2. Der Monotheismus
Die Konzentration des Göttlichen in einem Gott zog die Konzentration des Bösen in einer einzigen Gestalt nach sich.
(Gerd Theißen1)
Der Monotheismus ist nicht vom Himmel gefallen. Vorformen finden sich bereits im Alten Ägypten. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist die Entwicklung im Rahmen der israelitischen Religion. Diese entwickelte sich von einer polytheistischen (gr.: polys = viel; Theos = Gott) Religion über verschiedene Stufen zur monotheistischen (monos = allein).
Der Polytheismus
Am Anfang kannte Israel also genauso wie andere antike Völker mehrere Götter (z.B. Ps 82) und verehrte diese. Aus Ägypten und Griechenland ist der Glaube an die Existenz mehrerer Götter besser bekannt. Geschichten um Zeus, Poseidon und andere Götter bilden unser kulturelles Erbe. In einem Kontext, in dem man an mehrere Götter glaubt, ist es einfacher, böse Erlebnisse zu deuten. Wenn ein Gott seinen klar definierten Wirkungsbereich hat, dann kann man ihn genau dann anrufen, wenn er zuständig ist. Und man kann dem Gott die Schuld für das Böse, das man erlebt, zuschieben. Während die meisten Gottheiten in der Umwelt des Alten Israel zumindest ambivalent und nie nur böse oder gut waren, ist dies in der Religion des alten Persiens anders. Hier kämpft der böse Gott Ahriman gegen den guten Gott Ohrmazd. Diese klare Einteilung wird als Dualismus bezeichnet. Böse gegen gut – so lässt sich die Welt recht einfach verstehen und deuten. Aber auch in Griechenland oder Ägypten weiß man, wer für was verantwortlich ist. Vor allem im Bereich der Vegetation, der für antike Kulturen die entscheidende Lebensgrundlage bildete, lassen sich Gegenspieler ausmachen. In der Religion Kanaans, mit der sich Israel intensiv auseinandersetzen muss, kämpft der gute Gott Baal gegen den Herrn des Todes, den Gott Mot. Mot steht für das Vergehen der Natur, Baal für die Wiederkehr der Pflanzen. Der ewige Kampf von Baal und Mot wird zur Deutung des Kreislaufs der Natur herangezogen. Der eine steht für die gute Fruchtbarkeit der Erde, der andere für ihr Verblühen.
Die Entwicklung der Monolatrie
Israel entwickelt im Laufe seiner Geschichte aber die Vorstellung, dass es nur einen Gott gibt. Im Alten Testament lassen sich bei aufmerksamer Lektüre Spuren dieser Entwicklung finden.
Im 1. Buch Mose, der Genesis, wird z.B. erzählt, dass Rahel, die Frau Jakobs, ihrem Vater dessen „Hausgott“ stiehlt (Gen 31,19). Im gleichen Kapitel wird von einem Vertrag berichtet, den Jakob mit seinem Schwiegervater Laban schließt. Dieser Vertrag wird mit der Anrufung verschiedener Götter besiegelt, in deren Namen geschworen wird:
Der Gott Abrahams und der Gott Nahors, der Gott unserer Väter, seien Richter zwischen uns. Und Jakob schwor ihm bei dem Schrecken Isaaks, dem Gott seines Vaters. (Gen 31,53–54)
Deutlich ist hier, dass verschiedene Götter akzeptiert werden. Weniger klar ist, ob mit der Bezeichnung „Schrecken Isaaks“ bereits der spätere Gott Israels bezeichnet ist. Die einzelnen Götter der Familien oder Stämme, die später zum Volk Israel werden, fließen im Laufe der Entwicklung zu einem einzigen Gott zusammen. Doch zeigt diese kleine Erzählung exemplarisch, dass ursprünglich mehrere Götter verehrt wurden, Israel also durchaus polytheistisch war.
Neben den Familiengöttern dürfte es in Israel auch Götter gegeben haben, die lokal an ihren eigenen Heiligtümern verehrt wurden. So wurden z.B. Inschriften gefunden, die verschiedene Ausprägungen eines Gottes namens „Jahwe“ („Jahwe von Theman“; „Jahwe von Samaria“), des späteren einzigen Gottes Israels, belegen, der zudem wohl auch eine Gefährtin an seiner Seite hatte, die „Aschera“ genannt wurde.
Im Laufe der Geschichte entwickelt sich der Gott Jahwe, von dem man nicht genau weiß, ob er ursprünglich eine lokale Gottheit oder ein Gott des Wetters war, weiter und Israel beschränkt seine Verehrung auf ihn. Damit ist aber noch nicht die Stufe des Monotheismus erreicht, da die Existenz anderer Götter nicht bestritten, sondern lediglich deren Anbetung verboten wird. Bester Beleg dafür ist das erste der zehn Gebote:
Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. (Ex 20,3; Dtn 5,7)
Ohne die Anerkennung der Existenz anderer Götter wäre dieses Gebot sinnlos. Die alleinige Verehrung eines Gottes ohne die Bestreitung der Existenz anderer Götter nennt man Monolatrie.
