Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711447727
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ich mit der Linken eine Pistole aus meinem Gürtel zog, sie auf den Unmenschen abfeuerte und ihn in die Schulter verwundete. Also wehrlos gemacht und zugleich voll Furcht, der Knall könnte den Kapitän zurückführen, von dem er wohl wusste, dass er nicht mit sich spielen lasse, zog er sich von der Thüre zurück, aber nicht ohne mir vorher schwere Rache zu geloben. Ich wandte mich sodann an die Mädchen, welche in athemloser Spannung Zeugen des Kampfes gewesen waren und in den Armen des unglücklichen alten Paars lagen; denn Letztere waren gleich beim Beginne des Gefechts herzugeeilt, um den Töchtern ihren nutzlosen Schutz anzubieten. Obgleich zu einer Kapermannschaft gehörig, konnte ich mich doch bei diesem Anblick der Thränen nicht erwehren. Ich versuchte auf’s Neue, sie zu ermuthigen, und erklärte ihnen in der feierlichsten Weise, dass ich im Nothfall für ihren Schutz gern mein Leben einsetzen wolle — eine Versicherung, durch die sie wieder etwas vertrauensvoller wurden. Als die armen Mädchen bemerkten, dass mir aus der erhaltenen Wunde das Blut über die Finger hinunterträufelte, versuchten sie mit ihren Taschentüchern den Strom zu stillen.

      Diese Scene wurde jedoch bald durch einen Lärmruf unterbrochen. Wahrscheinlich war es einem Neger gelungen, zu entwischen, und die Umgegend unter Wasser zu bringen. Die Bevölkerung der übrigen Pflanzungen hatte sich versammelt, und da unser Haufen, wie es gewöhnlich beim Plündern der Fall ist, sich sehr unvorsichtig benahm, so waren die Vedetten überrascht worden, so dass diese kaum Zeit gewannen, sich zu flüchten und uns von der Gefahr Meldung zu thun. Es war kein Augenblick zu verlieren, und unser Heil hing blos von einem plötzlichen Rückzug ab. Der Kapitän sammelte eiligst alle seine Leute, und während er noch damit beschäftigt war, den Rückzug zu ordnen, drang der alte Pflanzer, welcher aus dem Knallen der Feuerwaffen wie aus dem Lärm und der Verwirrung aussen wohl errieth, was stattgefunden hatte, in mich, auf seinem Gute zu bleiben, indem er mir vorstellte, unsere Mannschaft müsse nothwendig überwältigt werden, und in einem solchen Falle könne ich mir wohl denken, dass Schonung der Besiegten ausser Frage sei. Er legte seine Finger in Kreuzform und gelobte mir, Pardon für mich zu bewirken; auch solle ich stets mich seines Schutzes und seiner Freundschaft zu erfreuen haben. Ich wies sein Anerbieten zwar freundlich, aber mit Festigkeit zurück, worauf er mit einem Seufzer von mir abliess und keine weiteren Worte mehr verlor. Die alte Dame dagegen steckte mir einen Ring, den sie selbst getragen, an den Finger, küsste mich auf die Stirne und sagte mir, ich solle auf diesen Ring Acht haben und fortfahren, so gut und edel zu handeln, wie ich eben gethan habe.

      Da ich keine Zeit hatte, auch nur die dargebotenen Hände der Mädchen anzunehmen, so schwenkte ich blos die meinige und eilte fort, um mich meinen bereits im Rückzug begriffenen Kameraden anzuschliessen, und mit unsern Verfolgern Kugeln zu wechseln. Die Angreifenden bildeten eine grosse Mehrzahl, bestanden aber aus einem Gemisch von Pflanzern, Mulatten und Sklaven, von denen nicht die Hälfte bewaffnet war, so dass wir sie leicht zurückschlugen, so oft es zu einem Kampf in der Nähe kam. Die Unthaten der Kapernmatrosen hatten ihnen jedoch einen so grimmigen Hass eingeflösst, dass sie uns auf den Fersen folgten, ein sehr belästigendes Heckenfeuer unterhielten und uns hinzuhalten suchten, bis wir durch ihre Ueberzahl bewältigt werden könnten: denn da die ganze Gegend aufgeboten war, so strömten mit jeder Minute neue Massen hinzu. Unser Kapitän, der dies wohl bemerkte, beschleunigte den Rückzug so viel möglich, ohne übrigens die Ordnung aufzugeben, und wir eilten nach der Stelle, wo unsere Boote lagen, da jedes Entrinnen unmöglich war, sobald wir von diesen abgeschnitten wurden. Aber ungeachtet der Sorgfalt unseres Führers wurden doch mehrere der Unsrigen durch die Irrgewinde des Waldes oder durch erhaltene Wunden, welche es ihnen unmöglich machten, gleichen Schritt mit uns zu halten, von uns getrennt. Nachdem wir viele Angriffe, die sich jedesmal mit erneuertem Nachdruck wiederholten, abgeschlagen hatten, erreichten wir endlich unsere Boote, schifften uns mit der grössten Eile ein, und steuerten nach unserem Schooner. Durch unsere Flucht ermuthigt, strömten die Feinde in grossen Haufen an’s Ufer herunter, und wir mussten voll bitteren Ingrimms mit anhören, wie unsere Nachzügler, die in Gefangenschaft gerathen waren, um Gnade flehten; ihr Stöhnen aber und die darauf folgende Stille belehrten uns zur Genüge, dass ihnen Schonung versagt worden war.

