Leonore setzt sich durch. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Mädchen von der Parkschule
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711719541
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davon.

      Leonore stellte entsetzt fest, daß der Schuh schmutzig gewesen war; sie mußte sich erst noch die Hände waschen, bevor sie das Haus verlassen konnte.

      „Beeil dich!“ drängte die Mutter – aber dadurch ging es auch nicht schneller.

      Es hatte schon zum zweitenmal geklingelt, als sie die Parkschule erreichte. Sie keuchte die Treppe hinauf. Die meisten Türen waren schon geschlossen. Sie jagte den langen lichten Gang entlang und sah gerade noch, wie auch die Türe zu dem eigenen Klassenzimmer ins Schloß fiel. Das bedeutete für sie so klar und deutlich, als wenn es ihr jemand ins Ohr geflüstert hätte, daß Herr Alte, der die erste Stunde hatte, schon drinnen war und mit dem Unterricht begonnen hatte. Nur noch eine winzige Chance bestand, sich vielleicht doch noch im letzten Augenblick auf seinen Platz drücken zu können.

      Leonore wollte die Türe aufreißen und – hielt die Klinke in der Hand.

      Auch das noch! Ohne Aufsehen konnte sie nun keinesfalls mehr in das Schulzimmer. Sie holte tief Atem und dachte sich eine artige kleine Entschuldigung aus. Drinnen war es ganz still. Zaghaft klopfte Leonore an. Nichts rührte sich. Noch einmal klopfte sie, kräftiger.

      Jetzt wurde die Türe so ruckartig geöffnet, daß sie beinahe in das Klassenzimmer gepurzelt wäre. Gleichzeitig schallte ihr brausendes Gelächter entgegen.

      Leonore stand, wie vom Donner gerührt, und sah nur Katrin vor sich, die, die Arme in die Hüften gestemmt, den Oberkörper zurückgebogen und den Mund von einem Ohr bis zum anderen geöffnet, sich ausschüttete vor Lachen.

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, daß dieser Krach nur ein gutes Zeichen sein konnte: in Herrn Altes Gegenwart wäre die Klasse bestimmt nicht so übermütig und ausgelassen gewesen.

      Sie blickte zum Lehrertisch und fand ihren Gedanken bestätigt.

      „Da hast du einen schönen Schreck bekommen, was?“ rief Katrin Vergnügt.

      „Reingefallen, ätsch, fit, fit!“ piepste Ruth.

      „Jetzt dachtest du, wir hätten schon angefangen!“ triumphierte Silvy.

      Leonore hatte sich schon wieder gefaßt. „Wenn das ein Witz sein sollte“, sagte sie verärgert, „war es ein sehr doofer.“

      „Seit wann kannst du keinen Spaß mehr verstehen?“ fragte Olga.

      Leonore zwang sich zu einem Lächeln. „Sehr komisch!“

      „Du kannst ruhig richtig lachen“, forderte Katrin auf, „schließlich hast du ja noch mal Glück gehabt!“

      „Du sagst es.“

      Leonore drückte Katrin die Klinke in die Hand und wollte auf ihren Platz.

      Das Gelächter war inzwischen verebbt. Die Aufmerksamkeit der anderen Schülerinnen richtete sich nicht mehr auf sie; einige redeten oder verglichen ihre Hausaufgaben, andere lasen.

      Katrin starrte auf die Klinke. „Was soll ich damit?“

      „Wieder einsetzen, du Dumme!“ Silvy gab ihr einen Rippenstoß.

      Katrin betrachtete die Klinke von allen Seiten. „Ich wüßte was Besseres!“

      „Alles herhören!“ quietschte Ruth. „Katrin hat eine Idee!“

      „Mach erst mal die Türe zu!“ befahl Katrin.

      Ruth tat es.

      „Aber dann kann doch der Alte nicht herein!“ gab Silvy zu bedenken.

      Katrin grinste. „Junge, Junge, du bist aber unter die Schnelldenker gegangen … Genau das ist ja der Witz an der Sache!“

      „Daß der Rauschebart nicht herein kann?“ fragte Ruth, die großen grünen Augen weit aufgerissen.

      „Genau!“

      „Das ist aber doch ziemlich gemein“, sagte Silvy.

