»Ich neige nicht dazu aufzugeben«, antwortete sie leichthin. »Das liegt nicht in meinem Naturell.«
»Und in meinem liegt es nicht, sich anderen Wesen anzuvertrauen, geschweige denn, mich für sie zu interessieren. Also lass mich in Ruhe.«
Pen lächelte säuerlich. Sie hatte sich vor ihrem ersten Aufeinandertreffen mit Shaupaard vorgenommen, nichts auf die Vorurteile zu geben, die über ihn kursierten. Aber es hatte sich bestätigt, dass er tatsächlich eigenbrötlerisch und selbstherrlich war.
»Zumindest scheinst du dich für Gry O'Shannon zu interessieren.« Pen deutete auf den Tank, vor dem er stand und in dem die terranische Wissenschaftlerin in Suspension lag. »Wir würden allerdings gern allein sein.«
Es hatte keinen Sinn, diplomatisch mit dem Cairaner umzugehen. Das zumindest galt als gesichertes Wissen über ihn.
Neben Pen räusperte sich Jalland Betazou. »Wir können ja später wiederkommen.«
Sie hatte dem Onryonen vorgeschlagen, sich seine Sorgen im Suspensionssaal von der Seele zu reden. Nirgendwo sonst konnte er O'Shannon näher sein. Es war zumindest einen Versuch wert. Stattdessen machte dieses goldhäutige, vierhändige Ekel keine Anstalten zu verschwinden!
»Tatsächlich interessiere ich mich für O'Shannon«, sagte Shaupaard. »Sie hat die Abyssale Dispersion durchlaufen und dadurch eine ganz besondere Beziehung zur Vektormaterie entwickelt.«
Pen starrte auf die segmentierte Röhre der Kammer, in der die Suspensionsbank eingefahren war, auf der O'Shannon lag. »Ich will gar nicht daran denken.«
Perry Rhodan hatte davon berichtet, wie es ausgesehen hatte, als die Wissenschaftlerin im Abyssalen Schauraum von der Vektormaterie getroffen worden war. Sie war zerwürfelt. Pen hatte holografische Rekonstruktionen des Geschehens gesehen. Ein Netz von Linien hatte sich vom Boden aufsteigend über O'Shannons Körper gezogen und Trennstellen definiert, entlang derer sich die Teile verschoben hatten.
»Ich könnte auch auf die Erinnerungen verzichten«, murmelte Betazou. Sein Emot leuchtete safrangelb. Er verströmte einen süßlichen Geruch nach faulem Obst – Anspannung und Unbehagen.
Der Onryone war leibhaftig dabei gewesen, zusammen mit Perry Rhodan und Donn Yaradua. Er war durch den Abyssalen Triumphbogen gelangt, zwei kreisförmige, nebeneinander angeordnete schwarze Strukturen, jeweils umgeben von rötlich-silbrigen Halos. Die Kreise schwärten wie Wunden im Universum und bildeten die Grundflächen der Säulen aus Vektormaterie, die in unmessbare Tiefen reichten. Unablässig strömten graue Wolken, endlos scheinende Fäden und durchsichtige Würfel in den Abgrund.
Der Triumphbogen diente erkennbar als eine Art Transmitter für Vektormaterie.
Illustration: Swen Papenbrock
Alles im Zusammenhang mit den Triumphbögen trug den gleichen Zusatz wie sie: »Abyssal«. Der Schlitten, der die Gruppe damals transportiert hatte; der Katheter; der Schauraum, in dem Eindrücke vom Wirken der Kandidatin Phaatom erfahrbar wurden. Und alles bestand aus dem einzigen Stoff, dem Vektormaterie nichts anhaben konnte: der rötlich-silbrigen Phaatom-Gabe.
Betazou war an Bord des Schlittens geblieben. »Ich habe mich selten so hilflos gefühlt. Wir hatten von der Abyssalen Dispersion gehört, aber nicht damit gerechnet, dass Vektormaterie in den Schauraum vordringen würde.«
Pen fühlte dem Onryonen die Ohnmacht nach. Aus den Berichten hatte ANANSI, die Semitronik der RAS TSCHUBAI, einen holografischen Film erstellt, den Pen sich angesehen hatte.
Danach hatte sie sich nächtelang im Bett gewälzt. Halb träumend, halb wachend war sie durch den Schauraum gehetzt. Die rechteckigen, würfelförmigen Strukturen aus Phaatom-Gabe waren in ständiger Bewegung und dann ... porös geworden und zerstückelt! Aus den Rissen war Vektormaterie gequollen und hatte Pen umspült. Sie war schweißgebadet hochgeschreckt.