Der Weg vom Polytheismus zur Monolatrie ist umkämpft. Der Streit um den richtigen Gott wird vor allem zwischen den Anhängern Baals und Jahwes im 9./8. Jahrhundert v. Chr. ausgetragen. Mit der Zeit trägt Jahwe den Sieg davon und steigt durch politische Einflüsse zum alleinigen Nationalgott Israels auf. Vor allem die Reform der israelitischen Religion unter König Josia im 7. Jahrhundert v. Chr. verhilft Jahwe zu diesem Aufstieg. Josia zentralisiert den Kult und lenkt ihn in geordnete, staatlich geregelte Bahnen. Er setzt die alleinige Verehrung Jahwes durch. Damit erlöschen im Volksglauben zwar die verschiedenen Einflüsse der Umwelt nicht, doch schwenkt der offizielle Nationalkult auf diesen Kurs ein.
Die Entwicklung des Monotheismus
Zu einem Monotheismus, also zu einem Glauben an einen Gott, der gleichzeitig die Existenz anderer Götter bestreitet, entwickelt sich die israelische Religion erst unter dem Eindruck des babylonischen Exils weiter. 597 v. Chr. wird Jerusalem durch den babylonischen König Nebukadnezar II. zum ersten Mal erobert, zerstört wird es dann 587 v. Chr. Beide Niederlagen ziehen Deportationen von tausenden Menschen nach sich, die sich im Laufe der Zeit in Babylon recht gut einfinden und ihre eigene Religion und Kultur bewahren können. Es ist erstaunlich, dass Israel, also das unterlegene Volk, nun seinen Gott nicht verlässt, sondern dessen Macht steigert. Normal wäre zu erwarten gewesen, dass Israel seine militärische Niederlage auch als Niederlage seines Gottes angesehen und ihn deshalb aufgegeben hätte. Denn immerhin hatte die Zerstörung des Tempels doch gezeigt, dass die babylonischen Götter Marduk und Assur stärker waren als Jahwe. Aber Israel hält an Gott fest und beklagt sein Schicksal:
Der HERR hat mich verlassen, der HERR hat meiner vergessen. (Jes 49,14)
Vor allem durch das Wirken eines Propheten, den die alttestamentarische Forschung den „zweiten Jesaja“ (Deuterojesaja) nennt, scheint sich der Monotheismus durchgesetzt zu haben. Sein theologisches Programm findet sich im Buch Jesaja in den Kapiteln 40–55. Die Forschung geht davon aus, dass dieser Textblock nicht vom ursprünglichen Propheten Jesaja stammt, der im 8. Jahrhundert v. Chr. lebte, sondern von einem unbekannten Autor, der wahrscheinlich 550–540 v. Chr. im babylonischen Exil wirkte. Deshalb wird er als „Deuterojesaja“ bezeichnet. Er kündigt seinem Volk an, dass Jahwe es aus dem Exil befreien wird und sich so als überlegener Gott, ja schließlich sogar als einziger Gott erweisen wird. Der Prophet erklärt die Niederlage Israels damit, dass Gott sich verborgen hielt und das Exil als Strafe für Verfehlungen Israels in der Zeit davor zu verstehen ist. Gott hat also nicht verloren, sondern er blieb nur aus guten Gründen verborgen. Damit kann das Volk zu seinem Gott sprechen:
Nur bei dir ist Gott, und sonst ist kein Gott mehr. Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland. (Jes 45,14)
Und Gott sagt selbst von sich:
Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein. Ich, ich bin der HERR, und außer mir ist kein Heiland. (Jes 43,10–11)
Damit ist die Stufe des Monotheismus erreicht. Man kann diese Erhöhung Jahwes als Reaktion auf die erlittene Niederlage verstehen. Die Dissonanz zwischen Erwartung (Sieg) und Erfahrung (Niederlage) setzt eine Dynamik in Gang, die den unterlegenen Gott gegen alle Wahrscheinlichkeit aufsteigen lässt. Der Monotheismus ist folglich das Ergebnis der theologischen Verarbeitung einer militärischen Niederlage. Er stellt die geistige Kompensation der verlorenen Schlacht dar. In religiösen Kategorien kann man hier auch schlicht von einem Wunder sprechen.
Die Konsequenz für die Frage nach dem Bösen
Durch die Entwicklung des Monotheismus handelt sich die israelitische Religion eine Vielzahl von Problemen ein, die der bisherige Götterpluralismus nicht kannte. Der eine Gott ist nun für alles verantwortlich. So verbaut der Monotheismus eine zentrale Möglichkeit, wie man das Böse erklären kann. Denn nun lässt es sich nicht mehr mit dem Wirken eines anderen Gottes erklären, alles fällt auf den einen Gott zurück. Und damit