Ben - Unersättlich! (Erotik, gay, bi). Benjamin Larus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benjamin Larus
Издательство: Bookwire
Серия: Ben
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956049576
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sich mit ihr ein hartes Training in seinem Studio geliefert, und auch mit Judith hatte es einige Treffen und Unternehmungen gegeben, die ich aus Zeitgründen hier gar nicht alle aufführen kann. Vor allem hatte ich es zu schätzen gelernt, auf meinem Heimweg einen kleinen Umweg zu machen, in der gemütlichen Wohnung der beiden vorbeizuschauen und ihre Gastfreundschaft zu genießen. Als Studentin verbrachte Judith im Gegensatz zu ihrer Freundin offenbar viel Zeit in den eigenen vier Wänden, und ihre Leidenschaft für Genüsse jeglicher Art machte jeden Besuch zu einem Fest der Sinne.

      Judith hatte schon vor unserem ersten Treffen der klassischen Musik zumindest aufgeschlossen gegenübergestanden, auch schon Oper und Konzertsaal von innen gesehen. Sie wusste Beethoven von Brahms zu unterscheiden und die Alte Oper vom Opernhaus am Willy-Brandt-Platz. Somit hatte sie mich leidenschaftlich dabei unterstützt, den Besuch des Lohengrin als Kulturereignis zu viert anzukurbeln, auch wenn eine mehrstündige Wagner-Oper eine ziemliche Herausforderung für unsere beiden in dieser Hinsicht bislang eher unbeleckten Liebsten darstellen mochte.

      So sah also die Planung für heute vor, dass Guido rechtzeitig genug bei Judith und Rebecca eintreffen würde (die Vorstellung war bereits für 18.00 Uhr angesetzt), um dann gemeinsam die U-Bahn zu nehmen. Als sich das mit dem frühen Abholen der Karten abgezeichnet hatte, war es naheliegend gewesen, mich für das anschließende Frühstück bei Judith einzuladen; und tatsächlich sollte sie an diesem Donnerstag auch erst mittags ein Seminar haben. Die Zeit bis zum späten Nachmittag in der Wohnung der beiden alleine zu verbringen, wäre schon damals sicher ohne weiteres möglich gewesen, doch unverhofft hatte sich ein weiterer Programmpunkt ergeben.

      Es war nun schon ein Vierteljahr her, dass ich meine neue Arbeitsstelle in einem alteingesessenen Bekleidungshaus auf der Zeil angetreten hatte. Vor entsprechend langer Zeit hatte ich also meiner alten Immobilienfirma den Rücken gekehrt – und damit auch meiner früheren Chefin, die letzten Endes ja doch der Grund für meine Kündigung gewesen war (was ich ihr, rückblickend betrachtet, keinesfalls übelnehme!). Zum Schluss hatte ich befürchtet, dass ich sie schmerzlicher vermissen würde, als es dann tatsächlich der Fall war. Auch ohne Judith und Rebecca hielten mich die täglichen Herausforderungen und Ablenkungen doch so sehr auf Trab, dass ich schlichtweg keine Zeit hatte, mich in Sehnsucht nach unseren heimlichen Abenteuern zu verzehren. Freilich musste ich mich erst wieder daran gewöhnen, dass Arbeit tatsächlich Arbeit war. Jetzt gab es keine Außentouren mehr, in deren Rahmen ich meine Chefin in irgendwelchen leerstehenden Wohnungen vernaschte, keine schnellen Nummern in ihrem Büro oder mit Nadine im Kopierraum – aber so sollte es ja auch sein und so hatte ich es mir nach all den nervenaufreibenden Verwicklungen im letzten Jahr explizit vorgenommen.

      Trotzdem machte mein Herz einen unvermittelten Sprung, als eines Abends Ende April noch in der S-Bahn mein Telefon klingelte und ich ihren Namen auf dem Display las. Ich hatte ganz vergessen, dass wir im Vorfeld jener Party im Hause Franziskas einst unsere mobilen Nummern getauscht hatten.

      Ich meldete mich möglichst neutral, aber sie dürfte gewusst haben, dass ich wusste.

      „Hallo, Herr Schrott!“

      „Frau Chefin!“, rief ich verzückt aus, was natürlich Blödsinn war. So hatte ich sie niemals genannt, und überhaupt war es inzwischen überflüssig, sich zu siezen nach allem, was wir schon miteinander angestellt hatten. Aber irgendwie war das wohl uns beiden in Fleisch und Blut übergegangen, und ich will nicht ausschließen, dass sie ebenso wie ich auch einen gewissen Spaß an diesen paradoxen Förmlichkeiten hatte.

      „Wie geht’s Ihnen in Ihrem neuen Job?“

      „Bestens, danke!“

      Für einen Moment befürchtete ich, sie könnte mich zurückholen oder womöglich auch nur für eine einmalige Transaktion mein Verkäufertalent in Anspruch nehmen wollen. Aber weit gefehlt. Auf meine Gegenfrage, wie es denn um sie selbst bestellt sei, antwortete sie ebenso überschwänglich.

