Er machte eine kurze Pause, während seine grüngrauen Augen auf sie gerichtet blieben.
»Sie haben die Kinder sehr lieb, nicht wahr, Fräulein Phyllis?«
»Ja, Herr Baron, ich habe sie sehr lieb.« Es klang schlicht, aber gerade darum so überzeugend.
Er nickte, als hätte er diese Antwort erwartet.
»Ich wusste es, Fräulein Phyllis.« Sie wunderte sich, dass er sie nun bei ihrem Vornamen ansprach. Das hatte er bisher noch nie getan.
Und nachdem er tief durchgeatmet hatte: »Werden Sie meine Frau, Phyllis.«
Es kam wie aus der Pistole geschossen, und eine seltsamere Brautwerbung hatte es wohl noch nie gegeben.
Das Mädchen saß wie gelähmt und starrte ihn an, als zweifelte sie an seinem Verstand.
Dann aber schoß ganz langsam eine dunkle Röte in ihre Wangen. Mit einem heftigen Ruck sprang sie von ihrem Stuhl auf.
»Sie vergreifen sich im Ton, Herr Baron«, kam es empört von ihren Lippen. Ihre Augen sprühten förmlich.
Er verzog seinen schmalen Mund zu einem spärlichen Lächeln. Dann zuckte er seine breiten Schultern und sagte mit großer Gelassenheit:
»Ich wüsste nicht, seit wann ein Heiratsantrag etwas Verletzendes hat, Phyllis. Meine Worte waren kein Scherz, sondern es war mir sehr ernst damit.«
Nun sank sie wie aller Kraft beraubt auf ihren Stuhl zurück. Fassungslos starrte sie ihn an.
»Aber das – das ist doch nicht möglich, Herr Baron! Warum wollen Sie mich denn heiraten? Sie kennen mich doch kaum und Sie lieben mich doch gar nicht?«, entrang es sich dann mühsam ihren Lippen.
Mit einer harten Handbewegung durchschnitt er die Luft.
»Ich habe Ihnen meine Gründe gesagt. Ich habe vor, meinen Freund auf eine sehr gefährliche Expedition zu begleiten. Da es aber nicht unmöglich ist, dass uns etwas Menschliches zustoßen kann, so möchte ich die Zukunft meiner Kinder gesichert wissen.
Vor allem will ich sie vor dem Zugriff meiner Frau bewahren. Ihr sollen sie nicht in die Hände fallen. Das kann ich aber nur verhindern, wenn ich wieder heirate und die Sorgerechte meiner zweiten Frau übertrage. Wenn Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind, so werde ich noch heute alles mit meinem Anwalt in Ordnung bringen. Sie werden hier die Herrin sein, und wenn ich nicht mehr zurückkommen sollte, so wird auch Ihre Zukunft auf immer gesichert sein.«
Sein kühler, geschäftsmäßiger Ton empörte sie und brachte sie fast um ihre Fassung. Mit einem unterdrückten Laut sprang sie auf und stand nun am ganzen Leib zitternd vor ihm.
»Sie wurden mir als kalt und unsagbar hochmütig geschildert, Herr Baron. Ich habe es nicht geglaubt, weil ich gewohnt bin, mir mein eigenes Urteil zu bilden. Ich war versucht, hinter Ihrer Kälte mehr Herz zu suchen, als es vielleicht gut war. Aber jetzt – jetzt weiß ich, wie recht diese Menschen alle hatten. Ja, Sie sind kalt und ohne Gefühl. Sie sind wie ein Eisblock, und nichts ist Ihnen heilig. Noch nicht einmal die Ehe.«
Nie hatte der Mann es für möglich gehalten, dass soviel Temperament in diesem sonst so stillen, ernsten Mädchen steckte. Wie gebannt hingen seine Blicke an dem aufgewühlten Gesicht, und sein Herz schlug einen dumpfen schnellen Rhythmus.
Nur mühsam bezwang er seinen jähen Zorn, der unter ihren Anklagen in ihm aufloderte.
»Ich weiß nicht, was Sie erwarten, Phyllis. Zu einem schmachtenden Liebhaber tauge ich nun einmal nicht. Ich achte Sie, und das bedeutet bei mir sehr viel, wie Sie auch schon gehört haben.«
Er lachte schneidend, aber das Mädchen hörte doch die ungeheure Bitterkeit aus diesem Lachen heraus, und ihr Zorn schwand jäh.
