Flora Flitzebesen - Band 4. Eleni Livanios. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eleni Livanios
Издательство: Bookwire
Серия: Flora Flitzebesen
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783649623236
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einer Weide war ein langes Ruderboot festgebunden und schaukelte sanft hin und her.

      Bootsverleih, stand auf einem Holzschild geschrieben. Eine halbe Stunde Bootsfahren, vier Hexenmoneten. Bitte ins Körbchen einwerfen. Boot an Riesenulme anbinden. Fußmarsch zurück: etwa eine Stunde.

      An einem Weidenast hing ein kleines Körbchen und darin lagen schon einige Hexenmoneten. Neugierig betrachteten die Kinder das Boot. „Na gut“, sagte Herr Sambucus. „Ich mache mit einigen von euch eine kleine Bootsfahrt. Wer kommt mit?“

      Flora, Viola, Laurus, Malte, Majoranus, Salvia, Piper, Borrago, Clematis und Koriander meldeten sich. Hille hatte keine Lust auf die Bootsfahrt und wollte sich lieber mit den anderen am Fluss ausruhen. Herr Sambucus kramte vier Hexenmoneten aus seinen Hosentaschen zusammen, legte sie in das Körbchen, und als er sich umblickte, waren die zehn Hexenkinder schon an Bord.

      „In ein bis zwei Stunden sind wir zurück“, rief Herr Sambucus Frau Boswelia zu. „Am besten, wir treffen uns einfach auf der Margeritenwiese wieder.“

      „In Ordnung!“, rief Frau Boswelia. „Aber entfernt euch nicht zu weit von hier!“

      „Wir bleiben in der Nähe“, versprach Herr Sambucus. Dann löste er das Seil, sprang selbst an Bord und fing an zu rudern.

      „Wir gehen inzwischen baden“, riefen die anderen Kinder. „Bis bald!“ Es war ein sehr warmer Junitag und der Fahrtwind strich allen angenehm um die Nase. „Zehnmal besser, als wie ein Packesel durch die Gegend zu trotten“, seufzte Laurus. Alle pflichteten ihm bei. Sie ließen ihre Arme ins kühle Wasser baumeln und Clematis hängte ihre langen Zöpfe ebenfalls ins Wasser.

      „Vielleicht beißt ja ein echter Fisch bei einem deiner Zöpfe an“, sagte Majoranus.

      „Ja, klar“ kicherte Clematis. „Oder überhaupt an jedem Zopf einer.“ Laurus ließ seine Arme nicht ins Wasser hängen, sondern streckte sie hoch in die Luft. Ab und zu glitt der Kahn nämlich unter Kirschbäumen hindurch. Von den herabhängenden Zweigen ließen sich die Kirschen bequem pflücken.

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      Libellen flogen in eckigen Bewegungen übers Wasser und weiter drüben summten Bienen. Das Boot schaukelte jedes Mal, wenn die Ruder ins Wasser klatschten. Flora wurde ganz schläfrig davon und schaute durch halb geschlossene Lider in die Landschaft.

      Schließlich ließ Herr Sambucus die Paddel sinken. Die Strömung des Flusses war stärker geworden und rudern war nun überflüssig.

      „Bald sollte diese Riesenulme zu sehen sein“, vermutete Herr Sambucus. Die Kinder hielten danach Ausschau und tatsächlich, aus der Ferne konnten sie am rechten Ufer einen Baum erkennen, der bis hoch in den Himmel ragte.

      „Dort endet unsere Fahrt“, seufzte Flora.

      „Genau und dann müssen wir alles wieder zu Fuß zurücklatschen.“ Laurus zog eine Grimasse.

      Doch kurz vor der Ulme wurde die Strömung plötzlich immer stärker, und einen Augenblick später rauschte das Boot so schnell dahin, dass es am Haltepunkt vorbeischoss.

      „Anhalten, anhalten!“, riefen die Kinder.

      Verzweifelt versuchte Herr Sambucus, mit einem der beiden Ruder das Ufer zu erreichen und so das Boot abzustoppen. Aber es war aussichtslos.

      Immer weiter und weiter sauste das Boot stromabwärts, vorbei an Wiesen und fremden Wäldern.

      „Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut“, rief Herr Sambucus.

      „Dieses dumme ‚Zauberstabfasten‘. Das haben wir jetzt davon“, schimpfte Majoranus. „Mit dem richtigen Hexenspruch könnten wir anhalten. Wir könnten sogar wieder flussaufwärts fahren.“

      Der Fluss gurgelte laut, dafür war es auf dem Boot ganz still geworden. Keiner wagte mehr zu sprechen und Herr Sambucus starrte ernst geradeaus.

