Herren vom Fjord. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518380
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Denn er ist ein schöner Mann, siehst du. Er hat langes, weiches Lockenhaar und eine weiße Stirn und große, dunkle Augen und ein unmöglich starkes Kinn. Ja, und jetzt wohnen sie also hier am Eldestrand und sind glücklich miteinander ...“

      Sie waren ganz gewiß nicht unglücklich, diese Engländer. Sie bekamen mit den Jahren viele Kinder — Archibald, David, Edith, Jonathan, Hannibal, Alexander, Gloria ...

      Und wiederum sagten die Leute unter sich: „Er ist ein gelehrter und völlig ausstudierter Mann, das kannst du selber verstehen. Hör doch nur all diese unmöglichen Namen! Einige sind, soviel wir ermessen können, aus der Heiligen Schrift, und andere müssen — darauf kannst du dich verfluchen, Kerl — entweder lateinisch oder gar türkisch sein ...“

      Oh, die Bauern hocken an den Abenden beim Krämer Bodolf Kaupang, sie hocken in einer Reihe auf der langen Bank, kauen Tabak, spucken und besprechen die Tagesneuigkeiten und die Zeitläufe. Wenn einer etwas Wichtiges gesagt hat, besinnen sie sich und nicken. Und bald sagt wieder ein anderer ein gutes Wort. Er sagt wohl: „Ja, brate mich — dann muß unser Englischmann also ein Pfarrer sein! Du, Thomas, warst oft bei ihm. Keiner hat soviel mit ihm geredet wie du.“

      „Ja“, sagt Thomas Budenes. „Ja, beim Hunde, wenn ich es recht betrachte, so kann er gar nichts anderes als ein gesalbter Pfarrer sein. Etwas Besseres findet sich nicht für ihn. In seiner Stube steht ein großer Tisch mit viel Papier und Tinte und allem. Und an den Wänden siehst du nichts als Bücher. Gott tröste meine Seele — und welcherart Bücher! Alle Bücher der ganzen Welt sind dort.“

      Er macht sich jetzt herrlich breit mit seinen Kenntnissen, dieser Thomas Budenes. In Wirklichkeit verhält sich seine Freundschaft zum Englischmann von Elde ein wenig anders. Sie verhält sich so, daß Thomas Budenes vor Jahren, alsbald nach des Misters Ankunft, vor jenem großen Tische stand und in weinerlichem Tone eine traurige Geschichte erzählte. Und der Englischmann erwies sich rundhändig und griff in eine Kasse und lieh Thomas eine Summe. Es war sicherlich noch lange kein Vermögen, kaum mehr als man in jenen Tagen brauchte, eine kleine Kuh zu kaufen. Thomas mußte dagegen ein Papier unterzeichnen und versprechen, an einem bestimmten Tag in jedem Jahr eine bestimmte lachhaft kleine Summe als Zins zu zahlen. Und an dem bestimmten Tage jedes Jahres erscheint nun dieser Thomas Budenes gewissenhaft immer auf Elde, steht vor dem großen Tisch und erzählt wieder eine Geschichte, und dann hat er keine Spur von Zins in der Hand. „Well — es ist gut“, entgegnet der Englischmann, erschüttert von soviel Beharrlichkeit, und macht irgendwo einen kleinen Strich.

      „Aber, wenn er wirklich ein Pfarrer ist“, sagt dann in Bodolfs Kramladen wieder einer. „Für einen Pfarrer sieht er — Pein und Tod — gar nicht so übel aus!“

      Dieses geht nun seit Jahr und Tag so weiter mit Raten und Vermutungen. Wenn die Leute von ihrem Englischmann reden, werden sie förmlich wild vor Neugierde und Unkenntnis. Er steht noch immer vor ihnen als ein Fleisch gewordenes Geheimnis. Er blieb in mancher Hinsicht märchenhaft. Und die Leute hierzulande lieben das Märchen über alles ...

      Es ereignet sich nicht gar vieles in einem stillen Fjordwinkel. Immerhin ereignete sich im Laufe der Zeit doch einiges: die vornehme Engländerin starb. Und viele ihrer Kinder starben. Die Kinder fielen entweder in einen Brunnen; oder sie fielen in den Fjord und ertranken. Einige wurden nur so von selber krank und fanden ihr Ende im Bett. Zum Schluß blieben Mister Blackwood nur noch der Sohn Hannibal und die Tochter Gloria.

      Neben diesem Sterben in der ausländischen Familie trug sich aber am Eldestrand auch noch anderes zu. Mister Blackwood war jederzeit mindestens von einer Idee besessen. Weil es ihm an Zeit nicht fehlte, sann er nach und erfand manches. Er baute nicht nur die Lachstreppe, sondern auch noch einen massiven Strandweg aus Quadern. Und das war wohl gar nicht so dumm. Aber dann kaufte er einen kleinen Kutter und segelte mit seinen Kindern zum Fjord hinaus. Dieses Unternehmen mißglückte jedoch vollständig. Der Kutter rannte auf eine Schäre und ging unter, und die Besatzung konnte nur mit Mühe von Fischern gerettet werden. Die Seefahrt wurde hierauf eingestellt.

