Mit dem Feuerwehrbedarfsplan wird eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr vorgenommen. Er dient damit auch zur Sicherung der Qualität in der Aufgabenerfüllung und schafft Rechtssicherheit bei der gesetzlich geforderten Aufstellung der Feuerwehr.
Dabei wird durch die Feuerwehrbedarfsplanung die verpflichtende Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse sichergestellt. Denn die schablonenhafte Aufstellung einer Feuerwehr nach dem »Schema F«, die die örtlichen Verhältnisse der Gemeinde nicht berücksichtigt, ist gesetzeswidrig (vgl. Kapitel 2.3).
Der Feuerwehrbedarfsplan sorgt damit für Transparenz gegenüber der Politik, der Verwaltung und den Bürgern und schafft gleichzeitig Planungssicherheit für alle an der Sicherstellung der kommunalen Gefahrenabwehr Beteiligten – für die Politik, für die Verwaltung und auch für die Feuerwehr selbst. Der Feuerwehrbedarfsplan dient damit auch zur Rechtfertigung der eingesetzten und der in Zukunft geplanten Ressourcen.
Im Rahmen der Feuerwehrbedarfsplanung erfolgt eine Gefährdungs- oder Risikoanalyse für die Gemeinde , die gegebenenfalls im Kontext einer ganzheitlichen Gefahrenabwehrplanung der Gemeinde (Risikomanagement) auch zu präventiven Maßnahmen außerhalb der Feuerwehrbedarfsplanung führen kann (z. B. Hochwasserschutz, Auflagen für Gewerbetreibende mit besonderem Gefahrenpotenzial, Entschärfung von Unfallschwerpunkten).
Nur mit einem sorgfältig und fachlich fundiert aufgestellten Feuerwehrbedarfsplan kann die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Sicherheit der eigenen Einsatzkräfte sichergestellt werden, die nicht in unkalkulierbare Risiken3 geführt werden dürfen. Hierzu zählt auch der Schutz vor Überforderung4 der Feuerwehr. Andernfalls kann es zu ernsthaften körperlichen und psychischen Schäden kommen, denen es durch eine sorgfältige sowie fachlich und ethisch vertretbare Feuerwehrbedarfsplanung vorzubeugen gilt.
Der Feuerwehrbedarfsplan bildet die Grundlage für die Personal- und Investitionsplanungen (Maßnahmen und Haushalt) der Kommune, auf dessen Basis Personalbedarfsermittlungen erfolgen und die notwendigen finanziellen Mittel in den Haushalt eingestellt werden können. Ferner dient er als Grundlage für die Einsatzplanung und -vorbereitung, indem potenzielle Schadenereignisse und deren Bewältigung szenarienbasiert im Bedarfsplan vorgedacht und bemessen werden. Hieraus resultiert auch die Alarm- und Ausrückeordnung (AAO ). In manchen Bundesländern ist zudem das Vorliegen eines Feuerwehrbedarfsplans Voraussetzung zur Beantragung von Fördermitteln für Fahrzeug- und Gerätebeschaffung sowie für Bauvorhaben.5 Die durch einen Bedarfsplan nachweislich leistungsfähig aufgestellte Feuerwehr kann als Standortfaktor (Standortvorteil)6 (stadt)marketingtechnisch genutzt werden und den Zuzug von Bürgern sowie die Ansiedelung von Unternehmen begünstigen, indem ein hohes Schutzniveau für Mensch und Wirtschaft garantiert und beworben wird. Die Feuerwehrbedarfspläne der einzelnen Kommunen werden durch die übergeordneten Behörden (Aufsichtsbehörden)zur Prüfung der gesetzlichen Aufgabenerfüllung sowie zur Koordinierung der gesetzlich auferlegten Planung des überörtlichen Brandschutzes und der überörtlichen Hilfeleistung genutzt.
2.2 Zusammenhänge und Wirkungsbeziehungen in der Feuerwehrbedarfsplanung
Der Planungsvorgang der Feuerwehrbedarfsplanung mit seinen Einzelschritten ist ein komplexer Prozess, der an dieser Stelle nicht in aller Ausführlichkeit vollständig abgebildet werden kann. Einleitend zu den detaillierten Ausführungen im weiteren Verlauf des Buches sollen vorliegend jedoch die maßgeblichen Zusammenhänge, Wirkungsbeziehungen und Abhängigkeiten der wesentlichen Einflussfaktoren auf die Feuerwehrbedarfsplanung dargestellt werden.
