Charaktere und Schicksale. Hermann Heiberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Heiberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066110697
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im Ton, das Wort.

      „Ja, ich möchte, da wir in unseren Mitteln sehr beschränkt sind, bitten, — bitten, daß Sie diese Annonce einigemal in den Täglichen Nachrichten zu einem ermäßigten Preise aufzunehmen die Güte hätten. Das ist's, das ist's! Wir haben sie auch möglichst kurz gefaßt. — Bitte, möchten Sie sie einmal lesen, Herr Eigentümer?“

      „Ein junges Mädchen aus angesehenem Hause, mit Lehrerinnen-Zeugnissen versehen, und mit allen Hausarbeiten vertraut, besonders musikalisch, wünscht eine Stellung als Gouvernante, Repräsentationsdame oder Gesellschafterin. Offerten an die Expedition der Täglichen Nachrichten unter Ch.v.O.“

      Während Herr Knoop den Inhalt studierte, fiel ihm ein, daß es seit lange seiner Tochter Margaretes höchster Wunsch war, eine derartige Gefährtin zu besitzen.

      Infolgedessen sagte er, kurz entschlossen:

      „Bitten Sie doch Ihr Fräulein Nichte, mich morgen vormittag etwa um diese Zeit hier in meinem Kontor zu besuchen. Ich kann ihr vielleicht, ohne daß wir eine Anzeige erlassen, dienlich sein!

      „Wenn aber nicht, so will ich Ihren Wunsch erfüllen! Ich werde die

       Annonce wiederholt in Zwischenräumen ohne Kosten für Sie, aufnehmen.“

      „O, sehr, sehr gütig, Herr Eigentümer,“ stieß die alte Dame, glücklich überrascht, heraus. „Nehmen Sie innigsten Dank! Und Ileisa wird Ihrem Wunsch genau nachkommen. Ich werde sie selbst herführen.“

      „O, nein, nein! Das ist ja nicht nötig, mein Fräulein. Was wollen Sie sich bemühen“ — fiel Herr Knoop, höflich bestimmt, ein und erwartete, daß die Antragstellern erfreut zustimmen würde. Aber es geschah nicht, es malte sich vielmehr in ihren Zügen eine mißtrauische Enttäuschung.

      Auch sprach sie mit starker Betonung:

      „Meine Nichte macht stets nur in meiner Begleitung Besuche bei Herren.

       Sie ist so erzogen —“

      „Gut denn — gu — ut denn!“ bestätigte Herr Knoop, sich in die Wünsche der Alten fügend, mit einem überlegenen Lächeln.

      „Wenn Sie Furcht haben, es könne Ihrem Fräulein Nichte etwas geschehen.

       — Oder — oder — jawohl — jawohl — daß es eben passender für eine junge

       Dame ist —: Völlig einverstanden! Also um zehn Uhr oder später, wie es

       Ihnen gefällt. Bis zwölf Uhr bin ich in meinem Kontor!“

      So sprach Herr Knoop. Die Alte aber, die nichts erwidert hatte, wandte sich während des Fortgehens noch einmal um, ergriff seine Hand und sagte zartfühlend:

      „Verzeihen Sie, wenn ich — wenn ich — Es war ja so nicht gemeint! — Und nochmals innigsten Dank.“

      Dann ging sie. Herr Knoop aber trat, angenehm berührt, und zunächst noch im Nachdenken über diesen Besuch, an seinen Schreibtisch.

      Hier begab er sich an die Beantwortung verschiedener Geschäftsbriefe, deren Erwiderungen er, bevor er sie in die Umschläge steckte, auch noch auf einer auf einem Nebentisch stehenden Kopierpresse eigenhändig abklatschte.

      Inzwischen war die Zeit so weit vorgerückt, daß es von dem Turm der nahegelegenen Kirche zwölf schlug, und fast in demselben Augenblick erschien auch schon der in seiner dunkelblauen Dienerlivree mit den silbernen Knöpfen steckende Adolf und überreichte Herrn Knoop mit etwas zweifelnder Miene eine Visitenkarte.

      „Soll ich ihm 'reinlassen oder jleich abweisen?“ fügte er, während Herr

       Knoop diese studierte, hinzu.

      „Nein! Im Gegenteil! Ich werde ihm selbst öffnen, du kannst inzwischen hinten fragen, ob etwas zu besorgen ist,“ erwiderte Herr Knoop und entließ den, seinen dicken, mit den beringten Ohren versehenen Kopf bewegenden Alten.

