Tate hob die Durchgangsplatte der Bar und bemerkte, wie Robbie mit der Hüfte am hinteren Tresen gelehnt an den Geschirrhandtüchern herumfummelte. Beim Näherkommen sah Tate, dass er zu Logan blickte, der dem Gast gerade eine Getränkekarte reichte. In diesem Augenblick bemerkte Tate, wen Logan da gerade bediente.
Heilige Scheiße. War das Julien Thornton? Tate konnte sich erinnern, wie sehr Diana damals auf ihn stand, als er bei Chef Master mitgemacht hatte. Das musste ungefähr sechs oder sieben Jahre her sein. Er hatte gehört, dass der temperamentvolle Mann mittlerweile einer der begehrtesten Chefköche der Welt geworden war.
Er versuchte, sich an alles über den Mann zu erinnern, den er gezwungenermaßen monatelang im Fernsehen betrachten musste. Tate kramte alles hervor, bis zu dem allerwichtigsten Fakt, wenn man bedachte, dass Logan gerade ganz entspannt am Tresen lehnte, nämlich dass der Mistkerl schwul war.
Tate stellte sich zu Robbie und als er nah genug war, dass Robbie ihn bemerkte, blickte dieser über seine Schulter und lächelte Tate an.
„Ist das wer ich glaube, dass er es ist?“, fragte Tate. Robbies Augenbrauen hoben sich so hoch, dass sie fast seinen Haaransatz berührten, und da fiel ihm auf, wie stinksauer diese Frage geklungen hatte.
„Ähm, was glaubst du denn, wer er ist?“
„Julien Thornton.“
„Oh mein Gott“, sagte Robbie und klatschte die Hände zusammen. „Du hast von ihm gehört? Endlich kennt ihn jemand! Ist er nicht einfach … alles?“
Das verträumte Seufzen, das Robbie von sich gab, bewog Tate dazu, einen Blick zu den beiden zu werfen. Logan kam jetzt wieder zu ihnen und Julien betrachtete Logan dabei.
„Absolut. Einfach alles“, bemerkte Tate trocken. „Wer hat denn nicht von ihm gehört?“
„Ähm, Logan“, sagte Robbie.
„Das überrascht mich nicht. Er schaut kaum fern. Und ganz besonders keine Reality Shows.“
Robbie rollte mit den Augen. „Warum nicht? Ist er zu intellektuell dafür?“
Tate wollte antworten, aber Logan hatte sie erreicht. „Zu intellektuell für was?“
„Ach, wen interessiert das“, Robbie wisperte und linste über Logans Schulter. „Was hast du zu ihm gesagt? Hat er nach mir gefragt?“
„Genau. Was hast du denn Julien Thornton zu sagen gehabt?“, fragte Tate und verschränkte die Arme vor der Brust.
Logan runzelte die Stirn. „Du weißt, wer das ist?“
„Ja. Und ich weiß auch, dass er …“
„Schwul ist?“, sagte Robbie dazwischen. Tate funkelte ihn an. „Was? Ich nehme doch mal stark an, dass das der Grund ist, warum du plötzlich aussiehst, als hätte man dir einen Stock …“
„Genau“, sagte Tate. „Mir ist bewusst, dass er schwul ist. Und mir ist auch bewusst, dass er gerade hier herschaut und das kotzt mich an.“
Logan trat näher, fuhr mit der Hand über Tates Arm und drückte sanft seinen Bizeps. „Oh. Das gefällt mir. Du siehst aus, als würdest du gern zu ihm gehen und ihm in den Hintern treten.“
„Der Abend ist noch jung“, sagte Tate und ein Muskel zuckte in seiner Wange, als er feststellte, dass Julien noch immer in ihre Richtung sah.
„Stimmt“, sagte Logan und sah zu Robbie. „Und Julien Thornton hat gefragt, ob nicht ein gewisser blonder junger Mann ihn für den Rest des Abends bedienen könnte.“
Robbies Augen wurden groß. Sein Kinn fiel praktisch auf den Fußboden und als er über den ersten Schock hinweg war, gab er Logan einen Klaps auf den Arm. „Hat er nicht. Warte … was hast du ihm gesagt?“
Logan wollte gerade antworten, als Robbie sagte: „Ach, was soll’s. Wenn er mich haben will, muss ich ihn nur noch fragen wann und wie oft.“
Tate schenkte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mann, von dem Robbie gerade fasziniert war und fand, dass Julien in der Tat seine Konzentration auf ihren Barmanager gelegt hatte.