      Da bald nach dem Schiffbruch im Lande Afrika der Burenkrieg ausbrach, konnte dieser Mister mit soviel unverbrauchter Manneskraft nicht stilliegen und das Weltgetriebe nur in der Ferne vorüberziehen lassen. Nein, er beteiligte sich daran und zog mit Büchse und Blei ins Foßtal hinauf. Seht, er war im Grunde seiner Seele eine kriegerische Natur. Er stellte mannshohe Holzplanken auf den Bergrücken, ging über den Bach zurück und eröffnete aus seiner Büchse die Feindseligkeiten. Hin und wieder traf er eine Holzplanke, so daß sie wankte und umsank; dann schrie er jedesmal: „Hurra! Dort fuhr wieder ein Bur zur Hölle.“

      Mister Blackwood hielt auf seinem Platze aus und ergab sich unter keinen Umständen und vernichtete die Feinde seines Vaterlandes so lange, bis der Sieg errungen war.

      Dieser Kampf war wohl ein wenig närrisch. Aber alle Welt weiß, daß der Burenkrieg nach vieler Mühe ein günstiges Ende genommen ... Zur Zeit des Burenkrieges war Mister Blackwood schon ein alter Mann. Er ging stets in einer roten Zipfelmütze umher, ein wenig sonderbar; aber im übrigen freundlich gegen alle Leute am Strande.

      Furchen im Wasser

      Aber auf der anderen Seite des Fjords wuchs inzwischen Trygve Eivindson heran und wurde ein Mann. Und Olav Arnevik wuchs heran und wurde ebenfalls ein Mann. Es zog ein neuer Pfarrer nach Akerud, der hatte eine Tochter, die hieß Jofrid. Trygve Eivindson verliebte sich in die Tochter Jofrid. Aber da war auch Olav Arnevik, und der verliebte sich gleichfalls in Jofrid.

      Trygve und Olav waren Freunde von Jugend an ... Dann zog Olav fort, in die Welt hinaus. Und Trygve bekam Jofrid und führte sie auf seinen Hof nach Lisät. Und als Jofrid ein Jahr oder so Herrin auf Lisät gewesen, kehrte Olav zurück.

      Es verhielt sich aber dennoch und trotz allem so, daß Jofrid zuerst und allezeit nur den einen liebte, und daß der andere sie nur darum gewinnen konnte, weil er allein am Strande zurückgeblieben war. Es gab deswegen noch lange keine Feindschaft zwischen den beiden Männern, es gab höchstens eine kleine Auseinandersetzung. Trygve wollte Olav in einer Nacht in der Berghütte des schwarzen Ur über den schmalen Tisch hinweg erschießen. Doch dieses war nur ein kleines Mißverständnis, es wurde gleich darauf einigermaßen aufgeklärt.

      Völlig aufgeklärt wurde zwar nie, was zwischen Jofrid und Olav vorgefallen war. Denn in jener Nacht stieg Olav durch die Donnerskare nieder; und das war viel mehr als eine Tollheit, das war Gottversuchung und konnte niemals gut ausgehen. Olav blieb an einem verkohlten Baumstumpf hängen und erfror. Am anderen Tage fand ihn Trygve. Da war Olav schon steif und tot, mit weitausgebreiteten Armen, ein Kreuz in Menschengestalt. Es kann kaum anders sein, als daß auch Olav um der Liebe willen starb.

      Es war ja immer ein wenig Grauen hinter allem, was sich auf Lisät zutrug. Unheimlichkeit lag in der Luft. Unheimlichkeit rauschte im Blut dieser Menschen. Sie blieben in ihrem Treiben und Lassen stets anders als andere Menschen.

      Irgendein finsterer Geist herrschte auf Lisät und ergriff alle: den Zigeuner-Halstein, den Knecht Oswald, Frau Dagmar ... er ergriff bald auch Jofrid, die junge Herrin.

      Jofrid? Wie trieb sie es nur an jenem Wintertage! Jofrid sitzt auf ihrem Stuhl und vernimmt, daß Olav tot ist. Aber sie sinkt nicht zu Boden. Jofrid — nein, sie bleibt stark. Sie weint nicht. Sie sagt: „Es ist gut, daß er tot ist. Ja, es ist viel besser so. Denn er war unglücklich wegen einem schlechten Weib in der Stadt. Und er durfte nicht mehr zu diesem Weib zurückkehren ...“

      Die junge Hausfrau Jofrid kannte ja noch lange nicht das ganze Unglück Olavs. Sie fühlte nur mit ihrem Herzen, daß Olavs Seele vernichtet und verloren war. Darum meinte sie, der Tod sei für ihn besser als das Leben.

      Nun, das mit Olav war nichts als ein Unglücksfall in den Bergen. Nichts Besonderes. Hingegen das mit Herrn Bardolf war ein unzweifelhafter Mord mit einem Dolch im Herzen. Wie es mit dem Zigeuner-Halstein und Herrn Eivind zuging, hat niemand erfahren. Das blieb ein dunkles Geheimnis und kann niemals aufgeklärt werden. Übrigens mit Herrn Eivind war Ähnliches zu erwarten, denn er ging als eine Gewaltnatur über diese Erde hin. Die Leute sagen, so viel sei sicher und gewiß, daß des Zigeuners Blut durch Herrn Eivind vergossen worden.

      Viele Regen sind seither