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HALTESTELLE ZUR WURST
Auch wenn’s nicht auf der Karte steht: Morgens um acht bekommen Sie auf Wunsch auch mal Spiegelei, Kartoffelsalat – nie auf Papptellern – und Herzlichkeit gibt es jeden Tag umsonst. Viele kommen einfach auf einen Kaffee oder wegen der Frikadellen und der extrem guten Currywurst-Saucen-Mischung.
Das Ehepaar Margret und Mathias Wolter liebäugelte mit einem seit Jahren leer stehenden Kiosk zwischen dem Niendorf Markt und Hagenbecks Tierpark und eröffnete 2006 den Imbiss in Niendorf. Hier fehlte einfach eine Wurstbude. Rot-weiß ist die Fassade, der Klassiker »Pommes Schranke« in Farben verewigt. Obwohl das FC-St.-Pauli-Trainingsgelände direkt hinter der Pommesbude liegt, brennen beide für den HSV. Schon frühmorgens stehen die ersten Autos an der Haltestelle. Doch die meisten Kunden kommen erst am späten Vormittag und stärken sich mit einer Currywurst und der leckersten Sauce der Stadt. Teuerstes Gericht ist mit 4,90 Euro das Schaschlik-Filet.
Nach der Frikadelle an der lauten Kollaustraße findet man Ruhe auf dem Alten Niendorfer Friedhof von 1840 mit Grüften und einem geheimnisvollen Mausoleum (Kollaustraße 241).
Es kommt auch vor, dass Otto Waalkes, Uwe Seeler oder Oliver »Dittsche« Dittrich auf einen Kaffee vorbeischauen. Die Kontakte entstanden in der Betriebssportanlange der Vereinsbank Niendorf. Dort führten sie das Clubhaus mit sechs Tennisplätzen und einem Sportplatz. Herr Wolter war jahrelang auch HSV-Tennistrainer. Die Anlage wurde 2004 geschlossen.
Schön laut ist es hier, wenn die Ampel auf Grün umschaltet und Massen von Autos vorbeibrausen. Trotzdem: Dies ist keine gewöhnliche Pommesbude. Wenn Sie also nur auf eine Wurstlänge bleiben, sind Sie selbst schuld. Denn die offenen Ohren für die Sorgen der Gäste sind unbezahlbar, hier geht es eben nicht nur um die Wurst. Und das ist auch gut so.
Haltestelle zur Wurst · Mo−Fr 10−18 Uhr · Kollaustraße 137 (beim St. Pauli-Trainingsgelände) 22453 Hamburg · Tel. 0151/15 37 42 53 Bus 391 Niendorfer Straße
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VIEL ZEIT FÜR ARABICA UND ROBUSTA
Eine der letzten privaten Röstereien betreibt Jens Burg, ein Traditionalist. Bereits sein Vater, Großvater und Urgroßvater waren mit Leib und Seele der aromalosen Rohbohne verfallen. Seit Zimt- und Vanillegeschmack jüngere Generationen in Coffee-Shops locken, boomt das schwarze Getränk.
