Michelle. Bernt Danielsson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernt Danielsson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711464458
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      Mit anderen Worten, er klingt genau wie ein typischer Vater.

      Dann geht die hintere Tür auf der Seite meiner Mutter auf, und eine vierzehnjährige Puppe klettert raus, mit wilden, langen Haaren, die frisch blondgefärbt und absichtlich zerzaust sind. Mitten ins Haargestrüpp hat sie natürlich eine Sonnenbrille gepflanzt – wie es sich gehört.

      Sie hat hautenge weiße Jeans an, die mitten am Schienbein aufhören, dazu knallrote Wildlederpumps mit hohen Absätzen. Ein sehr knappes gelbes T-Shirt schmiegt sich an ihren Oberkörper. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß sie echt scharf aussieht, um nicht zu sagen ziemlich ordinär (wie Omi bei unserer Abfahrt bemerkte).

      Sie sieht sehr viel älter aus als vierzehn – ich würde achtzehn schätzen, aber wenn es darum geht, Leute einzuschätzen, bin ich eine echte Niete. Vor allem, wenn es darum geht, das Alter von Mädchen zu erraten, liege ich immer total falsch – und wenn sie außerdem geschminkt sind, ist es sowieso völlig unmöglich, und geschminkt ist Cammi ja immer.

      Dieses leckere Stück ist meine Schwester und heißt eigentlich Camilla.

      Körperlich gesehen ist im letzten Jahr einiges mit Cammi passiert – zur größten Verzweiflung meiner alten Herrschaften. Daß sie außerdem dafür sorgt, alles vorzuführen, was mit ihr passiert ist, und tatsächlich echt gut aussieht, macht die Sache nicht gerade besser.

      Sie ist genauso groß wie meine Mutter, aber damit hören auch sämtliche Ähnlichkeiten auf, sowohl die inneren als auch die äußeren.

      Und dann:

      Täterätätätää!!!

      Die Autotür numero vier geht auf, und aus dem Auto steigt ‚The Tall Dark Hero‘.

      Mit anderen Worten – ich.

      Lang und dunkel stimmt, und wenn das hier wirklich ein Film wäre, würde man sofort denken: So ’ne Fehlbesetzung!

      Im Vergleich zu meinen Eltern und Cammi bin ich nämlich sehr groß und außerdem habe ich viel dunklere Haare als die drei. Obendrein hab ich Locken – und die übrigen drei haben absolute Schnittlauchlocken, sogar Cammi, obwohl die ja immer so viel mit ihren Haaren anstellt, daß man das nicht sieht.

      Leider kann ich nicht behaupten, daß ich direkt wie ein ‚hero‘ aussehe. Ich fühle mich auch nicht wie einer, obwohl ich das gern täte.

      Ich bin gut zwei Jahre älter als Cammi; wenn man uns zusammen sieht, hält man das zwar nicht für möglich, denn obwohl ich größer bin als sie, sieht sie viel älter aus – auf jeden Fall von außen.

      Der Schein trügt selbstverständlich, denn in den letzten Jahren sind mit mir genauso viele umwälzende Sachen passiert, allerdings haben sich die meisten sehr im Inneren abgespielt, abgesehen von einer peinlichen Andeutung von Flaum zwischen der Nase und der Oberlippe.

      Da stehen wir also.

      Die Familie Pihlsten.

      Ich mache ein allgemein muffiges Gesicht, das tue ich immer. Und außerdem kneife ich die Augen zu, wegen der Sonne, dadurch sieht man die Falten auf meiner Stirn deutlicher. Ich bilde mir ein, etwas älter auszusehen, wenn ich die Augenbrauen runzle, und daher laufe ich immer möglichst sauertöpfisch durch die Gegend. In Wirklichkeit bin ich im Moment eher erwartungsvoll. Und das, obwohl es Mittsommer ist und obwohl ich weiß, daß ich den ganzen Abend mit meinen Eltern, ihren Freunden und Cammi verbringen muß.

      Gleichzeitig bin ich ein wenig nervös. Ähnlich wie früher vor Weihnachten – so ein Kribbeln im Bauch. Das sieht man mir natürlich nicht an.

      Meine Mutter sieht sich um und seufzt noch einmal über das ‚hinreißende, zauberhafte‘ Mittsommergrün.

      „Aber wenn es so warm bleibt und kein Regen kommt, wird alles rasch ausgetrocknet sein“, sagt sie, geht nach hinten und macht die Kofferraumklappe auf. Mit viel Mühe gelingt es ihr, zwei Koffer aus dem vollgestopften Kofferraum herauszuzerren.

