Die Legende von Arc's Hill. Michael Dissieux. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Dissieux
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969879252
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die Mike in seinem alten Leben innehatte, war es ihm möglich gewesen, zumindest einen geringen Standard seines lieb gewonnenen Lebensstils beizubehalten.

      So hatte er mit dem letzten Geld eines Daseins, das er zu vergessen suchte, ein altes, leerstehendes Haus erstanden, das etwas abseits der Wege an den felsigen Ausläufern der nahen Berge erbaut worden war; vom übrigen Ort getrennt durch einen schmalen, steinigen Fußpfad, der unter einem Spalier riesiger Trauerweiden mit vernarbten, knorrigen schwarzen Stämmen hindurchführte.

      Das Haus, ein imposantes Gebäude aus dunkelroten Klinkersteinen und mit Holz verkleideten Anbauten, gefiel Mike beim ersten Anblick. Trotz der verfallenen und lange verlassenen Atmosphäre, die sich hinter den schwarzen Fenstern wie eine lauernde Bestie zu verstecken schien, hatte er das Gefühl, in dem alten Gemäuer ein neues Zuhause gefunden zu haben. Einige Holzlatten der Erker waren zerbrochen oder von grauem Moder befallen, und viele der dunklen Schindeln des hohen Daches fehlten oder lagen zersplittert im mit Unkraut und abgestorbenen Buschwerk überwucherten Garten.

      Doch Mike schätzte die abgeschiedene Lage von den restlichen altertümlichen Häusern Arc´s Hills. Das Gefühl, durch den in tiefen Schatten liegenden Feldweg von der übrigen Welt und dem mit ihr verbundenen Schmerz getrennt zu sein, erzeugte in ihm eine Euphorie, die jene andere Empfindung, die ihn unbewusst vor dem stillen und einsamen Haus schaudern ließ, in der Tiefe seines Unterbewusstseins in dessen finstere Grube zurückdrängte.

      Der Makler, der es ihm verkauft hatte und der nur widerwillig aus Durham in diesen seltsamen Ort gekommen war, erzählte Mike, dass das Gebäude in den letzten zwei Jahrzehnten leergestanden hatte. In der schäbigen Taverne des Ortes, so erwähnte der Mann nicht ohne einem nervösen Flackern in den Augen, erzählte man sich die skurrilsten Geschichten, die sich in ihrer Düsternis um das Verschwinden des letzten Besitzers des Anwesens rankten.

      Jener Makler aus Durham, der Mike als Mr. Delwright im Gedächtnis haften geblieben war, fügte mit unsicherem Lächeln hinzu, dass man an jedem Ort der Welt, der Arc´s Hill auch nur im Entferntesten ähnelte, derartige schauerliche Mythen anzutreffen vermochte, und man den Worten jener einfältigen Menschen nicht allzu viel an Beachtung schenken durfte.

      Mr. Delwright war Mike sehr angespannt vorgekommen, als er über die alten Geschichten plauderte, die man in der Taverne am späten Abend und nach einigen Bieren zu hören bekam. Unablässig hatte der Makler seinen Ehering am Finger gedreht und sich in dem herrschaftlichen Anwesen umgesehen, als rechnete er jederzeit damit, einen Geist zu erblicken.

      Doch Mike schätzte den Mann für seine Ehrlichkeit, denn wer hielt sich schon an Anstandsregeln, wenn es galt, ein altes, dem Zerfall preisgegebenes und von düsteren Mären umgebenes Haus an den Mann zu bringen?

      Jene von Delwright erwähnten makabren Ammenmärchen taten Mikes Eifer keinen Abbruch. Wer einmal in die Hölle geblickt hat, lässt sich von ländlichem Aberglauben nicht in die Flucht schlagen.

      Und so begann er bereits an seinem ersten Tag in dem modrigen Anwesen die staubigen Zimmer zu lüften und den erstickenden Gestank von Jahrzehnten zu vertreiben.

      Viele der antiquierten Möbel waren noch brauchbar und genügten seinen Zwecken. Jenes Mobiliar, das sich bereits im Zerfall befand oder von Menschenhand zertrümmert worden war – vieles davon im Zorn, wie Mike zu erkennen glaubte – ersetzte er durch einige wenige schlichte Möbelstücke, die er aus London nach Arc´s Hill bringen ließ.

      Sein letztes Zugeständnis an sein altes Leben.

      Die trüben Tage verbrachte er damit, die knarrenden Holzböden zu wischen und von einer harten, nach Fäulnis stinkenden Schicht aus Dreck und Staub zu befreien. Ebenso säuberte er die veralteten, jedoch noch gebrauchsfertigen sanitären Anlagen des Anwesens, die dem modernen Standard lange schon nicht mehr entsprachen. Unter einem uralten, schützenden Mantel aus Zerfall und vor Jahren verendetem mikroskopisch kleinem Getier blieben sie lange und hartnäckig Mikes Blicken verborgen.

