer. Elisa Sabatinelli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Sabatinelli
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783649640103
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Landkarten und haufenweise Gummistiefel. Ich habe mir all das immer so gern angeschaut. Manchmal krabbelte auch Tarti durch den Keller, unsere Landschildkröte mit den müden Augen. Es roch nach Sonne und Salz.

      WENN DU IN EINER STADT AM MEER GEBOREN WURDEST, WIRST DU DEN GERUCH DES OZEANS FÜR IMMER IM HERZEN TRAGEN.

      Meine Familie und das Meer, wir gehören einfach zusammen. Das war schon immer so. Schon mein Urururgroßvater war Taucher. Er hat die Marina gegründet, einen Treffpunkt für die Taucher der gesamten Küste.

      Dort saßen wir immer und lauschten den Geschichten meines Opas. Natürlich handelten sie alle vom Meer. Wir wussten nie, welche wahr und welche erfunden waren, denn Opa hatte viel Fantasie. Er konnte das allerbeste Seemannsgarn spinnen, so nennt man das hier, wenn jemand gern ein wenig flunkert. Nur die Geschichte von der Perle, die war ganz und gar wahr, da waren wir uns sicher!

Tarti Opa

      Sie geht so: Auf dem Meeresgrund vor der Marina, tief unter den ersten, glasklaren Wellen, dort, wo das Wasser dichter und salziger wird, weit entfernt von Licht, Lärm und Stimmen, wohnte eine Perle. Sie war die kostbarste, die weißeste und die reinste Perle der Welt. Eine Perle, die einen gesamten Raum hätte erhellen können. Die Seeleute nannten sie „Die Seele des Meeres“.

      Obwohl mein Opa ein großer Abenteurer war, hat er selbst die Perle nie zu Gesicht bekommen. Doch sein Freund, ein Seemann, hat ihm berichtet, dass das gleißende Licht der Perle ihm einst den Weg durch ein nächtliches Unwetter geleuchtet hat. Und den Worten der Seeleute sollte man lieber glauben! Sie sind nämlich die mutigsten und anständigsten Menschen, die ich kenne. Meistens jedenfalls.

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Weshalb Amedeo Limonta der Bösewicht dieser Geschichte ist

      Nr.2

      Schon als ich noch ganz klein war, habe ich mir einen eigenen Tauchanzug gewünscht. „Wenn du größer bist“, haben Mama und Papa mir dann immer versprochen. Jetzt werde ich bald acht Jahre alt. Das ist längst groß genug für einen Tauchanzug, finde ich.

      Doch in unserer kleinen Küche in dem neuen Haus gibt es dafür keinen Platz. Außerdem könnten Mama und Papa ihn sowieso nicht bezahlen. Wir mussten nämlich die Marina schließen und jetzt haben wir kein Geld mehr. Mein armer Opa, der vor einer Weile gestorben ist, wäre bestimmt sehr traurig gewesen, wenn er all das noch erlebt hätte. Schuld daran ist nur Amedeo Limonta, dieser ehrlose Fiesling mit seinem riesigen Tauchzentrum! Das weiß ich ganz bestimmt, auch wenn ich ihn eigentlich nicht persönlich kenne.

      Amedeo stammt aus einer einfachen Familie. Sein Vater Giulio war eine Sardine. Das heißt aber natürlich nicht, dass er ein Fisch war! Sardinen, so nennen wir die Fischer, die davon leben, diese kleinen Fischchen zu fangen. Opa hat mir erzählt, dass Giulio einer der anständigsten Männer war, die er kannte. Giulio hat wenig gesprochen. Aber wenn, dann war er so freundlich wie sanfte Wellen. Eines Nachts holte ihn aber das Meer und er kehrte nie an Land zurück.

Amedeo Limonta

      AMEDEO BLIEB MIT SEINER MUTTER ALLEIN UND KÜMMERTE SICH WEITER UM DIE SARDINEN.