      „Sie werden ja sicher gehört haben, dass es mich tatsächlich nach London verschlagen hat. Zu unserem alten Provinzkaff ein Unterschied wie Tag und Nacht, selbst zu Frankfurt!“

      Ich hatte nicht; auch wenn es sie vielleicht enttäuschte, dass ich mich nach meinem Weggang nicht weiter nach ihrer Karriere erkundigt hatte.

      „Aber mit Rücksicht auf meine familiären Pflichten habe ich mir eine kleine Wohnung hier genommen. Ende nächster Woche bin ich wieder mal im Lande, und da dachte ich – Sie arbeiten doch jetzt auch in Frankfurt?“

      Die Frage traf mich etwas unvermittelt. Ich bejahte mechanisch.

      „Na, prima. Wollen Sie sich in der Mittagspause mal mit Ihrer alten Chefin treffen, wie wär’s?“

      Leicht verblüfft stellte ich fest, dass ich urplötzlich einen Ständer hatte.

      „Klar, warum nicht?“, stotterte ich, um Gleichgültigkeit bemüht.

      Als es um die konkrete Planung ging, faselte ich etwas von meinem Wochenplan, den ich erst noch bekommen würde. Ich musste erst einmal nachdenken, was sie akzeptierte.

      So viel also zu dem weiteren Programmpunkt für diesen Donnerstag. Die fast lückenlose Planung schien perfekt: Nachdem ich die Opernkarten in Empfang genommen hatte, würde ich mich bei Judith gemütlich an den Frühstückstisch setzen. Ich konnte mir natürlich ausrechnen, dass es nicht beim Frühstücken blieb, aber wir hatten ja reichlich Zeit. Anschließend konnte ich mich in aller Ruhe in die Innenstadt begeben. Um halb zwölf wurde ich dann bei meiner ehemaligen Chefin vorstellig, deren Wohnung sich in einem der älteren, aber immer noch exklusiven Hochhäuser an der Neuen Mainzer Straße befand. Gemeinsames Mittagessen, vielleicht noch ein Kaffee irgendwo unter freiem Himmel (das Wetter versprach sommerlich zu bleiben), dann ging es zurück nach Ginnheim zur Wohnung unseres Traumpaares. Ein bisschen verschnaufen, schließlich zur Krönung des Tages in die Oper. Wunderbar.

      Ich lehnte mich behaglich in den Sitz zurück und nahm ein Buch zur Hand, das Sebastian mir als Vorbereitung auf diesen Abend schon vor Wochen geliehen und dringend zur Lektüre empfohlen hatte: einen Kommentar mitsamt Notenbeispielen zur Oper Lohengrin.

      Rundum entspannt und in Vorfreude auf einen erfüllenden Tag mit krönendem Abschluss saß ich also lesend zwischen all den gähnenden, unlustigen Pendlern, während der Himmel draußen immer heller, blauer und strahlender wurde. Fast zu perfekt, das Ganze, aber ich fühlte mich trotz der frühen Stunde und meines leeren Magens von einem wärmenden Glücksgefühl durchströmt.

      7.33 Uhr

      Nachdem ich am Hauptbahnhof umgestiegen war und gut zehn Minuten auf die S-Bahn gewartet hatte, verließ ich diese nur vier Haltestellen später und ließ mich ausnahmsweise ganz faul von den endlos langen Rolltreppen ans Tageslicht befördern. Ich war bestens in der Zeit.

      Murat hatte ich natürlich über Sebastian kennengelernt, und zwar am Abend meiner Erweckung, wenn ich die beglückende Tannhäuser-Aufführung vor einem Jahr einmal so bezeichnen darf. Er hatte uns auch damals die Karten besorgt, und nach einem anschließenden, kurzen Kneipenaufenthalt waren wir – von den beiden wohl nicht ganz ungeplant – in Sebastians Sachsenhäuser Maisonette-Wohnung gelandet, wo wir uns einen leidenschaftlichen Dreier mit rauschhafter Musikbegleitung geliefert hatten. An Murat hatte mich von der ersten Sekunde an fasziniert, mit welcher Hingabe und Begeisterung dieser kleine, energiegeladene Kerl unbeirrt auf sein Ziel einer wie auch immer gearteten Bühnenkarriere hinarbeitete. Soweit ich mitbekommen hatte, wurde er von seiner Familie dabei in keiner Weise unterstützt (ohne Vorurteile schüren zu wollen: es kann sich sicher jeder vorstellen, dass man es als schwuler Türke nicht unbedingt leicht mit seiner Verwandtschaft hat); so musste er sich sein Geld als Statist und mit anderen schlechtbezahlten Jobs sauer verdienen, um den größten Teil davon dann in irgendeine private Musical-Schule zu tragen. Dort verbrachte er viel Zeit, um Singen, Schauspiel und vor allem Tanzen zu lernen. Letzteres hatte ihm zumindest einen überaus knackigen, wohldefinierten Körper und die Beweglichkeit eines Affen eingebracht, wovon ich mich bei dem intimen Teil unseres damaligen Treffens hatte überzeugen können.

      Wo Murat wohnte, war mir gar nicht bekannt,