MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия: Matthew Corbett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958355026
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von seiner Meinung oder seinem Glauben ab. Er ist überzeugt davon, dass ihn der Tod auf diese Art ereilen wird. Und er fürchtet sich sehr vor dem Moment der Abrechnung, Gentlemen.«

      »So, wie ich Euch verstehe«, sagte Greathouse, »ist er nicht nur reich, sondern auch alles andere als tugendhaft?«

      »Sein Reichtum ist aus seiner Unersättlichkeit entstanden«, antwortete Oberley. Seine Miene war emotionslos. »Viele andere sind daran zugrunde gegangen.«

      Matthew und Greathouse wechselten einen Blick, sagten aber nichts zu dieser vernichtenden Behauptung.

      »Ich bin befugt, Euch Geld anzubieten.« Oberley zog einen Lederbeutel aus einer Tasche in seiner schwarzen Samtweste. »Einhundert Pfund, Sirs. Ich hoffe, dass Christina heute Abend oder morgen auf den Landsitz kommt. Alles andere wird zu spät sein, befürchte ich.«

      Greathouse gab ein Geräusch von sich, das halb wie ein Schnauben und halb wie ein Pfiff klang. Wie Matthew wusste, waren einhundert Pfund für zwei Abende Arbeit eine äußerst generöse Summe, aber … es war eine absurde Aufgabe. Den Tod auf seinem Weg zu Brodd Mortimers Schlafzimmer abzufangen? Ein ungreifbares Phantom überzeugen, den Mann noch ein paar Stunden leben zu lassen? Es war wirklich …

      »Ein feines Problem, das wir da lösen sollen«, sagte Greathouse. Seine Miene war ernst wie Granit, aber Matthew konnte das wölfische Grinsen darunter geradezu spüren. Greathouses schwarze Augen funkelten. »Wir werden es übernehmen. Oder … vielmehr … Mr. Corbett wird es übernehmen, da es mir noch nicht gut genug geht, um eine Reise anzutreten, und mir dieses kalte, nasse Wetter verrät, dass etwas Unangenehmes in der Luft liegt.«

      »Oh ja«, sagte Matthew gepresst. »Unangenehmes liegt in der Luft.«

      Greathouses Lachen klang nicht fröhlich. Er wandte seine Aufmerksamkeit nicht von Jesper Oberley ab. »Wir nehmen diese würdige Herausforderung an, Sir. Wenn wir nun das Geld erhalten könnten?«

      »Fünfzig Pfund jetzt«, sagte Oberley und lehnte sich vor, um den Beutel in Greathouses ausgestreckte Hand zu drücken. »Fünfzig Pfund, wenn die Aufgabe erfüllt ist.«

      »Wenn sie zufriedenstellend erfüllt worden ist«, sagte der große Mann.

      »Zufriedenstellend oder gar nicht«, sagte Matthew.

      »Es gibt ein paar Papiere zu unterzeichnen.« Greathouse zog sie aus seiner Schreibtischschublade und schob Feder und Tinte über den Tisch.

      Viel zu eifrig, dachte Matthew.

      Oberley stand auf und unterschrieb die Dokumente. »Ich habe unten eine Kutsche warten.« Er sah Matthew an. »Wenn Ihr für ein oder zwei Nächte packen möchtet, werde ich den Kutscher anweisen, Euch zu Eurem Haus zu fahren.«

      »Das wäre gut, danke.« Auch Matthew erhob sich. Oberley holte sich seinen Mantel und zog ihn sich über. Der schwarze Dreispitz wanderte zurück auf seinen Kopf und die Knochenknöpfe seines Mantels wurden geschlossen. »Mr. Oberley«, sagte Matthew. »Darf ich Euch schon zur Kutsche vorgehen lassen, während ich noch kurz mit meinem Kollegen spreche?«

      »Natürlich. Ich werde warten.« Der blässliche Diener verließ die Amtsstube und kurz darauf erklang das Geräusch seiner Stiefel auf den Treppenstufen.

      Bist du von allen guten Geistern verlassen?, wollte Matthew fragen, aber Greathouse sprach zuerst: »Jetzt beruhige dich schon. Entspann dich.«

      »Ich soll mich entspannen? Du schickst mich auf eine Reise, um mit dem Tod zu reden? Für einen sterbenden Mann, der mindestens halb so verrückt wie du sein muss!«

      Greathouse war damit beschäftigt, den Beutel zu öffnen, um die Goldmünzen darin zu inspizieren. »Schön. Guck, wie sie im Licht glänzen.«

      »Das Geglitzer hat mich schon mal geblendet. Hudson, ist das dein Ernst? Das ist doch der reinste … Straßenraub!« Eine Arbeit, für die Greathouse gut geeignet zu sein schien, dachte Matthew.

