Sonnentage - Nonni's Jugenderlebnisse auf Island. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия: Nonni
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711445730
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      Eines Abends waren wir wieder draussen in der Spanischen Hütte.

      Wir spielten eben Versteck zwischen den Schafen und waren über die Massen lustig und vergnügt.

      Da mitten in unserem grössten Eifer ruft Júlli durch den Stall:

      „Horcht, Kinder! seid einmal still!“

      Wir schauten auf und spitzten die Ohren.

      Auch die Schafe hörten auf zu blöken, standen still und blickten neugierig um sich.

      Was mochte das sein? ...

      Ein gewaltiger Wind heulte um den Stall und rüttelte und zerrte an den Wänden, dass sie ächzten und wankten.

      „Es ist Hláka (Tauwetter)“, sagte Júlli; „morgen werden alle Schafe ausgetrieben.“

      „Ha! morgen werden die Schafe ausgetrieben!“ wiederholten wir alle zusammen und liefen zu Júlli hin und hüpften vor Freude um ihn herum.

      „Da dürfen wir aber auch mit, Júlli, nicht wahr?“

      „Gewiss, ihr dürft auch mit; aber ihr müsst eure Lederstrümpfe anziehen, denn sonst bekommt ihr nasse Füsse, und das will die Mutter nicht haben. Bis morgen gibt es viel Schneewasser.“

      „In den meinigen sind aber Löcher!“ sagte der kleine Stebbi betrübt.

      „O, das macht nichts, Stebbi“, tröstete ihn Júlli; „Gunna flickt dir deine Strümpfe heute abend noch, und dann kannst du auch mit.“

      „Ja, ja, Stebbi“, erklärte die gute Gunna sich bereit, „ich flicke dir die Strümpfe gleich, wenn wir heimkommen.“

      Stebbi ward ganz glückselig, man sah es ihm an. Er nahm Gunna bei der Hand und konnte es nun gar nicht mehr erwarten, bis wir heimgingen. —

      Draussen raste noch immer der Wind, und es war schon ganz Nacht geworden.

      Júlli holte die Laterne, wir machten uns auf den Weg.

      Bei dem heftigen Wind ging aber bald das Licht aus. Júlli musste den Jüngsten von uns auf die Schultern nehmen und ihn auf dem ganzen Heimweg tragen.

      Mit Mühe erreichten wir den Hof.

      Dann aber wurden schnell die Lederstrümpfe nachgesehen, geflickt und bei unsern Betten zurecht gelegt.

      Nach einem kurzen Nachtgebet gingen wir schlafen.

      Als wir des Morgens erwachten, hatte der warme Südwind Schnee und Eis von den Bergen, Hügeln und Klüften fortgeleckt; die Schafherden konnten hinausgetrieben werden.

      Auf Island geschieht das allenthalben. Sobald der Schnee durch plötzliches Tauwetter schwindet, zieht von jedem Hof der Hirt mit seiner Herde auf die Weide, ob sie auch mager ist in solcher Jahreszeit. Der Bauer wartet sehnsüchtig darauf, denn bei 500—600 Schafen schmilzt der Heuvorrat während der langen Dauer des Frostes gar schnell zusammen.

      Für die Kinder aber ist es eine helle Freude, wenn es mit den Schafen das erste Mal wieder hinaufgeht auf die Berge.

      Rascher als sonst tranken wir an jenem Morgen unsern Kaffee, den man in Island sozusagen als Vorfrühstück ans Bett bekommt, und dann standen wir eiligst auf.

      Zum Ankleiden war alles hergerichtet, was wir brauchten.

      Über die Wollstrümpfe zogen wir ein Paar andere von Schaffell. Die reichten ganz hinauf bis zu den Knien und wurden um die Waden geschnürt.

      Statt der schweren Schaftstiefel, in denen man nicht so gut springen kann, nahmen wir die leichten Schaflederschuhe und banden sie fest zu, damit das Wasser nicht durchdringe.

      So waren wir gegen die Nässe geschützt und konnten laufen und springen, als hätten wir nichts an den Füssen gehabt.