      „Ach was, sei nicht so zimperlich! Schließlich ist es seine eigene Schuld … Er brauchte ja nicht zu spät zu kommen!“

      „Abstimmen!“ rief Ruth und kletterte auf den Tisch. „Hört mal alle her …“

      Aber Olga war aus Erfahrung klug geworden; sie ließ sich die Initiative nicht aus der Hand reißen, sondern lief nach vorne und überschrie Ruth, was ihr nicht schwerfiel, weil sie eine wesentlich kräftigere Stimme hatte. „Katrin will den Rübezahl aussperren! Wer ist dafür?“

      Alle Hände außer Leonores fuhren hoch.

      „Wer ist dagegen?“

      Es fiel Leonore nicht leicht, sich gegen die ganze Klasse zu stellen, aber sie versuchte es tapfer. „Also ich finde, das können wir nicht machen. Wenn wir Herrn Alte nicht hereinlassen, werden wir jede Menge Ärger bekommen.“

      „Feigling!“ rief Silvy verächtlich, und einige Mitschülerinnen stimmten ihr bei.

      Leonore sprang auf. „Das ist gar nicht wahr! Ich habe keine Angst, ich finde bloß, das Ganze ist lächerlich! Ihr solltet wirklich zu groß für solche blöden Streiche sein!“

      „Du hast eben keinen Humor“, stellte Katrin freundlich fest, „das ist dein Fehler!“

      In diesem Augenblick wurde von draußen gegen die Türe gepocht. „Aufmachen“, befahl Herr Alte, „aber ein bißchen plötzlich!“

      Die Mädchen blickten sich an.

      „Na, tu’s doch, Leonore!“ sagte Katrin. „Worauf wartest du noch?“

      Leonore fühlte alle Augen auf sich gerichtet. Das war eine schwere Entscheidung. Herrn Alte auszusperren ging ihr ganz und gar gegen den Strich, denn sie haßte Ungezogenheiten. Aber andererseits wagte sie es auch nicht, sich gegen die ganze Klasse zu stellen und sich dadurch Unbeliebt zu machen.

      So stand sie schweigend da und zerbiß sich die Lippen.

      „Du machst also mit?“ fragte Olga.

      „Ich beuge mich der Mehrheit“.

      „Bravo!“ schrie Katrin. „Also weiter im Text!“

      Herr Alte hatte inzwischen noch mehrfach gegen die Türe gedonnert und danach voller Wut verlangt, daß ihm geöffnet wurde.

      Katrin trat jetzt dicht heran und beteuerte: „Tut uns furchtbar leid, Herr Alte, aber das geht nicht. Die Klinke ist ab!“

      „Das habe ich gemerkt … Deshalb könnt ihr aber doch von innen öffnen!“

      „Auch nicht“, behauptete Katrin und zog jetzt auch die inseitige Klinke mit einem Ruck heraus.

      Ihre Mitschülerinnen jubelten ob dieser Heldentat.

      „Ich befehle euch zum letztenmal …“, donnerte Herr Alte.

      „Aber wenn wir doch nicht können!“ schrie Silvy, die nicht wollte, daß Katrin allein sich mit dem Ruhm der Unverfrorenheit bekleckerte.

      „Gebt die Klinke heraus!“ donnerte Herr Alte.

      „Moment, ich werde es versuchen“, erklärte Katrin scheinheilig und fuhrwerkte mit der Klinke unter komischen Verrenkungen am Boden herum. „Bedaure sehr!“ Sie richtete sich wieder auf. „Sie ist zu dick … Sie geht nicht durch die Ritze.“

      Die Klasse tobte vor Vergnügen.

      „Diese Unverschämtheit“, schimpfte Herr Alte, „werdet ihr mir büßen müssen!“

      Aber diese Drohung verpuffte wirkungslos; der Übermut der Schülerinnen kannte jetzt keine Grenzen mehr.

      „Wissen Sie, was?“ rief Silvy und entriß Katrin eine der Klinken. „Ich habe eine Idee … Ich werfe das gute Stück in den Hof hinunter, da können Sie es sich holen!“ Wie gesagt, so getan; sie rannte zum Fenster, öffnete einen Flügel und schleuderte die Klinke mit Schwung hinaus.

      Die