»Ich weiß, was man hinter meinem Rücken erzählt, Phyllis, aber es hat mich nie berührt. Die Meinung meiner lieben Mitmenschen ist mir völlig schnuppe. Ich weiß, dass ich in ihren Augen ein Grobian bin, ein Weiberschreck, ein unmöglicher Gesellschafter. Es lässt mich kalt. Ich habe nichts gewollt als meine Ruhe, und da man sie mir nicht lassen wollte, habe ich eben schärfere Geschütze aufgefahren. Nun habe ich meine Ruhe, aber die gute Meinung über mich ist auch futsch.«
Er lächelte grimmig. Seltsam glitzerte es in seinen hellen Augen.
»Man ist in unseren Kreisen sehr schnell damit bei der Hand, einen Menschen in Grund und Boden zu verdammen oder ihn in den Himmel zu erheben.«
Er wehrte schroff ab und fuhr dann wieder gleichmütig fort: »Aber warum erzähle ich Ihnen das alles? Was Sie von mir zu halten haben, das werden Sie selbst am besten wissen, denn ich traue Ihnen ein gesundes Urteil zu.«
Eine dumpfe Beklommenheit hatte von ihr Besitz ergriffen. Etwas seltsam Zwingendes ging von diesem kräftigen hochgewachsenen Mann aus, der stolz aufgerichtet vor ihr stand und keinen Blick von ihr ließ.
»Ich biete Ihnen meine Hand, Phyllis. Ich habe bemerkt, dass Sie Meeresbucht lieben, dass Sie sehr gerne hier leben. Wenn ich alles in Ihren Händen zurücklassen könnte, dann würde ich beruhigt sein.«
Sie überlegte kurz.
»Es ist eine hohe Ehre, Herr Baron, aber ich fürchte, ich würde Sie enttäuschen. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und besitze keinerlei Reichtümer. Ich gehöre nicht in Ihre Welt, und man würde Ihnen diesen Fehlgriff niemals verzeihen.«
»Bisher habe ich immer nur so gehandelt, wie ich es vor meinem Gewissen verantworten konnte, Phyllis. Ich bin keinem anderen Rechenschaft schuldig, bin mein eigener Herr. Sie tragen keinen adligen Namen, aber Sie tragen einen unschätzbaren Adel in Ihrem Herzen, und der ist mehr wert als alle Reichtümer und Schätze der Welt. Sie sind fähig, zu lieben und Wärme um sich zu verbreiten. Sie lieben meine Kinder, als wären es Ihre eigenen.«
Seine sonst harte Stimme hatte einen sonderbar weichen Klang angenommen.
»Sehen Sie, Phyllis, man mag mir Gefühlskälte nachsagen, aber meine Kinder liebe ich.«
Es war deutlich herauszuhören, wie schwer ihm dieses Bekenntnis wurde. Seine Stimme klang ungewöhnlich rau:
»Ich weiß, wie sehr meine Kinder Wärme und Liebe vermisst haben. Eigentlich habe ich es erst erkannt, als Sie ins Haus kamen und ich sah, wie die Kinder unter Ihrer Obhut auflebten und zu echten Rangen wurden. Sehen Sie, aus diesem Grund bitte ich Sie, meine Frau zu werden.«
»Und Sie, Herr Baron, befriedigt Sie wirklich das Leben, das Sie seit Jahren führen?« Wie unter einem fremden Zwang flüsterte sie es.
»Ich – Phyllis?«, murmelte er und sah an ihr vorbei. Eine erschütternde Einsamkeit lag über seinen Zügen.
»Ich kann nicht mehr glauben und vertrauen.«
Sie nickte.
»Ich weiß, es ist sehr schwer, Herr Baron. Das Herz will keine Ruhe geben, wenn der Verstand einem auch immer wieder einhämmert, dass alles vorbei ist und keine Hoffnung mehr besteht. Aber man soll sich nicht selbst darüber völlig vergessen, Herr Baron.«
Überrascht zuckte es in seinen Augen auf.
»Was wissen denn Sie junger Mensch schon von Liebe und Enttäuschung?«, stieß er hervor.
Ein wehes Lächeln geisterte um ihren Mund. Ernst sah sie ihn an.
»Auch ich habe geliebt und gelitten, Herr Baron. Monate habe ich gebraucht, um mich wieder zurechtzufinden und zu merken, dass das Leben weitergeht, dass die Welt vor meinem Schmerz nicht stillsteht.«
»So wurden auch Sie betrogen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, wir liebten uns, mussten uns aber trennen, weil das Schicksal gegen uns entschied. Er war aus gutem Hause, ich nur eine arme