      Nachdem er gegangen, zog Herr Knoop das anonyme Schreiben hervor und ließ es, — weil er das Gefühl hatte, sicherlich einem sehr gewandten, nicht leicht zu durchschauenden Weltmann gegenüberstehen, — nochmals auf sich wirken.

      Alsdann trat er Herr von Klamm gegenüber und nötigte ihn, mit artiger

       Zuvorkommenheit, näher zu treten.

      Herr von Klamm machte einen äußerst vorteilhaften Eindruck. Er besaß bei einem angenehm gemessenen Wesen vollendete Manieren, und verstärkt wurde noch das sich für ihn in Herrn Knoop regende Interesse, als er nach Erledigung der Einleitungsworte eingehend über seine Absichten sprach.

      „Die Einrichtung Ihres Geschäfts kennen zu lernen, ist mir von doppeltem Wert, sehr verehrter Herr Knoop. Es interessiert mich an sich, und ich verbinde damit, offen gestanden, einen Zweck.

      „Ich möchte unter Umständen den Versuch machen, in einem solchen Unternehmen eine Thätigkeit zu finden. Erlauben Sie mir, Ihnen kurz zu sagen, wer ich bin:

      „Mein Vater besaß eine Gutsherrschaft in der Nähe von Bautzen. Diese

       ging nach seinem Tode in den Besitz meiner Mutter über, die aus den

       Erträgnissen eines aus der Verwertung desselben hervorgegangenen

       Vermögens existiert.

      „Ich wurde als junger Mensch von meinen Eltern in die Kadettenanstalt in Dresden gethan, und bin sodann in Wien in österreichische Militärdienste getreten. Nachdem ich wegen einer Meinungsverschiedenheit mit meinem Vorgesetzten den Abschied genommen, war ich in gleicher Eigenschaft als Soldat einige Jahre im Ausland und habe mich, von dort zurückgekehrt, in den großen europäischen Städten auf verschiedenen, mich interessierenden Gebieten, namentlich auch schriftstellerisch und journalistisch versucht, und bin endlich, nach längerem Aufenthalt in Wien und Dresden, hier seit reichlich einem Jahre in dem mich besonders anziehenden Berlin gestrandet.

      „Gewiß, ich begreife, daß man Persönlichkeiten, die häufig in ihren

       Lebensbeschäftigungen wechseln, ein gewisses Mißtrauen entgegenträgt.

       Indessen hat mich stets ein ausgeprägter Sinn für alles Wissenswerte

       geleitet, und ganz besondere Umstände führten die eingetretenen

       Ortsveränderungen herbei.

      „Auch darf ich der Wahrheit gemäß behaupten, daß ich, war ich auch einmal leichtlebig, in allen ernsten und Ehrensachen stets äußerst genau verfahren habe.

      „Letzteres erwähne ich, weil ich Sie gegebenen Falles zu fragen mir erlauben möchte, ob Sie mir nicht eine Thätigkeit in Ihrem vielverzweigten Geschäft anweisen könnten.

      „Ich führe — ich darf es behaupten — eine gewandte Feder!

      „Und noch eins gleich! Sie haben vielleicht ein anonymes Schreiben erhalten! Ich bitte, daß Sie mich es lesen lassen, um die Verleumdungen zu widerlegen.“

      Herr Knoop hatte, wie erwähnt, dieser inhaltreichen, in einem außerordentlich freimütigen Ton vorgetragenen Rede unter den vorteilhaftesten Eindrücken zugehört.

      Als Herr von Klamm aber den letzten Satz sprach, meldete sich ein gewisses Mißtrauen. Sicher! Keiner, der Beste, — so überlegte Herr Knoop — konnte sich vor Verdächtigungen schützen, aber die Wirkung solcher konnte auf andere niemals eine günstige sein! Im übrigen entsprach er dem Wunsch, den Baron Klamm geäußert hatte.

      Während Baron Klamm das Schreiben prüfte, trat ein verächtlicher

       Ausdruck in sein Antlitz. Dann sagte er, während er den Brief Herrn

       Knoop mit kavaliermäßiger Artigkeit wieder überreichte:

      „Ich danke Ihnen, und ich bitte, daß Sie die immer gleichlautende

       Niederträchtigkeit in den Ofen werfen. Und hier!“ fuhr er fort, zog ein

       Schriftstück aus der Tasche und unterbreitete es Herrn Knoop.

      „Ich