Ausgewählte Werke von Gottfried August Bürger. Gottfried August Bürger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gottfried August Bürger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027213702
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Lunge entgegen, wie angenehm es mir wäre, die Herren zu sehen und durch sie aus einer Lage erlöset zu werden, in welcher ich beinahe erstickt wäre. Unmöglich läßt sich das Erstaunen auf allen Gesichtern lebhaft genug schildern, als sie eine Menschenstimme aus einem Fische heraus vernahmen. Dies wuchs natürlicherweise noch mehr, als sie lang und breit einen nackenden Menschen herausspazieren sahen. Kurz, meine Herren, ich erzählte ihnen die ganze Begebenheit, so wie ich sie Ihnen jetzt erzählt habe, worüber sie sich denn alle fast zu Tode verwundern wollten.

      Nachdem ich einige Erfrischungen zu mir genommen hatte und in die See gesprungen war, um mich abzuspülen, schwamm ich nach meinen Kleidern, welche ich auch am Ufer ebenso wiederfand, als ich sie gelassen hatte. Soviel ich rechnen konnte, war ich ohngefähr drittehalb Stunden in dem Magen dieser Bestie eingekerkert gewesen.

      Neuntes Kapitel

      Viertes Seeabenteuer

       Inhaltsverzeichnis

      Als ich noch in türkischen Diensten war, belustigte ich mich öfters in einer Lustbarke auf dem Mare di Marmora, von wo man die herrlichste Aussicht auf ganz Konstantinopel, das Seraglio des Großsultans mit eingeschlossen, beherrschet. Eines Morgens, als ich die Schönheit und Heiterkeit des Himmels betrachtete, bemerkte ich ein rundes Ding, ohngefähr wie eine Billardkugel groß, in der Luft, von welchem noch etwas anderes herunterhing. Ich griff sogleich nach meiner besten und längsten Vogelflinte, ohne welche, wenn ichs ändern kann, ich niemals ausgehe oder ausreise, lud sie mit einer Kugel und feuerte nach dem runden Dinge in der Luft; allein umsonst. Ich wiederholte den Schuß mit zwei Kugeln, richtete aber noch nichts aus. Erst der dritte Schuß, mit vier oder fünf Kugeln, machte an einer Seite ein Loch und brachte das Ding herab. Stellen Sie sich meine Verwunderung vor, als ein niedlich vergoldeter Wagen, hängend in einem ungeheueren Ballon, größer als die größte Turmkuppel im Umfange, ohngefähr zwei Klafter weit von meiner Barke heruntersank. In dem Wagen befand sich ein Mann und ein halbes Schaf, welches gebraten zu sein schien. Sobald sich mein erstes Erstaunen gelegt hatte, schloß ich mit meinen Leuten um diese seltsame Gruppe einen dichten Kreis.

      Dem Manne, der wie ein Franzose aussah, welches er denn auch war, hingen aus jeder Tasche ein paar prächtige Uhrketten mit Berlocken, worauf, wie mich dünkt, große Herren und Damen abgemalt waren. Aus jedem Knopfloche hing ihm eine goldene Medaille, wenigstens hundert Dukaten am Wert, und an jeglichem seiner Finger steckte ein kostbarer Ring mit Brillanten. Seine Rocktaschen waren mit vollen Goldbörsen beschwert, die ihn fast zur Erde zogen. Mein Gott, dachte ich, der Mann muß dem menschlichen Geschlechte außerordentlich wichtige Dienste geleistet haben, daß die großen Herren und Damen ganz wider ihre heutzutage so allgemeine Knickernatur ihn so mit Geschenken, die es zu sein schienen, beschweren konnten. Bei allem dem befand er sich denn doch gegenwärtig von dem Falle so übel, daß er kaum imstande war, ein Wort hervorzubringen. Nach einiger Zeit erholte er sich wieder und stattete mir folgenden Bericht ab. »Dieses Luftfuhrwerk hatte ich zwar nicht Kopf und Wissenschaft genug selbst zu erfinden, dennoch aber mehr denn überflüssige Luftspringer- und Seiltänzerwaghalsigkeit zu besteigen und darauf mehrmalen in die Luft emporzufahren. Vor ohngefähr sieben oder acht Tagen – denn ich habe meine Rechnung verloren – erhob ich mich damit auf der Landspitze von Cornwall in England und nahm ein Schaf mit, um von oben herab vor den Augen vieler tausend Nachgaffer Kunststücke damit zu machen. Unglücklicherweise drehte sich der Wind innerhalb zehn Minuten nach meinem Hinaufsteigen; und anstatt mich nach Exeter zu treiben, wo ich wieder zu landen gedachte, ward ich hinaus nach der See getrieben, über welcher ich auch vermutlich die ganze Zeit her in der unermeßlichen Höhe geschwebet habe.

