Perry Rhodan 3100: Sternenruf. Christian Montillon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Montillon
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Erstauflage
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845361000
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      Rhodan wehrte ab. »Ich gehe zu ihm.«

      »Du gehst?« May sah in den Regen hinaus, der nun so dicht fiel, dass einem dort, hinter dem Glassit, war, als säße man in einer Flasche aus grünem Glas.

      *

      Warten

      Seine Eltern haben ihn Atlan genannt. Er ist erst 19 Jahre alt und trägt die Hypothek dieses Namens.

      Atlan ist eine Lichtgestalt seines Volkes, jedenfalls für nicht allzu wenige. Und er? Was wird aus ihm werden?

      Er kennt nichts außer dem Frieden, dabei erzählen seine Lehrer immer wieder von vergangenen Kriegen. Sein Vorstellungsvermögen reicht nicht, sich all die schrecklichen Dinge vorzustellen, die sich die Alten erzählen, als hätten sie alle selbst durchlebt.

      Frieden, Wohlstand, Glück. Das wurde seiner Generation beschert, und er sieht keinen Grund, dass sich das jemals ändern sollte.

      In diesem Moment schaut er abwechselnd zum Himmel und zu der riesigen Holoprojektion. Er und Tausende andere. Sie alle warten gemeinsam, sind gespannt auf das, was kommen wird. Die meisten sind jung, so wie er und wie sein Freund Nasdraal.

      Sie kennen das Sonnensystem, das ihrer beider Völker Wiege ist, nicht anders, aber sie haben gehört, dass es einst ein kosmisches Wunder war und wieder werden wird.

      Sie warten auf die lange fehlende Welt im Reigen der Drei Planeten. Bald ist Tiga Ranton wieder vollständig. Damit wird die Heilung all der alten Wunden abgeschlossen sein.

      Die Zukunft steht ihnen offen.

      2.

      Die Kluft

      In der Stunde, ehe der Weltraum aufriss, fühlte sich Anzu Gotjian wohl.

      Es gab schließlich keinerlei Grund, sich zu beschweren. Ihr neues Leben im Tannhäusersystem war spannend. Sie lernte immer besser, mit ihrer eigenartigen Paragabe umzugehen, und sie genoss die gelegentlichen Hyperfunkgespräche mit Gucky, der ihr nicht nur ein guter Lehrer war, sondern den sie schlicht und einfach mochte. Und mal ehrlich – den Mausbiber musste man lieben!

      Weil sie an ihn dachte, rief sie die Aufzeichnung ihres letzten Gesprächs auf, das schon wieder zwei Wochen zurücklag. Sie ließ die Kabinenpositronik das kleine Holo unter die Decke projizieren, sodass sie bequem in der Wanne mit warmem Wasser liegen bleiben konnte, den Kopf in den Nacken gelegt. Dieser Extrawunsch für die Ausstattung ihres Quartiers war jeden bürokratischen Ärger vor der Genehmigung wert gewesen. Ein heißes Bad war immer noch das Beste für verspannte Muskulatur.

      Aus der Aufnahme grinste Gucky sie an, was bei ihm bedeutete, dass er seinen Nagezahn umso deutlicher präsentierte. »Anzu«, sagte er und dehnte dabei das u auf eine Art und Weise, wie es sonst niemand tat, »es ist wirklich unfair! Du lässt es dir gut gehen, ziehst um, erlebst spannende Sachen, und ich ...«

      »Ach, du Armer!«, hörte Anzu ihre eigene Stimme – da es sich um die optische Aufzeichnung ihres Hyperfunkgeprächs handelte, zeigte das Bild nur ihren Gesprächspartner, den Mausbiber. »Du musst dir die Sonne auf den Pelz brennen lassen.«

      »Och.« Gucky strich sich über das Fell der rechten Schulter. Es schimmerte rotbraun in der strahlenden Helligkeit. Im Hintergrund toste das Rauschen von Wellen. Leider stand die Aufnahmeoptik so, dass hinter Guckys Kopf und Oberkörper nur das Blau des Himmels zu sehen war. »Ich bin gerade auf einer der Inseln von Neu-Atlantis und muss zugeben, es ist nett. Aber nicht immer. Vorhin hat es geregnet, und das ...«

      »Und ich«, sagte Damals-Anzu, »gäbe etwas dafür, durch einen schönen Regenguss auf einer idyllischen terranischen Insel zu spazieren! Stattdessen hocke ich am Raumhafen, weil sich der Start verzögert. Es gibt irgendeinen Defekt an der TANNHÄUSER, und bis die Ingenieure fündig werden, kann es noch Tage dauern!«

