Das Geheimnis der Madame Yin. Nathan Winters. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nathan Winters
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783939990352
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      Die Princess of the Thames war ein altersschwacher, rostiger Kahn, der nach Öl, Kohle, Ruß und Müll stank. Tuckernd spie der Motor schwarze Rauchwolken in den Himmel. Ein Geruch, der auch den beiden Männern anhaftete, die auf der Princess ihre Arbeit taten.

      Sie waren Watermen und fischten den Müll aus der Themse, den andere hinein warfen. Ihre Aufgabe nahmen sie mit Humor und einer Flasche Gin, die sie schon zur Hälfte geleert hatten. Dabei hatte Big Ben erst neun Mal geschlagen. Die reich geschmückte Fassade des Parlaments erhob sich links von ihnen, aus einem Schleier von Rauch und Nebel.

      Der Jüngere der beiden wischte sich mit dem dreckstarrenden Ärmel über die Nase, während er mit der Hakenstange nach einem Leinensack stocherte, der Steuerbord am Boot vorbei trieb.

      Er hoffte auf einen guten Fang. Hin und wieder fanden sie tatsächlich etwas, das sich zu Geld machen ließ.

      „Bei den dick'n Titten meiner Schwesser. Das sieht mir nach 'nem guten Fang aus!“, rief der Mann seinem Kameraden zu, der am Ruder stand und das Boot ruhig im Wasser hielt. Der streckte den Hals und grinste dreckig. „Deine Schwester hat sogar verdammt dicke Titten, und weich sind die auch noch.“

      Der andere winkte ab, aber der Mann am Ruder war noch nicht fertig. „Hey, Potts. Egal, was es is'. Wir machen halbe-halbe. Is' klar, nich'?“

      „Ja is' klar, Dorsey, sicher. Verflixt un' Teufelsauge, verdammtes … Dreck …“ Ihm rutschte der Sack nun schon zum zweiten Mal vom Haken. Erst beim dritten Mal schaffte er es, den schweren Leinensack aus dem Wasser zu ziehen.

      „Der is' verflucht drecksschwer. Dors! Wenn du artig bis', geb' ich heut' einen aus!“

      Sein schwerfälliger Geist gaukelte Potts alle möglichen Kostbarkeiten vor, die sich gleich auf Deck ergießen würden. Mit seinem Messer schlitzte er den Sack auf und kippte ihn aus. „Verfluchte Scheiße“, schrie er auf und prallte zurück. Träume von reicher Beute zerplatzten wie Seifenblasen.

      Was da nass, aufgequollen und von Maden zerfressen vor ihm lag, war … Potts wandte sich ab, ehe er Genaueres erkennen konnte. „Dreck, Dreck, Dreck!“

      „Was is'n? Machst'n für'n Geschrei?“ Dorsey kam um die Kajüte herum. Die Princess schaukelte nur noch träge auf den Wellen.

      Er stieß mit Potts zusammen und beide setzten sich auf den Hosenboden.

      „Da, da …“ , stammelte Potts kreideweiß.

      „Du dämlicher Bastard“, fuhr er ihn an. „Das is' nur 'n verreckter Hund.“

      „Echt?“

      „Klar, was has'n du geglaubt?“

      Potts druckste herum.

      „Etwa'n Krepierten? Is' doch viel zu klein. Ney, ney. Da scheißt du dir in die Hose. Hab' schon welche gefunden. Total aufgeduns'n. Das Maul aufgeriss'n. Ich sag dir, die Seelen von denen, die sin' immer noch hier. Geh'n nich' weg. Manche machen auch Geräusche. Roorgs. Aaach“, machte Dorsey und sein Kumpel schlug ihm gegen die Schulter.

      „Blöder Scheißer.“

      Dorsey lachte sich kaputt, während Potts alles dafür tat, den Gin in seinen Eingeweiden zu behalten.

      „Hier, mach's weg.“ Dorsey warf ihm eine Schaufel zu. „Schmeiß es über Bord, soll'n sich annere die Finger dreckig mach'n.“

      Er ging zurück und gab wieder Geschwindigkeit auf den Motor der Princess.

      Die Schiffsschraube wirbelte Blasen auf, nur um sofort darauf mit einem hässlichen Knacken den Dienst zu versagen. Ein paar Ventile pfiffen so laut, dass die herumfliegenden Möwen in lautes Zetern ausbrachen. Öl spritzte aus reißenden Schläuchen.

      Mit der Faust schlug Dorsey auf das Steuerrad. „Was'n nu wieder?“, fluchte er lauthals und stoppte die Maschine.

      Sofort war Potts zur Stelle.

      „Hast du den scheiß Köter weggemacht?“, blaffte Dorsey.