      Kapitän Weatherall war so wüthend über den Verlust der Leute, dass er Befehl ertheilte, wir sollten zurückrudern und den Feind an der Küste angreifen; wir fuhren aber ohne Rücksicht auf seine Bitten und Drohungen fort, auf den Schooner abzuheben. Ein panischer Schrecken hatte uns Alle ergriffen, und es war auch kein Wunder. Ja, wir scheuten sogar das schlecht gezielte, unregelmässige Feuer, das sie wegen uns unterhielten, obschon es unter anderen Umständen uns nur lachen gemacht haben würde. Der Schooner lag blos ein paar hundert Ellen von der Küste ab und wir befanden uns bald an Bord. Das Feuer vom Ufer aus machte fort, aber die Kugeln flogen über uns hin. Wir setzten eine Springe auf unsere Kabel, warpten die Breitseite gegen die Küste, luden jede Kanone mit Kartätschen, und begrüssten unsere Angreifer mit einer vollen Salve. Das darauf folgende Geschrei und Aechzen belehrte uns, dass die Wirkung furchtbar gewesen sein musste. Die Matrosen wollten auf’s Neue laden und abermals Feuer geben; der Kapitän jedoch verbot dies mit den Worten: „wir haben schon zu viel gethan.“ Ich dachte das Gleiche. Er ertheilte sodann Befehl, den Anker zu lichten, und von einer steifen Landbrise getragen, hatten wir bald diesen unglückseligen Ort weit im Rücken.

      Zweites Kapitel.

      Wir werden von zwei Kaperschoonern verfolgt, und da es uns nicht gelingt, ihnen zu entwischen, kommt es zu einem surchtbaren Kampf. — Drei Akte eines mörderischen See Dramas. — Wir ziehen den Kürzern. — Kapitän Weatherall fällt. — Ich werde geplündert und verwundet.

      Ungefähr sechs Wochen nach der im vorigen Kapitel geschriebenen Unglücksgeschichte traf uns ein noch grösseres Missgeschick. Wir hatten vor dem spanischen Festland gekreuzt und mehrere Prisen genommen. Kurz nachdem wir die letzte derselben bemannt und fortgeschickt hatten, brach eine steife Bö los, und da die Rache damals gerade in Ufernähe lag, so sahen wir uns genöthigt, alles erforderliche Tuch auszuspannen, um vom Lande abzukommen. Wir mühten uns die ganze Nacht durch ab; als aber gegen Tagesanbruch der Sturm sich einigermassen legte, fanden wir, dass wir wegen der Strömung nicht viel hohe See gewonnen hatten. Noch wichtiger für uns war übrigens die Entdeckung des Auslugers auf der Stengenspitze, welcher zwei Segel ankündigte. Die Matrosen wurden unverweilt aufgeboten, um darauf Jagd zu machen; wir mussten aber bald finden, dass die beiden Fahrzeuge entschlossen auf uns abhielten, und als wir denselben näher kamen, stellte sich heraus, dass es zwei Kriegsschiffe waren. Eines davon kannten wir wohl — es war die Espérance, ein französischer Kaperschooner mit sechszehn Kanonen und 120 Mann; das andere erwies sich als einen spanischen Kaper, der in Gesellschaft mit dem Franzosen kreuzte und bei achtzehn Stück Geschütz eine volle Bemannung hatte.

      Unsere ursprüngliche Anzahl hatte aus mehr als hundert Köpfen bestanden, die übrigens durch Todesfälle, schwere Verwundungen und Bemannung unserer Prisen auf fünfundfünfzig kampftüchtiger Leute zusammengeschmolzen waren. Einer so weit überlegenen Streitkraft gegenüber boten wir aller unserer Segel und Ruderkraft auf, um zu entwischen; da aber das Land leewärts von uns lag, und der Feind windwärts stand, so war dies unmöglich. Aus der Noth eine Tugend machend, nahmen wir also die Sache wie wir mussten, und schickten uns zu dem verzweifelt ungleichen Kampfe an.

      Kapitän Weatherall, der das Leben und die Seele seiner Mannschaft war, liess es in solcher Bedrängniss an nichts fehlen. Mit der grössten Ruhe und Unerschrockenheit ertheilte er Befehl, alle kleinen Segel einzuziehen, und erwartete die Ankunft des Feindes. Sobald alles zum Gefecht bereit war, versammelte er die gesammte Mannschaft im Hinterschiff und gab sich Mühe, uns das gleiche Feuer einzuflössen, das ihn selbst beseelte. Er erinnerte uns daran, wie oft wir über viel stärkere Schiffe, als unser eigenes war, den Sieg davon getragen — dass wir den französischen Kaper bereits bei einer früheren Gelegenheit abgeschlagen, dass der Spanier durchaus nicht in Betracht komme, als wenn es gelte, die Verdienste des Doppelsiegs zu erhöhen, und dass unsere Stutzsäbel bald unsere Ueberlegenheit beweisen würden, wenn es einmal zum Handgemenge käme. Zugleich machte er uns darauf aufmerksam, dass unser Heil blos von unserer Mannhaftigkeit abhänge; denn wir hätten die Küste so schwer misshandelt und unser kürzlicher Angriff auf die Pflanzung werde in einem so gehässigen Lichte betrachtet, dass wir im Fall der Niederlage durchaus nicht auf Schonung zählen dürften. Dagegen könne er uns, wenn wir uns wacker hielten und wie Männer kämpften, einen sichern Sieg versprechen.