      »Soll ich dich abholen?«

      »Was?«

      Gucky tippte sich an die Fellohren. »Ob ich dich abholen soll«, wiederholte er überdeutlich und gedehnt, aber in einem so freundlichen Tonfall, dass sie ihm am liebsten durchs Fell kraulen würde. »Können wir machen«, meinte er. »Teleportation, zack, ich kann in einer Minute bei dir sein.«

      »Schön wär's. Leider irrst du dich. Kannst du nicht.«

      »Typisch Anzu. Glaubst, mir sagen zu müssen, was ich kann und was nicht.«

      »Ich sitze nicht auf Terra, sondern auf halber Strecke zum Tannhäusersystem, anderthalbtausend Lichtjahre vom Solsystem entfernt. Der Kommandant dieses klapprigen Passagierkreuzers hat hier Waren getauscht, und tja, da war er irgendwo, der verflixte Fehler.«

      »Pah!«, machte Gucky. »Das ist ja noch typischer für die gute Anzu. Korrigierst mich und hast zu allem Überfluss recht damit.« Er seufzte theatralisch. »Wo soll das bloß hinführen? Am Ende übernimmst du bald meinen Posten als Retter des Universums.«

      »Kein Interesse.«

      »Sicher? Ich könnte etwas Ruhe gebrauchen. Ist ja nicht nur lässig, weißt du? Manchmal macht die Verantwortung keinen Spaß.«

      »Gucky, das tut mir leid für dich, wenn ...«

      »Ha! Quatsch! Ist super, wenn man mal wieder den Karren aus dem Dreck zieht und der Held ist, der der ganzen Menschheit den Hintern rettet.« Im Hintergrund übertönten nun keckernde Vogelrufe das Wellenrauschen. Sie klangen ein wenig nach einem jammernden Kind. »Aber im Ernst, Anzu – was macht deine Paragabe? Gibt es etwas Neues?«

      »Zum Glück nicht.«

      »Was hast du zuletzt gesehen?«

      »Es liegt erst einen Tag zurück. Es war ein Vogel, wie er auf diesem Planeten heimisch ist. Leider habe ich nicht herausgefunden, wie weit entfernt er gerade geflogen ist. Immerhin war er mit seinem regenbogenfarbenen Gefieder wirklich schön – und das ist doch auch was, oder nicht?«

      »Und du hast ihn gesehen, während er in Bewegung war?«

      »Nur wenige Sekunden lang. Dann ist er aus dem Bild geflogen, wenn du so willst.«

      »Will ich nicht. Aber wenn du das nächste Mal etwas siehst, das sich bewegt, versuch dranzubleiben. Es mit deiner Gabe zu verfolgen.«

      »Keine Chance.«

      Guckys Fell sträubte sich über der Schnauze. »Sag das nicht! Mutantengaben entwickeln sich, und man kann lernen, damit umzugehen.«

      »Ich weiß, aber ...«

      »Keinen Widerspruch! Hör auf die weisen Worte deines Chefs – schließlich willst du doch garantiert ein stolzer Mitstreiter in meinem Parakorps sein, was?« Gucky hob beide Arme und deutete in einer theatralischen Geste auf sich.

      »Bisher gehöre ich jedenfalls nicht dazu. Und daran möchte ich auch nichts ändern.«

      »Atlan wollte ja auch nie Ritter der Tiefe sein und ist es trotzdem. Mach dir also keine Sorgen, dass du außen vor bleiben müsstest, Anzu.«

      »Ich muss nicht, ich will. Wie viele Leute kennst du eigentlich, deren Paragabe sich je nach Aufenthaltsort verändert?«

      »Das kann ich dir ganz genau sagen!« Gucky kam näher an die Aufnahmeoptiken heran, bis seine Augen nahezu das gesamte Bild erfüllten. »Vor dir waren das exakt und auf den Punkt gebracht null Personen. Und das ist noch so ein Grund, warum ich dich mag. Ich entdecke gerne etwas Neues.«

      »Hm.« Sie erinnerte sich genau, dass sie an diesem Punkt eigentlich hatte wütend werden wollen, aber die Art des Mausbibers machte es ihr stets unmöglich.

      »Bleib dran, Anzu! Und ehe ich es vergesse: Alles Gute zum Neustart! Weißt du inzwischen, auf welchem Schiff du im Tannhäusersystem unterkommst?«

      »Auf der PINO GUNNYVEDA in der Explorerflotte. Mein Posten lautet: Unabhängige Beraterin für Kommandantin Ariela Stafoba.«

      Gucky lachte schallend. »Ariela Stafoba? Ernsthaft?«