      »Es war gut, daß ich zu meinem Kunststückchen mit dem Schafe nicht hatte gelangen können. Denn am dritten Tage meiner Luftfahrt wurde mein Hunger so groß, daß ich mich genötigt sah, das Schaf zu schlachten. Als ich nun damals unendlich hoch über dem Monde war und nach einer sechzehnstündigen noch weitern Auffahrt endlich der Sonne so nahe kam, daß ich mir die Augenbrauen versengte, so legte ich das tote Schaf, nachdem ich es vorher abgehäutet, an denjenigen Ort im Wagen, wo die Sonne die meiste Kraft hatte oder, mit andern Worten, wo der Ballon keinen Schatten hinwarf, auf welche Weise es denn in ohngefähr drei Viertel Stunden völlig gar briet. Von diesem Braten habe ich die ganze Zeit her gelebt.«

      Hier hielt mein Mann ein und schien sich in Betrachtung der Gegenstände um ihn her zu vertiefen. Als ich ihm sagte, daß die Gebäude da vor uns das Seraglio des Großherrn zu Konstantinopel wären, so schien er außerordentlich bestürzt, indem er sich ganz woanders zu befinden geglaubt hatte. »Die Ursache meines langen Fluges, fügte er endlich hinzu, »war, daß mir ein Faden zerriß, der an einer Klappe in dem Luftballe saß und dazu diente, die inflammable Luft herauszulassen. Wäre nun nicht auf den Ball gefeuert und derselbe dadurch aufgerissen worden, so möchte er wohl wie Mahomet bis an den jüngsten Tag zwischen Himmel und Erde geschwebt haben.« Den Wagen schenkte er hierauf großmütig meinem Bootsmanne, der hinten am Steuer stand. Den Hammelbraten warf er ins Meer. Was aber den Luftball anlangte, so war der von dem Schaden, welchen ich ihm zugefügt hatte, im Herabfallen vollends ganz und gar zu Stücken zerrissen.

      Zehntes Kapitel

      Fünftes Seeabenteuer

       Inhaltsverzeichnis

      Da wir noch Zeit haben, meine Herren, eine frische Flasche auszutrinken, so will ich Ihnen noch eine andere sehr seltsame Begebenheit erzählen, die mir wenige Monate vor meiner letzten Rückreise nach Europa begegnete. Der Großherr, welchem ich durch die römisch-russisch-kaiserlichen wie auch französischen Botschafter vorgestellet worden war, bediente sich meiner, ein Geschäft von großer Wichtigkeit zu Großkairo zu betreiben, welches zugleich so beschaffen war, daß es immer und ewig ein Geheimnis bleiben mußte.

      Ich reisete mit großem Pompe in einem sehr zahlreichen Gefolge zu Lande ab. Unterweges hatte ich Gelegenheit, meine Dienerschaft mit einigen sehr brauchbaren Subjekten zu vermehren. Denn als ich kaum einige Meilen weit von Konstantinopel entfernt sein mochte, sah ich einen kleinlichen, schmächtigen Menschen mit großer Schnelligkeit querfeldein daherlaufen, und gleichwohl trug das Männchen an jedem Beine ein bleiernes Gewicht, an die funfzig Pfund schwer. Verwunderungsvoll über diesen Anblick rief ich ihn an und fragte: »Wohin, wohin so schnell, mein Freund? Und warum erschwerst du dir deinen Lauf durch eine solche Last?« »Ich lief«, versetzte der Läufer, »seit einer halben Stunde aus Wien, wo ich bisher bei einer vornehmen Herrschaft in Diensten stand und heute meinen Abschied nahm. Ich gedenke nach Konstantinopel, um daselbst wieder anzukommen. Durch die Gewichte an meinen Beinen habe ich meine Schnelligkeit, die jetzt nicht nötig ist, ein wenig mindern wollen. Denn Moderata durant, pflegte weiland mein Präzeptor zu sagen.« – Dieser Asahel gefiel mir nicht übel; ich fragte ihn, ob er bei mir in Dienst treten wollte, und er war dazu bereit. Wir zogen hierauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land. Nicht fern vom Wege auf einem schönen Grasrain lag mäuschenstill ein Kerl, als ob er schliefe. Allein das tat er nicht. Er hielt vielmehr sein Ohr so aufmerksam zur Erde, als hätte er die Einwohner der untersten Hölle behorchen wollen. – »Was horchst du da, meinFreund?«- »lch horche da zum Zeitvertreibe auf das Gras und höre, wie es wächst.« – »Und kannst du das?« – »O Kleinigkeit!« »So tritt in meine Dienste, Freund, wer weiß, was es bisweilen nicht zu horchen geben kann.« – Mein Kerl sprang auf und folgte mir. Nicht weit davon auf einem Hügel stand mit angelegtem Gewehr ein Jäger und knallte in die blaue, leere Luft. – »Glück zu, Glück zu, Herr Weidmann! Doch wonach schießest du? Ich sehe nichts als blaue, leere Luft.« – »O, ich versuchte nur dies neue Kuchenreutersche Gewehr. Dort auf der Spitze des Münsters zu Straßburg saß ein Sperling, den schoß ich eben jetzt herab.« Wer meine Passion für das edle Weid- und Schützenwerk kennt, den wird es nicht wundernehmen, daß ich dem vortrefflichen Schützen sogleich um den Hals fiel. Daß ich nichts sparte, auch ihn in meine Dienste zu ziehen, versteht sich von selbst. Wir zogen darauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land und kamen endlich vor dem Berge Libanon vorbei. Daselbst vor einem großen Zedernwalde stand ein derber, untersetzter Kerl und zog an einem Stricke, der um den ganzen Wald herumgeschlungen war. »Was