Liebe, gefährliches Spiel. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711719039
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zu machen. Nur… das werde ich dir alles später einmal erzählen! Komm, du mußt zuallererst mal etwas essen!«

      Christa wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen und zog die Nase hoch – Gesten, die seltsam kindlich wirkten und Frau Landau in die Zeit zurückversetzten, da ihre Tochter noch ein kleines Mädchen gewesen war, das zärtlich an ihr gehangen hatte.

      »Da, nimm ein Taschentuch!« sagte sie.

      Christa wischte sich die Tränen ab und putzte sich die Nase.

      »Danke, Mutti!«

      Frau Landau legte ihren Arm um die Schultern ihrer Tochter.

      »Vielleicht ist es ganz gut, daß alles so gekommen ist, Christa«, sagte sie, »damit du begreifst, daß Eltern doch etwas mehr als lästige Anhängsel sind… daß die Mutter der einzige Mensch ist, auf den man sich verlassen kann, wenn es einmal ganz schlecht geht.«

      Christa entschlüpfte ein kleiner zitternder Seufzer.

      »Du bist sehr lieb, Mutti, nur… ich fürchte, du wirst mir auch nicht helfen können!«

      »Warte es ab, wir werden beide die ganze Angelegenheit mal überschlafen, und morgen früh fällt uns dann schon etwas ein!«

      »Ich werde alles tun, was du mir rätst«, versprach Christa, »nur eines muß ich dir gleich sagen…«

      »Ja?«

      »Ich werde mir das Kind nicht nehmen lassen. Ich will es zur Welt bringen, und ich will es behalten!«

      »Aber ich dachte«, sagte Frau Landau, »du hättest in Hamburg versucht …«

      Sie stockte mitten im Satz, weil sie sich scheute, die Dinge beim Namen zu nennen.

      »Ich war verrückt«, sagte Christa, »ich muß verrückt gewesen sein. Aber inzwischen ist mir eines klar geworden: Man kann einen Fehler nicht durch ein Verbrechen ungeschehen machen. Ich will mein Kind behalten, und wenn ich mein Studium aufgeben und als Putzfrau arbeiten muß!«

      Gisela Grosser hatte keine Hemmungen, die elterliche Wohnung zu betreten – und wenn sie doch welche hatte, verstand sie es trefflich, sie zu überspielen.

      Sie fiel ihrer Mutter um den Hals und rief strahlend: »Hallo, da bin ich! Das ist eine Überraschung, wie? Wie geht es euch denn? Und was macht mein Christoph? Leider kann ich nur eine Nacht bleiben, gleich morgen muß ich wieder nach Garmisch zurück… so ist nun mal das Leben! Der Dienst ruft, die Sklavin gehorcht! Ich hoffe nur, ihr habt was Anständiges zu essen im Haus, ich habe einen Hunger, daß mir der Nabel zittert!«

      Es dauerte Minuten, bis Frau Grosser sich von diesem Wirbel der Begrüßung erholt hatte und selber zu Wort kam.

      »Aber Kind«, sagte sie, »wie kommst du nach Bad Harsfeld?«

      »Einmalige Gelegenheit! Eine Dame hat mich mitgenommen, und mein hoher Chef hatte ein Einsehen und hat mir frei gegeben. Was machst du denn für ein Gesicht, Mutti? Paßt dir mein Besuch etwa nicht? Ich dachte, ihr würdet euch freuen!«

      »Schon, nur… ich bin einigermaßen überrascht! Ich habe nämlich heute nachmittag in Garmisch angerufen, und da sagte man mir, du hättest dir Urlaub genommen …«

      »Na klar! Das erzähle ich ja die ganze Zeit! Sonst könnte ich ja nicht hier sein… schließlich habe ich ja keine Doppelgängerin, die mich vertreten könnte!«

      »Vielleicht wäre es besser gewesen, du hättest uns vorher benachrichtigt!«

      »Unmöglich! Wie stellst du dir das vor? Ich mußte ja die Gelegenheit beim Schopfe packen… rein ins Auto, und ab ging die Post! Wo ist mein Süßer? Jetzt will ich ihn aber endlich sehen!«

      Gisela stürmte an der Mutter vorbei ins Kinderzimmer, hob den kleinen Christoph mit beiden Armen aus dem Bettchen und hielt ihn hoch in die Luft. Der Junge krähte vor Vergnügen und versuchte, ihr mit den Händchen ins Gesicht zu patschen.