      „Noch nich'. Was 'n los?“

      „Wir ham' was mit der Schraube aufgegabelt.“

      Beide beugten sich über die Heckreling und sahen aufs Wasser. Dann starrten sie sich gegenseitig an. Sie mussten schlucken, bis Potts nach der Flasche Gin griff, einen tiefen Schluck nahm und sie dann an Dorsey weiterreichte, der sie ohne abzusetzen leer trank, sich dann über den Mund wischte und aufs Wasser zeigte. „Das da, das is'n Krepierter. Los, hol die Haken.“

      „Den will'se doch wohl nich' an Bord holen?“ Potts spürte, wie ihm der Gin brennend wieder die Speiseröhre hinaufkletterte. Er schaffte es gerade noch an die Reling. Dann übergab er sich.

      „Hör auf mit'm Quatsch. Komm und hilf mir.“

      „Lass 'n im Wasser.“

      „Geht nich'. Hängt inner Schraube fest. Und … hey. Vielleicht hat sie was dabei. Außerdem is' es unsere Menschenpflicht.“

      „Häh?“

      „Nächstenliebe oder wie die Scheiße heißt. Und jetz' wisch dir's Maul ab und hol die scheiß Stangen.“

      Potts stapfte davon, während Dorsey auf den schwimmenden Leichnam starrte, der ihm nur seine Rückseite zeigte. Langes schwarzes Haar. Ein Kleid, das im Wasser trieb wie eine übergroße tote Qualle. Es konnte nur eine Frau sein.

      Mit den Hakenstangen unter dem Arm kehrte Potts zu ihm zurück und zusammen begannen sie nach der Toten zu stochern, bis sich die Haken in dem Kleid verfingen. Sie zogen sie an die Bordwand und endlich bekam Dorsey sie mit den Händen zu packen. „Ich hab 'se!“, rief er. „Pack mit an!“

      „Was soll ich? Hol's der Teufel! Nein!“ Potts sah ihn erschrocken an.

      „Mach schon, du feiger Hosenscheißer! Die Jungs im Salt 'n'Fish werd'n dir ein' ausgeben, wenn du's erzählst. Deine erste Krepierte. Jetzt pack schon mit an. Sie haut mir ab.“

      Freie Drinks? Das überzeugte Potts sofort und er griff beherzt zu. Er bekam die Tote am Arm zu fassen. Das Fleisch fühlte sich weich und klamm an.

      Sie schafften es, sie zur Hälfte aus dem Wasser zu ziehen, dann hing sie fest. „Ihr verfluchtes Bein“, keuchte Dorsey. „Es hängt inner Schraube fest. Los noch mal. Mit … aller … Kraft.“

      Beide stemmten die Füße gegen die Reling und plötzlich gab der Widerstand nach und die beiden Männer stürzten zusammen mit der Leiche auf Deck.

      Potts kroch hektisch unter der Toten hervor. Sein Gesicht war vor Ekel verzerrt. Auf der Stelle springend, als hätte er sich die Füße verbrannt, wischte er sich das stinkende Themsewasser aus dem Gesicht. „Die … die Drecksschlampe hat mich angefasst.“ Schon wandelte sich seine Gesichtsfarbe in ein blässliches Grün.

      Im Gegensatz zu ihm blieb Dorsey gefasst. Er stand auf, richtete seine speckige Jacke und schob sich die Mütze in den Nacken. Sein Blick hing an der Leiche. Deren Augen waren weit aufgerissen und starrten bleich in den Himmel. „Sieht aus wie 'n toter Fisch. Stinkt auch genauso.“

      Ihr Bein war unterhalb des Knies abgerissen. Entweder hing der Rest noch in der Schraube fest oder trieb nun die Themse hinunter Richtung Küste.

      Dann durchsuchte er die Tote nach etwas von Wert, fand aber nichts. Auf einmal stutzte er. Etwas hing der Toten aus dem Mund. „Was 'n das?“, murmelte er und fasste mit spitzen Fingern zu. Es war ein Stück Stoff, gelb und mit einem Rosenmuster, sauber zusammengefaltet und mit einer dünnen Schnur verknotet. Neugierig öffnete er es. Darin war eine blonde Haarlocke, ebenso säuberlich zu einer Schleife verknotet.

      Er kratzte sich am Kopf, aber auch Nachdenken brachte keine Lösung. Also steckte er das Päckchen ein und brachte wieder Dampf auf den Kessel.

      Die Princess steuerte in Richtung der Piers, die flussabwärts von Westminster Bridge lagen. Dorsey bekreuzigte sich.

      „Was mach'n wir denn jetz'?“ Potts war beängstigend