Nun, das ist schön für Robbie. Und Glück für Julien.
„Dann beeil dich“, sagte Tate. „Wir haben gern zufriedene Gäste.“
Robbie schenkte ihnen beiden ein Grinsen und verdrehte das Geschirrtuch in seinen Händen. „Okay. Ähm. Aber was, wenn er …“
Bevor Robbie seinen Satz zu Ende brachte, schnappte sich Logan ein Ende des Handtuchs und zog ihn zu sich, um in sein Ohr zu sprechen. „Sei einfach du selbst. Auf diese Weise hast du damals auch mich bekommen.“
Robbie schluckte und sein Blick hopste zwischen Logan und Tate hin und her. Dann nickte er und lief hinüber zu dem berühmten Chefkoch.
Logan küsste Tate auf die Schläfe. „Du bist echt scharf, wenn du eifersüchtig wirst.“
„Hm. Ich kann es halt nicht leiden wenn Leute anstarren, was mir gehört.“
„Oh?“ Logan lachte. „Er hat mich angestarrt, nicht wahr?“
„Hat er. Aber ich würde jetzt gern wissen, ob er wirklich an Robbie interessiert ist. Oder wolltest du ihn auf eine falsche Fährte locken?“
Logan knabberte kurz an Tates Ohrläppchen. „Ich will niemanden irgendwohin locken, außer dich. In mein Bett. Aber ja, Julien Wie-auch-immer-sein-Nachname lautet …“
„Thornton.“
„Und wieso weißt du das? Vielleicht sollte eher ich mir Sorgen machen?“
„Absolut nicht“, sagte Tate unwirsch. „Diana hat ihn im Fernsehen förmlich verehrt. Es war beinahe so schmerzhaft wie die Scheidung.“
„Ah, okay. Nun, ja, Julien Thornton ist definitiv an Robbie interessiert. Tatsächlich bonsoir-te er mich sogar schon an, bevor ich ihn willkommen heißen konnte, und fragte nach dem Namen von dem süßen blonden Kerl hinter der Bar.“
Tate betrachtete die beiden Männer und sah, dass Robbie jetzt sehr über etwas lachte, das Julien offensichtlich gesagt hatte. Dabei schob er sich etwas über den Tresen und schubste Julien gegen den Arm. Als er das tat, schnappte Julien sich Robbies Handgelenk und warf ihm einen Vorsicht-Blick zu, bevor er mit dem Zeigefinger wedelte.
„Oh shit“, sagte Logan und lachte leise. „Der Junge ist gerade dabei, sowas von in Schwierigkeiten zu geraten.“
Tate hatte das Gefühl, das Logan damit richtig lag. Juliens Gesichtsausdruck war die personifizierte Arroganz. Mit seinem schiefen Lächeln und den Blick mit Robbies verhakt, schrieb er nebenbei etwas auf eine Serviette und reichte sie ihm. Dann, während sich Robbie langsam zurückzog, sah Tate, wie Julien sich über die Unterlippe leckte. Fast genauso wie Logan es getan hatte, wenn er auf der Jagd gewesen war.
Oh ja, Robbie war mächtig in Schwierigkeiten. Doch als er sich umdrehte und den Weg zu ihnen praktisch zurückhopste, winkte er aufgeregt mit der Serviette. Tate hatte das Gefühl, dass er sich auf die Schwierigkeiten freute.
„Sagt Guten Tag zu meinem zukünftigen Ehemann, Jungs“, sagte Robbie und klimperte mit den Wimpern. „Ich glaube, ich bin verliebt.“
Kapitel 5
Am nächsten Morgen sorgte das unablässige Klingeln des Weckers dafür, dass Logan die Augen öffnete. Als er sah, dass es noch dunkel war, rollte er sich auf die Seite und kuschelte sich unter die Zudecke, wobei er seine Nase in die weichen Locken an Tates Nacken steckte.
„Sag mir, dass es noch nicht Zeit zum Aufwachen ist.“
Tates