      Nachdem wir dann gefrühstückt, gingen wir hinaus und begleiteten die Hirten, welche bald die Schafe aus den warmen Ställen hinauszutreiben begannen.

      All die verschiedenen Herden wurden zu einer einzigen grossen vereinigt und den Berg hinangetrieben, eine kleine halbe Stunde vom Hofe entfernt.

      Dort waren die Halden ganz frei von Schnee, und das kurze, grüne Gras sah recht saftig aus und appetitlich für die Tiere.

      Wir gingen natürlich mit unsern Lieblingsschafen von der Spanischen Hütte. Die kleine Dúfa lief gleich zu uns her und wollte nur in unserer Gesellschaft sein.

      Als die einzelnen Schafherden zusammenkamen, begann ein allgemeines Blöken, so stark, dass wir einander kaum noch sprechen hörten.

      Vielen von den Tieren schien es zu gefallen, dass sie zu denen von den andern Ställen kommen und mit ihnen bekannt werden durften.

      Einige jedoch zeigten sich sehr streitsüchtig und griffen ihre fremden Kameraden an.

      So wurden unterwegs mehrere Zweikämpfe ausgefochten.

      Die Kämpfenden stellten sich einander gegenüber ungefähr wie zwei Hähne.

      Dann gingen sie ein paar Schritte zurück, senkten die Hörner1 und rannten wütend aufeinander los.

      Kopf stiess gegen Kopf mit solcher Wucht, dass man hätte glauben mögen. Köpfe und Hörner müssten zerbrechen.

      So machten sie es drei-, viermal.

      Einer dieser Kämpfe endete damit, dass der Besiegte wie tot niederfiel. Es war jedoch nur eine vorübergehende Ohnmacht. Er erhob sich bald wieder und lief munter hintendrein. Als wir nachher auf dem Weideplatz anlangten, mischte er sich friedlich unter die andern.

      Die Schafe wurden jetzt sich selbst überlassen.

      Von Dúfa nahmen wir besondern Abschied. Wir streichelten sie zärtlich und sprachen in kindlicher Art zu ihr, sie solle sich von den schlechten Kameraden fernhalten, denn die würden ja nur raufen und sie quälen.

      Dann gingen wir mit den Hirten und den vielen Schäferhunden heimwärts.

      Dúfa schaute uns wie verlassen noch lange nach. — Sie hatte uns wohl lieber als die eigenen Kameraden.

      Die andern Schafe grasten bereits alle in voller Gier.

      Die Herde sollte nun bis zum Nachmittag draussen bleiben auf der Weide und dann wieder in die Ställe heimgeholt werden.

      Allein es kam anders.

      3. Der Schneeorkan.

      Auf Island ändert sich das Wetter, namentlich im Winter, oft unglaublich schnell und stark.

      Selten aber habe ich dort ein so erschütterndes Schauspiel der Natur erlebt wie an jenem Tage, da wir so glücklich und friedlich zum erstenmal mit der Herde ausgezogen waren.

      Wir sassen nach dem Mittagessen beisammen in der Wohnstube.

      Auf einmal wurde es ganz eigenartig still ums Haus. Der Wind hörte auf, und in wenigen Minuten verfinsterte sich der Himmel.

      Es wurde unheimlich.

      Die Leute sprangen erregt von ihren Plätzen auf, ein Knabe lief hinaus vor den Hof.

      Kaum dass er fort war, kam er schon wieder hereingestürmt und schrie laut in die Stube:

      „Stórhríð! Es kommt Stórhríð!“2

      „Du guter Gott!“ hörte ich eine Magd rufen, „dann ist es zu spät!“...

      Die Hirten und Knechte hatten inzwischen die Winterjacken angelegt und die Schneekappen über den Kopf gezogen.

      Jetzt stürzten sie alle hinaus, wir Kinder natürlich hinterher.

      Einen Augenblick blieben wir stehen und sahen in die Ferne.

      Schwarzgraue Wolken bedeckten den ganzen Himmel. Es war kein Zweifel mehr: ein furchtbarer Schneesturm, eine eigentliche Stórhríð war im Anzug.

      Júlli