      Doch er wurde immer unzufriedener und begann, das Meer zu verachten. Die Dorfbewohner waren sich nicht sicher, woran das lag. War ihm der ständige Küstenwind nicht bekommen? Oder hatte ihm die salzige Luft das Hirn vernebelt? Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, dass Amedeo und das Meer zu Feinden wurden. Manchmal beschimpfte Amedeo das Meer mit bösen Flüchen. Die Wellen wurden dann natürlich wütend und warfen sein Boot hin und her. Irgendwann wollte das Meer Amedeo keine Fische mehr geben und er fing immer weniger, immer kleinere Sardinen. Zum Schluss war Amedeo das Meer völlig egal. Er wollte nur noch Geld verdienen! Und dabei verlor er auch das letzte bisschen seiner Seemannsehre. Das war zur Zeit der Wanderung. So nennt man es, wenn die Fische in riesigen Schwärmen an einen anderen Ort ziehen. Amedeo Limonta nahm damals gigantische Netze und fing damit Millionen von Thunfischen ein. Er sperrte sie in Unterwasserkäfige, bis sie dick und fett wurden. Dann verscherbelte er sie teuer nach Japan. So scheffelte er jede Menge Geld, doch er verlor den Respekt der Dorfbewohner. Und die Liebe seiner wunderschönen Frau, die verlor er auch. Eines Morgens machte sie sich davon. Sie schwamm einfach dem Horizont entgegen.

Die drei Trottel

      Als Amedeo Limonta schließlich beschloss, ein riesiges Tauchzentrum in der Nähe unserer Marina zu bauen, wussten wir also schon, mit wem wir es zu tun hatten. Er nannte sein Zentrum „Rivadoro“ und bot Tauchausflüge und Bootsrundfahrten an. Genau wie wir. Nur für viel weniger Geld. Dann versprach er den Urlaubern auch noch, dass sie Delfine und Schwertfische sehen würden, obwohl das oft überhaupt nicht stimmte.

      Das neue Tauchzentrum ist so blitzeblank, dass man sich nicht wie am Strand fühlt, sondern wie im Krankenhaus.

Tauchzentrum Marina Eine Schwimmerin

      Limonta hat drei trottelige Mitarbeiter, die um ihn herumsurren wie die Fliegen und die rein gar nichts vom Meer verstehen. Einmal habe ich gesehen, wie sie in die falsche Richtung gefahren sind, obwohl doch jeder hier weiß, an welcher Stelle die Delfine am liebsten schwimmen. Ich bin natürlich losgerannt, um ihnen zu sagen, wo sie die Delfine finden können. Aber sie haben nur gerufen: „Vergiss es, du Stockfisch!“

      Ich glaube, das sollte eine Beleidigung sein. Dabei mag ich Stockfisch richtig gern. Im Gegensatz zu Amedeo Limonta mit seinem Schnurrbart und seinen Haaren, die aussehen wie geleckt. Den mochte ich nämlich noch nie!

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Weshalb Riccardo & Anselmo auch Freunde des Meeres sind

      Nr.3

      Riccardo, auch Riccardo Dorschherz genannt, ist mein bester Freund. Er wohnt mit seinen Eltern und seinen vier großen Brüdern oben in den Hügeln. Doch er liebt das Meer genauso wie ich und wir verbringen viel Zeit bei unserer guten alten Marina. In der Schule sitzen wir natürlich nebeneinander. Riccardo bekommt oft schlechte Noten, bloß, weil er so schüchtern ist. Denn wenn ihn die Lehrerin etwas fragt, antwortet er mit einem ganz dünnen Stimmchen, und sie versteht Dinge, die er eigentlich gar nicht gesagt hat. Ich stupse Riccardo dann immer mit dem Ellenbogen an, um ihn daran zu erinnern, dass er lauter sprechen muss. Aber es gelingt ihm einfach nicht.

      In der Pause, wenn alle anderen ihre Sammelkarten tauschen, sitzen wir gern eng beieinander auf der kleinen Mauer ganz hinten im Schulgarten und tauschen lieber Dinge, die wir am Strand gefunden haben.

Riccardo

      Riccardo und ich verstehen einfach nicht, weshalb Amedeo Limonta unbedingt ein eigenes Tauchzentrum bauen musste. Wo ihn doch das Meer nicht mehr interessiert als eine vertrocknete Sardelle! Leider wissen das die Urlauber nicht. Sie sehen nur die niedrigen Preise. Und so strömen sie fröhlich zum Rivadoro.

      Zur Marina kommt außer uns nur noch Anselmo. Er sitzt gern einfach nur da, vor den verschlossenen Türen, lauscht dem Plätschern der Wellen und blickt hinaus aufs Meer. Wir kennen Anselmo eigentlich nicht so gut, denn er sagt nie etwas. Die Leute im Dorf glauben, er sei vor Schreck stumm geworden, als einst sein Haus in Flammen aufgegangen ist. Ich finde, es ist ein riesiges Glück, dass er sich