Wenn Sie den Eppendorfer Weg entlanggehen, werden Sie hin und wieder sprichwörtlich an der Nase herumgeführt. Zum Beispiel zu einem Ort, der wohlriechende Atmosphäre verspricht: die Kaffeerösterei Burg. In der dazugehörigen Museumsrösterei in der Speicherstadt am St. Annenufer, heute Genuss Speicher genannt, wurde schon seit 1896 im Kaffeespeicher von Hansen & Studt Kaffee gelagert. Morgens um sieben läuft hier alles nach Plan. Kaffeebohnen, sowohl reine Arabica mit klangvollen Namen wie »Jamaica Blue Mountain« oder »Hawaii Kona« als auch Robusta-Sorten werden geröstet – und der Duft macht Appetit darauf, mehr zu erfahren. Kernstück des Museums ist ein Trommelröster aus den 1920er-Jahren. Im Schnitt werden 130 Kilogramm Rohkaffee am Tag geröstet. Das Leben einer Kaffeebohne mit ihren Gattungen, Röst- und Zubereitungsvarianten ist vielschichtig. Der Kaffee wird hier bei 200 °C 20 Minuten geröstet − Großröstereien benötigen dafür nur drei Minuten bei 600 °C. Diesen Unterschied können Sie schmecken. Vor rund 20 Jahren entstand das Museum in einem Hinterhof mit Mühlen, Schütten, Werbetafeln und Kaffeepflanzen. Im Zuge der Trendwende zum Industriekaffee in deutschen Haushalten wurde vieles aus den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren ausrangiert. Burg sortierte alles liebevoll nach Sinn und Zweck. Dann kaufte Vietnam, weltweit größter Produzent von Robusta-Kaffee, 2010 rund 11 000 Exponate auf, die die Region Europa repräsentieren. Im Ladengeschäft kann zwischen 20 reinen Kaffeesorten, mehr als 60 Aromakaffees, elf Espressoarten und an die 100 verschiedenen Tees ausgewählt werden. Es ist die Mischung, die Qualität macht.
Kaffeemuseum Burg · Öffnungszeiten s. Homepage St. Annenufer 2 · 22457 Hamburg · Tel. 040/55 20 42 58 www.kaffeemuseum-burg.de · U 1 Haltestelle Meßberg
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ALTERNATIVEN ZUM ZWIEBELMUSTER
Klein, fein und zentral gelegen ist der Ort, an dem geübte Hände Ton bändigen, wo jedes Produkt von Hand gefertigt ist, wo sich ein Becher vom anderen unterscheidet. Wenn Sie keine Lust mehr haben, Ihren Schrank zu öffnen, um 200 Teile Zwiebelmuster zu sehen, sind Sie hier genau richtig.
Betritt man das Lädchen, in dem keramische Einzel-, Design- und Serienstücke dargeboten werden, liegt ein halb lautes Summen in der Luft: Die Akustik kommt von der elektrischen Drehscheibe. Es riecht nach Erde und gebranntem Ton. Durch eine kleine Öffnung hinter dem warm beleuchteten Ausstellungsraum ist der Kopf der Meisterin, Susanne Behrens, zu sehen. Freundlich kommt sie mit von Tonschlicker beflecktem Pulli nach vorn und fragt, ob sie behilflich sein kann. Wenn nicht, verschwindet sie wieder in ihre Mini-Werkstatt. Giftgrün schimmern sie und blassrosa, helllila, grellorange und tiefschwarz. Erstarrte Tropfen in Milchig-Weiß. Eine Poesie der Farben und Strukturen auf den Scherben. Inspirationsquelle ist der Garten hinter dem Haus. Wenn alle Glieder schmerzen, gräbt Susanne Behrens dort mit bloßen Händen.
Auf Wunsch setzt die Keramikerin auch Designvorstellungen ihrer Kunden wie z. B. Porzellanlampen o. ä. um.
Wie viel Geschick, Kraft und Zeit nötig sind, um eine ästhetische Keramikkunst aus einem 40 Kilogramm schweren Klumpen zu formen, wird erst bei Betrachtung dieser Arbeit deutlich. Liegt mal seelische Unausgeglichenheit vor, erinnert sich Ton an den unliebsamen Umgang spätestens im Brand. Sein Gedächtnis ist gnadenlos: Verziehen der Gefäße, Risse, verlaufene oder abgeplatzte Glasuren sind das Ergebnis.
Susanne Behrens weiß, warum sie mit Idealismus diese Arbeit macht. In einer Welt, die sich wieder nach dem Einzigartigen, Sensiblen, Bodenständigen sehnt, ist Ton das perfekte Material, sich auszudrücken.
Susanne Behrens · Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa 10.30−14 Uhr und nach Vereinbarung Eppendorfer Weg 88 · 20259 Hamburg · Tel. 040/490 50 19 · www.susannebehrens.de U 2 Christuskirche, Bus 4, 20, 25
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HEISSGETRÄNK FÜR DEN SCHEICH
Seit über zehn Jahren