      »Falsch.« Greathouse richtete den Blick seiner schwarzen Augen wie Pistolenmündungen auf Matthew. »Es ist eine lohnenswerte Aufgabe, die für einen im Sterben liegenden Mann erledigt wird. Versetz dich doch nur in seine Lage.«

      »Lieber nicht.«

      »Nur für einen Moment.« Der große Mann konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine Handvoll Münzen auf die grüne Schreibtischunterlage zu werfen. »Du – also, du als Lord Mortimer – hast Angst davor, dass der Tod in greifbarer Form bei dir auftaucht. Du möchtest mit deiner Tochter reden und alte Fehler wieder gutmachen. Es wird dir ein Trost in deinen letzten Stunden sein, dich neben deinem Bett sitzen zu haben, Matthew.« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, als wollte er sich von Ohrenstöpseln befreien. »Du weißt schon, was ich meine. Außerdem hast du mit Verrückten ja bereits Erfahrung. Also geh und beweise, wozu die Herrald-Vermittlung fähig ist.«

      »Ich finde, es ist falsch …«

      »Na, na!«, kam die Antwort, von heftigem Händewedeln begleitet. »Hinfort mit dir!«

      Kurzerhand entlassen zu werden, hatte Matthew noch nie leicht hingenommen. Daher fühlte er Verärgerung in sich hochsteigen, als er seinen grauen Umhang, die schwarzen Wollhandschuhe und seinen schwarzen Dreispitz mit dem schmalen roten Hutband anzog. Er war bereits auf dem Weg zur Tür, als sein profitsüchtiger Kollege sagte: »Es wird kalt werden. Vielleicht wird es frieren. Pass auf, dass du kein Gespräch mit dem Tod über dich selbst führen musst.«

      »Wenn ich von diesem Auftrag zurück bin«, sagte Matthew mit roten Wangen, »werde ich bei Sally Almond als dein Gast speisen – vom Wein bis zum Bröselkuchen.«

      »Gern. Und jetzt hör auf zu jammern und zerbrösele das Problem.«

      Der beste Mann

      Kalter Regen zog aus dem Westen heran und gefror auf der Erde und den Bäumen zu Eis, während die schwarze Kutsche mit den edlen roten Ledersitzen die Straße entlangrumpelte. Das Wetter konnte Matthew nichts anhaben, da die Kutsche geschlossen und an der Wand neben seinem Kopf eine Kerzenlaterne befestigt war, aber das drückende Gewicht der dunklen Wolken über New Jersey spürte er trotzdem. Ihm gegenüber döste Jesper Oberley ungeachtet der holperigen Fahrt. Der dem Eisregen ausgesetzte Kutscher war so tief in Mäntel und Schals verpackt, dass nur noch seine Augen freilagen – und die waren hinter vereisten Brillengläsern zusammengekniffen. Hin und wieder rutschten die vier Pferde auf einem gefährlichen Wegstück aus, aber sie schnaubten große Dampfwolken, brachten ihre Hufe wieder unter sich und zwangen sich in die dunkler werdende Nacht hinein.

      »Es kann doch nicht wirklich sein, dass Lord Mortimer glaubt, der Tod würde ihn in menschlicher Gestalt heimsuchen«, sagte Matthew, während die Kutsche schaukelte und das Eis in den Fugen knirschte.

      Die Augen des Dieners öffneten sich. Auch wenn er eben tatsächlich gedöst hatte, war er jetzt hellwach. »Wäre es anders, Mr. Corbett, dann säßet Ihr jetzt nicht hier.«

      »Es ist eine Wahnvorstellung. Sicherlich durch seine Krankheit bedingt.«

      »Er liegt im Sterben, aber er halluziniert nicht. Er ist bei vollem Verstand.«

      »Hm«, machte Matthew und runzelte im gelben Kerzenlicht die Stirn. »Ich muss sagen, ich komme mir vor, als würde ich einen sterbenden Mann ausrauben.«

      »Lord Mortimer kann es sich leisten, ausgeraubt zu werden.« Die Augenlider hingen wieder auf Halbmast. »Er hat selbst so viele Menschen beraubt.«

      Auf diese kalte Feststellung fiel Matthew keine Antwort ein. Ihm schien, dass Oberley seinen Herrn gleichzeitig mochte und verachtete. »Womit hat Lord Mortimer sein Vermögen gemacht?«, fragte Matthew.

      Die Augen schlossen sich. Vielleicht zehn Sekunden lang kam keine Antwort. Dann: »Mit vielem. Bergminen. Hausbau. Forstwirtschaft. Schiffsbau. Geldverleih. Er hat mehrere Vermögen angehäuft. Und er hat sein Geld mit eiserner Faust für sein eigenes Vergnügen festgehalten.«

      »Ein egoistischer