      »Gisa!« schrie er, »Gisa! Hassu mir was mittebacht?«

      »Na, erst einmal heiße ich nicht Gisa …«

      »Doch heißt du …«

      »Für dich nicht! Für dich bin ich die Mammi, verstehst du mich? Und zweitens habe ich dir nichts mitgebracht, leider! Sei mir nicht böse, ja? Das nächste Mal bestimmt!«

      Sie drückte ihrem kleinen Sohn einen festen Kuß auf jede Wange, und er zerzauste ihr mit beiden Händen den glatten, blonden Pagenkopf.

      Gisela stellte ihn wieder ins Bettchen.

      »Ach ist er herzig, Mutti«, sagte sie, »und gewachsen ist er, und schwer ist er geworden! Mir tun direkt die Arme weh! Aber daß ich seine Mutter bin, hättet ihr ihm ja inzwischen schon beibringen können!«

      »Du bist so selten da, Gisela«, sagte Frau Grosser fast verlegen, »und dann… vielleicht wirst du noch einmal froh sein …«

      »Worüber? Daß er mich für seine große Schwester hält? Aber Mutti, das ist doch Unsinn! Es weiß doch ohnehin jeder hier in Bad Harsfeld, daß ich ein Kind habe …«

      »Ja, aber nur hier! In Garmisch hast du doch wohl nichts davon erzählt?«

      »Nein«, gab Gisela zu.

      »Das war auch sehr richtig. Schließlich ist es nicht nötig, daß du dir wegen dieser Geschichte dein ganzes Leben verbaust.«

      Gisela warf ihrer Mutter einen sonderbaren Seitenblick zu.

      »Die wohlartständige, bürgerliche Gesellschaft«, murmelte sie.

      »Was sagst du da?«

      »Oh, nichts Besonderes. Ich habe nur laut gedacht. Wie stellst du dir das eigentlich vor? Daß ich einem eventuell auftauchenden künftigen Ehemann mein Kind einfach unterschlagen könnte?«

      »Nein, das natürlich nicht, nur… sag mal, Gisela, verstehst du eigentlich wirklich nicht, wie ich es meine?«

      »Nein. Aber das sollte dich nicht kränken, Mutti. Schließlch hast du mich ja auch noch nie verstanden.«

      »Immerhin haben wir uns, dein Vater und ich, bedingungslos hinter dich gestellt, als das Unglück passierte; wir haben dir keine Vorwürfe gemacht, sondern die Sache für dich durchgefochten …«

      »Bist du so sicher, daß ihr in meinem Sinne gehandelt habt?«

      »Wie meinst du das jetzt schon wieder?«

      »Ist dir eigentlich niemals der Gedanke gekommen, daß mir gar nicht daran gelegen war, Klaus Leonhardt ins Gefängnis zu schicken?«

      »Aber er hatte sich an dir vergangen, und deshalb …«

      »Ach, Mutti«, sagte Gisela, »ich glaube, es ist besser, wir lassen die alten Geschichten ruhen. Selbst wenn wir bis morgen früh darüber reden würden, käme doch nichts dabei heraus. Willst du ganz lieb sein und mir ein paar Brote hier ins Kinderzimmer bringen? Ich habe so selten Gelegenheit, Christoph zu sehen!«

      »Ja, gerne, nur… du solltest lieber zuerst zu deinem Vater gehen. Er möchte dich sprechen.«

      »Wieso denn? Vorläufig weiß er ja noch gar nicht, daß ich hier bin!«

      »Aber deshalb habe ich ja in Garmisch angerufen …«

      Gisela hob einen Teddybären auf, den Christoph aus dem Bettchen geworfen hatte, und warf ihn dem Jungen zu.

      »Ach so!«

      Frau Grosser rieb nervös die Hände, als wenn sie sie von einem unsichtbaren Schmutz befreien müßte.

      »Klaus Leonhardt ist wieder da …«

      Sie wagte nicht, ihre Tochter bei dieser Mitteilung anzusehen.

      »Das weiß ich«, sagte Gisela ruhig, »frag mich nicht woher… ganz Bad Harsfeld spricht ja schon davon!«

      »Er war hier!«

      Gisela