      Endlich beruhigte sich die Strömung und das Boot fuhr nun in gemächlichem Tempo dahin. Flora atmete auf. Weiter vorne, mitten in einem Fichtenwald, war ein Hexendorf zu sehen. Herr Sambucus fand, sie sollten sich dort in einem Wirtshaus stärken und dann den Rückweg antreten.

      Der Fluss führte geradewegs durch das Dorf. Links und rechts glitten die ersten Häuser vorbei.

      Flora stockte der Atem. Wie sah es denn hier aus? Alle Blumen in den Blumenkästen waren vertrocknet und das Gras in den Gärten ebenfalls. Die Kirschbäume und die Apfelbäume hatten ihr Laub verloren, so als wäre Winter und nicht Sommer. Es war nirgendwo jemand zu sehen. Die Häuser schienen alle verlassen zu sein.

      Das Seltsamste aber waren die Nebelschwaden, die überall zwischen den Häusern herumstrichen. Dieser Nebel schien alle Farben und Geräusche zu schlucken. Nicht ein einziger Vogel zwitscherte. Nichts regte sich.

      Flora und die anderen richteten sich im Boot auf, um besser sehen zu können.

      „Oh, du liebe Mondgöttin!“, murmelte Herr Sambucus. Hastig lenkte er das Boot ans Ufer und sprang heraus. Nun, da der Fluss langsam wie Milchbrei dahinfloss, war das kein Kunststück. Laurus warf dem Lehrer das Seil zu und dieser brachte das Boot zum Halten. Nacheinander kletterten die Kinder ans Ufer.

      „Was ist in diesem Dorf los? Was ist hier passiert?“, fragten die Kinder durcheinander.

      Herr Sambucus schüttelte nur den Kopf. „Nichts wie weg hier, dieser Nebel ist gefährlich.“

      Flora fühlte den Schreck wie einen Stein in ihren Magen plumpsen. Dann rannten sie alle los. Flussaufwärts.

      Nach einer halben Ewigkeit, wie es Flora erschien, war sie so außer Atem, dass jedes Luftholen wie ein Messerstich wehtat. Endlich verfiel Herr Sambucus in einen langsamen Trab. „Wir müssen so schnell wie möglich zurück zu Frau Boswelia und den anderen Schülern“, schnaufte er.

      „Ach, ehrlich? Haben wir es eilig?“, fragte Malte in spöttischem Ton. „So wie wir die letzte halbe Stunde durch die Gegend galoppiert sind, hatte ich mir das schon fast gedacht.“

      „Was hatte das alles zu bedeuten in diesem Dorf?“, fragte Koriander. Herr Sambucus trabte einfach weiter und gab keine Antwort.

      „Woher kam dieser Nebel?“, fragte nun auch Malte. „Sind wir in Gefahr?“

      „Darüber reden wir später“, sagte Herr Sambucus ausweichend. Was sollte das denn? Flora, Malte und Laurus wechselten verwunderte Blicke. Warum gab der Lehrer keine Antwort? Wollte er die Kinder nicht beunruhigen? Nun, die Kinder waren bereits unruhig. Und Flora fand die Ungewissheit immer viel schlimmer, als wenn sie klipp und klar Bescheid wusste.

      Erst am frühen Abend erreichten sie die Margeritenwiese, wo der Rest der Klasse auf sie wartete.

      Die Schilderungen über das verlassene Hexendorf im Fichtenwald überschlugen sich. „Es war schrecklich“, riefen die Kinder immer wieder. „Einfach unheimlich!“

      Es fing bereits an zu dämmern. Eigentlich wäre es jetzt Zeit gewesen, ein Nachtlager aufzuschlagen. Die beiden Lehrer steckten die Köpfe zusammen und berieten sich. Ihre Mienen wurden immer besorgter. „Alle mal herhören“, rief Frau Boswelia schließlich. „Wir werden gleich jetzt unseren Rückweg ins Hexenrosental antreten.“

      „Was ist los?“, riefen alle Kinder zusammen, und nun waren sie fest entschlossen, sich nicht mehr abwimmeln zu lassen. Die Lehrer sollten endlich mit der Sprache rausrücken.

      Herr Sambucus holte tief Luft. „Durch das Dorf, in dem wir heute aus Versehen waren, sind offensichtlich Grautriste durchgetrottet.“

      Grautriste! Da war es wieder, dieses Wort, das Flora und ihre Freunde bei der Sitzung des Hexenrats aufgeschnappt hatten. „Grautriste leben in der ‚Schlucht der tiefen Seufzer‘. Sie verbreiten nicht nur Nebel, sondern auch Traurigkeit und Schwermut. Wo immer sie hinkommen, wächst nichts mehr. Alles vertrocknet. Selbst die Lebensfreude wird von