Der Preis ihrer lebhaften Phantasie.
»Ich kann deine Furcht verstehen«, sagte Pen.
Betazou sah sie Augenblicke lang kommentarlos an. »Es ist keine Furcht. Vielmehr eine Mischung aus Abscheu und Faszination, ein unwiderstehlicher Sog, dem man zu entkommen versucht. Das zehrt einen aus ...«
»Rührend«, sagte Shaupaard, und es war Pen nicht ganz klar, wie viel Spott in diesem einen Wort lag. Er verschränkte die Außenhände hinter dem Rücken, den er dem Suspensionstank zuwandte. Pen hätte gern das Spiel seiner Innenhände studiert, um Rückschlüsse auf sein Innenleben zu schließen. Doch die Oberflächen der Maschinen waren matt und spiegelfrei.
»Was immer du hier zu suchen hattest«, sagte Pen kühl. »Ich hoffe, du konntest es finden und verschwindest nun.«
»Was ich gesucht habe ...« Shaupaard griff sich in den Nacken, in dem der Sextadim-Span steckte. Er war ein Überbleibsel der VECU, der Superintelligenz, die von der Kandidatin Phaatom besiegt und in ein Abyssales Verlies gesperrt worden war. »... geht euch nichts an!«
In diesem Moment öffnete sich mit einem leisen Zischen das Schott zum Radialgang. Der Boden vibrierte.
»Da seid ihr ja, meine Kleinen!«, rief Icho Tolot. Pen hielt sich instinktiv die Ohren zu. Der vierarmige, schwarzhäutige Riese stand im Eingang. Seine drei rot glühenden Stielaugen richteten sich jeweils auf einen von ihnen. »Pen, Bru, ich möchte, dass ihr an einer Besprechung teilnehmt!«
3.
Shukkner
Klurn wurde immer langsamer, je mehr Zeit verging. Der nahende Winter setzte ihm zu.
Die kalte Feuchtigkeit schmerzte selbst in Shukkners Knochen. Dabei war er mindestens sechs Jahre jünger als sein Sklave, so viele, wie er Finger an einer Hand hatte. Ächzend stieg er in den Laderaum des Wagens.
»Immerhin hat Klurn nichts verlernt«, sagte er sich.
Er strich über die Schnittflächen der Fallbeile. Sie ritzten ihm die Haut auf, und Blut quoll aus den schmalen Wunden. Shukkner lutschte die Finger ab. Der Schachtelhalmsud brannte auf dem offenen Fleisch.
Schon griff er nach den Auslösern der Enthauptungsmaschine. Alle Eisen fielen mit einem sauberen, schnittigen Geräusch.
Shukkner schnalzte zufrieden.
Er bückte sich. Die Körbe hingen unter den Beilen, sie waren gereinigt, die Maschen tadellos. Die Buntmetallrinnen, die zu den Blutschalen führten, glänzten frisch poliert.
Klurn hatte sich während der Fahrt nützlich gemacht. Das erforderte nun doch ein Lob.
Also zwängte sich Shukkner an den fest verzurrten Maschinen vorbei zur Tür der Räucherkammer. Die Späne waren verbrannt, die Glut erloschen, die Asche größtenteils in die Auffangschale gerieselt.
Der Dovoin steckte den Kopf in die Kammer. Das Aroma der Würste flutetet seine Kopfrinne und die darin befindlichen Riechschwämmchen. Es roch nach Trunzenholz und Geiferkraut, nach Salz und Fett.
Shukkner stampfte belustigt mit den Plattfüßen auf die Bohlen des Laderaums. Er wusste von den Gerüchten, der Wohlgeschmack der Würste sei dem Umstand zu verdanken, dass er nichts verkommen ließe. Zumal nicht das hin und wieder sehr frische Fleisch seiner Klienten.
Unsinn, natürlich! Kannibalismus war verboten!
Aber was nützte es, dem Hörensagen zu widersprechen? Vor allem, wenn es den Warenabsatz förderte.
Shukkner schloss die Räucherkammer wieder. Mit einer Lobwurst für Klurn in der Hand ging er zum Lagerraum und überprüfte die Salzsäcke – sie waren trocken. Die nächsten Würste konnten damit gewürzt und konserviert werden. Die Kräuter hingen in Bündeln von der Decke und dörrten rasch, sodass sie nicht verdarben.
Zufrieden