      Der Gestank, der sich in den hohen, kalten Räumen eingenistet hatte und von uralten, unaussprechlichen Zeiten zeugte, war überwältigend und erinnerte Mike an den süßen, aufdringlichen Geruch alter Gräber an heißen Sommertagen.

      Er fragte sich, welch grauenvolle Geschichten sich stumm im abgestandenen Atem des Hauses hielten und darauf lauerten, den ersten, unbedarften Zuhörer mit ihren albtraumhaften Visionen um den Verstand zu bringen.

      Was mochte sich in diesem uralten, dem Verfall dargebotenen Haus zugetragen haben, dass sich, wie Mike Delwrights Schilderungen entnommen hatte, kein Käufer in den letzten beiden Jahrzehnten gefunden hatte?

      Eine stumme, düstere Bedrohung schien wie ein stinkendes Tuch die Wände und Decken des Anwesens zu verhüllen.

      Muteten die Tage schon befremdlich und seltsam an – obgleich die letzten hellen Sonnenstrahlen durch die kleinen geöffneten Fenster fielen und ein leichenfahles Muster auf zerschlissene Teppiche und graue Holzböden warfen – so empfingen ihn die Nächte umso schrecklicher.

      Zu diesen unwirtlichen Zeiten hielt sich Mike zumeist in den Kellerräumen des Hauses auf. Eine unnatürliche, schockierende Kälte staute sich in den niedrigen Verschlägen und Kammern, die sich labyrinthartig wie eine finstere Grube unter dem Anwesen ausbreiteten. Mike erklärte sich die eisige Luft damit, dass sich die Kellerräume, die er durch eine steile, hölzerne Stiege mit knarzenden Holztritten erreichte, tief unter der Erde befanden und die kleinen Räume die Kälte nicht mehr freigaben. Zudem kündigte sich in den Nächten der nahende Winter aus den Bergen an.

      Er war sich dessen bewusst, dass diese Gedanken nur einem Scheindenken entsprachen, um sich die neue Euphorie, die ihn in Arc´s Hill gepackt hatte und ihm ein neues Leben versprach, nicht nehmen zu lassen. Er wusste, der Grad zwischen Niedergang durch unsägliche, habgierige Trauer und dem schlichten Triumph, endlich den entscheidenden Schritt heraus aus der Depression getan zu haben, war ein schmaler.

      So arbeitete er in den Nächten in den ausgekühlten, beengten Kellerräumen und Verschlägen, die durch simple Türen aus morschen Holzlatten miteinander verbunden waren. Er trug eine wollene Jacke und eine altmodische Mütze, die seine Ohren jedoch nur teilweise zu wärmen vermochte. In vielen der niedrigen Kammern konnte Mike nicht einmal aufrecht stehen. Die Decke bestand aus losem Gestein und vernarbtem Staub, übersät mit dickem, schwarzem Spinngewebe.

      Keuchend und mit Schmerzen in Hüfte und Beinen mangels des aufrechten Ganges arbeitete er sich des Nachts von Raum zu Raum. Dabei stieß er auf Unmengen von alten, vermoderten Holzplanken, die unter seiner Berührung zu Staub zerfielen. Er fand altertümliches, mit Schimmel und Spinnweben überzogenes Mobiliar, das dem Griff seiner Hände nicht mehr standhielt.

      Dazu zertrat er Hunderte von Käfern, Spinnen und anderem Gewürm, das ihm fremdartig anmutete und dessen schweigendes Dasein in absoluter Finsternis er nach Jahrzehnten aufgeschreckt hatte.

      In einem der tiefliegenden Verschläge stieß Mike auf Berge alter, nach Fäulnis und Vergangenheit riechender Kleider, die nachlässig in verschimmelte Kisten gesteckt worden waren oder einfach auf dem harten Erdreich zu formlosen Haufen aufgetürmt lagen.

      Sie schienen ein hohes Alter zu besitzen, denn die Schnitte der Hosen und Röcke, sowie die Tatsache, dass Mike unter den Haufen auch von Moder und Staub verhärtete Fräcke und Gehröcke mit dazugehörigen Zylindern vorfand, zeugten von einer Zeit, die längst schon vergessen und in der das Anwesen noch jung an Jahren gewesen war.

      Mike versuchte sich die Menschen vorzustellen, die einst diese Kleider trugen. Doch die bloße Vorstellung, dass selbst die Nachkommen dieser Personen nicht mehr unter den Lebenden weilten, erinnerte ihn auf schreckliche Weise an Susan und Olivia. Er beschloss, bei nächster Gelegenheit die Kisten und Berge mit Kleidern im Garten hinter dem Anwesen den Flammen zu übergeben.

      In einem weiteren Raum, dessen felsige Decke sich bedrohlich nach unten neigte und breite, von einer Wand zur nächsten reichende Risse aufwies, fand Mike verrostete, rußgeschwärzte Öfen und wurmstichige Schränke, die einmal einer Küche gedient haben mochten, und die das Alter jeglicher Farbe beraubt hatte.

      Seit Jahrzehnten harrten diese Zeugen aus längst vergangenen Tagen unter