Das Kernelement in der Feuerwehrbedarfsplanung stellen die in kommunaler Eigenverantwortungfestgelegten Planungsziele für die Feuerwehr einer Stadt oder Gemeinde dar (im Feuerwehrsprachgebrauch häufig »Schutzziele« genannt7 ). Die Planungsziele bestehen klassischerweise aus Zielvorgaben zur maximal zulässigen Planungsfrist , mindestens erforderlicher taktischer Einheit (Mannschaft + Gerät)sowie einem mindestens einzuhaltenden Erreichungsgrad, die in der Regel für konkrete Bemessungsszenarien festgesetzt werden. Sie drücken damit aus, wie viele Einsatzkräfte mit welchem technischen Gerät innerhalb welcher Zeit nach Notruf oder Alarmierung an der Einsatzstelle eintreffen sollen und in wie viel Prozent der Fälle diese Vorgaben planerisch einzuhalten ist. Die individuell festgelegten kommunalen Planungsziele repräsentieren das politisch gewollte Versorgungsniveau der Feuerwehr in der Stadt oder Gemeinde.
Bild 5: Zusammenhänge, Wirkungsbeziehungen und Abhängigkeiten in der Feuerwehrbedarfsplanung
Aus den Planungszielen leiten sich die Ausprägungen der vier wesentlichen Merkmale einer Feuerwehr ab, die sich in Organisation, Standorte, Fahrzeuge und Geräte sowie Personal einteilen lassen.
Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Festlegung eines Erreichungsgrads ist fachlich strittig, da sein planerischer Einfluss gering ist und es sich daher vielmehr um ein Controlling-Instrument zur retrospektiven Zielerreichung handelt als um einen wirklichen Planungsparameter (vgl. Kapitel 4.3.3). Ein niedriger realer Erreichungsgrad ist ein Indikator dafür, dass im Gemeindegebiet oder in bestimmten Ortsteilen die Planungsziele regelmäßig nicht erfüllt werden. Sind die eigenen bedarfsplanerischen Mittel ausgereizt, um diese potenziell unterversorgten Gebiete abzudecken, ist auf eine interkommunale Zusammenarbeit (vgl. Kapitel 3.11) hinzuwirken und outcome-orientierte »Kompensationsmaßnahmen«(vgl. Kapitel 2.4) zu treffen.
Einflussgrößen auf die Festlegung der Planungsziele
Bei der Festlegung der Planungsziele steht der Kommune im Rahmen ihrer verfassungsmäßig zugesicherten Selbstverwaltungshoheit ein gewisser Gestaltungsspielraum zu (vgl. Kapitel 2.3). Durch gesetzliche oder aufsichtsbehördliche Vorgabenwirddiesem jedoch ein rechtlicher Rahmen gesetzt. Allerdings gibt es in den meisten Bundesländern weniger rechtsverbindliche Vorgaben als gemeinhin angenommen. So existiert beispielsweise entgegen landläufiger Kenntnis lediglich in zwei Bundesländern eine gesetzliche Hilfsfrist (vgl. Kapitel 4.6.18). Ferner kann sich bei der Festlegung der Planungsziele an Hinweisen und Empfehlungen von Fachverbänden (z. B. AGBF, Landesfeuerwehrverbände) orientiert werden.
In der Vergangenheit wurde die Debatte um das »richtige« Planungsziel sehr technokratisch geführt, indem (vornehmlich durch die Empfehlungen der AGBF) ein Anwendungszwang der von ihnen veröffentlichen Planungsparameter suggeriert wurde, die sich aus vermeintlich naturwissenschaftlich-medizinischen Tatsachenzusammenhängen im Kontext der physiologischen Rauchgasverträglichkeit von Brandopfern abgeleitet haben (vgl. Kapitel 4.5). Zwar hat die postulierte Argumentationskette keinen Bestand mehr, dennoch ist die Feuerwehrbedarfsplanung nicht frei von technischen Sachzusammenhängen. So steht beispielsweise der Zusammenhang zwischen Interventionszeit der Feuerwehr und Schadensausmaß bei einem dynamischen Ereignis außer Frage. Je eher die Feuerwehr an der Einsatzstelle eintrifft, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich eine Schadensbegrenzung vornehmen zu können. Und auch zur Bewältigung eines Einsatzszenarios ist sachlich-logisch ein konkreter Kräfte- und Geräteansatz erforderlich. Zudem liefern immer wieder neue Forschungsergebnisse eine empirische Erkenntnisbasis, auf die bedarfsplanerische Maßnahmen aufsetzen.
Da sich aber nicht alle Festlegungen der Planungsziele vollständig aus technischen oder wissenschaftlichen Erfordernissen ableiten lassen, sondern letztendlich politisch getroffen werden, spielen auch ethische Aspekte eine Rolle bei der Suche nach einem angemessenen Versorgungsniveau der Feuerwehr (vgl. Lindemann, 2016). Feuerwehrbedarfsplanung ist insbesondere auch eine Frage der »Verteilungsgerechtigkeit«, zu der in der Literatur und der Gesellschaft ein intensiver Wertediskurs geführt wird. Die Ethik setzt dort an, wo Rechtsnormen wie auch Sachgründe an ihre Grenzen kommen und sich