      Keiner von uns rührt einen Finger, um ihr zu helfen. Mein Vater lehnt weiterhin am Autodach und sieht zu, wie sie stöhnt, ächzt und schnauft. Nachdem sie den zweiten Koffer rausgewuchtet hat, sagt er:

      „Laß die Koffer doch drin. Ich stell das Auto über Nacht in die Garage.“ Und damit hebt er träge die linke Hand und zeigt auf die Garagentüren.

      „Ha... als ob das was nützen würde!“ entgegnet meine Mutter. „So ein Schloß ist für die doch ein Kinderspiel! Und ich hab nicht vor, es irgendwelchen Dieben leicht zu machen und mir meine Sachen einfach klauen zu lassen.“

      Cammi sieht mich an und verdreht ihre großen, sorgfältig geschminkten Augen. Dann spitzt sie spöttisch und gelangweilt ihre knallroten Lippen. Ich verstehe genau, was sie meint.

      Plötzlich beginnt die ganze Familie Pihlsten, wie in einem alten Stummfilm hin und her zu rennen. Wir schleppen eine Menge Plastiktüten ins Haus, die Cammi und mich auf der ganzen Fahrt bedrängt haben.

      Mein Vater hebt ein paar klirrende Tüten heraus und stellt sie äußerst behutsam an den Fuß der Schiefertreppe, die sich zu dem braunen Holzhaus hinaufwindet.

      Leider gehört das Haus nicht uns. Ich hätte viel lieber alle meine Sommerferien hier verbracht als in dem engen umgebauten Bootshaus unten in Schonen, das wir seit Urzeiten mieten.

      Nein, dieses elegante Holzhaus gehört meinem Onkel – dem Bruder meines Vaters, vielmehr gehört es seiner Frau, genau wie das Segelboot, die drei Autos und die Villa in Helsingborg. Mein Onkel heißt Thorbjörn, und seine Frau, meine Tante also, heißt Charlotte.

      An diesem Mittsommertag waren Thorbjörn und Charlotte (oder Tobbe und Chatti, wie sie sich selbst nennen) irgendwo in Südfrankreich und würden erst in zwei Wochen nach Hause kommen. Und bis dahin würde ich völlig solo dort oben wohnen – das heißt, nachdem meine Eltern und Cammi morgen glücklich abgereist wären.

      Und das war der Grund, warum ich so gespannt war und warum ich mich mitten in der Sommerhitze vorweihnachtlich fühlte. Am liebsten wäre es mir natürlich gewesen, wenn die übrigen Pihlstens sofort nach Schonen abgezischt wären, aber so viel Glück hatte ich dann doch nicht – bis zum folgenden Tag würde ich sie noch ertragen müssen.

      Es war ein kleines Wunder, daß ich tatsächlich ganz allein hier residieren durfte. Anfangs war meine Mutter natürlich strikt dagegen, solche Dummheiten kämen ja überhaupt nicht in Frage. Sie bildet sich ein, daß ich immer noch sieben sei und völlig unfähig, für mich allein zu sorgen.

      Mein alter Herr war auch nicht gerade begeistert von der Idee.

      „Du wirst natürlich all deine vergammelten Kumpane und eine Menge Weiber anschleppen und rumsaufen und alles kurz und klein schlagen und das Haus abbrennen.“

      Natürlich sagte er das mit einem Grinsen, aber ich habe den Verdacht, daß trotz allem eine gehörige Portion Ernst hinter den Worten lag.

      „Total daneben getippt“, antwortete ich und versuchte, mich zu beherrschen. „Ich hab vor, dort ganz allein zu bleiben.“

      „Lüg doch nicht“, brummte er.

      „Warum um alles in der Welt willst du denn ganz alleine dort sein?“ fragte meine Mutter und machte ein verständnisloses Gesicht.

      „Weil ich allein sein will, ist doch klar“, sagte ich.

      Da schüttelte sie nur den Kopf und begriff gar nichts mehr.

      Schließlich konnte ich mich trotz aller Proteste doch durchsetzen. Die einzigen, die keine Einwände hatten, waren Tobbe und Chatti.

      „Na, klar doch, mein Junge!“ dröhnte Tobbe gönnerhaft am Telefon. „Menschenskind! Und du – tu uns einen Gefallen, ja? Mach die Gefriertruhe und die Speisekammer leer. Dann brauchst du schon kein Geld fürs Essen auszugeben, mit den Vorräten könnte man glatt eine Armee versorgen. Nur – beim Weinkeller würd ich mich ein bißchen bremsen, ja? Ha, ha. Also, schau das Ganze als ein Geburtstagsgeschenk von Tobbe und Chatti an.“

      „Hab