Jan und der Meisterspion. Carlo Andersen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carlo Andersen
Издательство: Bookwire
Серия: Jan als Detektiv
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711458921
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«Ihre Neugier wird bald befriedigt werden.»

      Es war dem Deutschen nicht anzusehen, ob er sich über diese Antwort ärgerte oder nicht. Mit gleichgültiger Miene betrachtete er die Landschaft. Ein unterdrücktes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als sie sich der Kreuzung der sechs Landstraßen näherten und in Richtung Bov weiterfuhren. – Er sollte also nach Padborg gebracht werden!

      Der Fahrer verlangsamte die Geschwindigkeit, als der Wagen durch Padborg fuhr, unter der Unterführung durch und weiter auf der weiten Straße zur Grenze.

      An der Grenze hatten sie nur wenige Formalitäten zu erledigen, denn die Grenzbeamten beider Länder waren informiert. Die beiden Polizisten wechselten ein paar scherzhafte Bemerkungen mit den dänischen Grenzbeamten, die ihre Neugier nicht verbargen und Katz eingehend musterten. Schließlich sieht man ja nicht alle Tage einen berühmten Spion!

      Auf der deutschen Seite der Grenze warteten westdeutsche Polizisten in ihrem Wagen. Sie lächelten, als sie feststellten, daß Katz doppelte Handschellen trug und gleich an zwei dänische Polizisten gefesselt worden war. Übertrieb man damit die sicher gebotene Vorsicht nicht ein wenig?

      Die deutschen Polizisten stiegen aus, und gleich darauf bildete Katz den Mittelpunkt einer kleinen Gruppe. Ruhig und ungerührt stand er da, während seine Bewacher Grußworte und Papiere austauschten. Offenbar interessierte ihn der ganze Vorgang wenig. Immer noch war er an einen seiner dänischen Bewacher gefesselt, während der andere seine Handschellen gelöst hatte, um sich bei der Erledigung der Formalitäten frei bewegen zu können.

      Als er fertig war, sagte er in fehlerfreiem Deutsch zu seinen deutschen Kollegen: «Paßt nur gut auf. Der Mann ist gefährlicher als man meint. Und er wird jede Fluchtmöglichkeit, die sich ihm bietet, ergreifen. Wir sind jedenfalls froh, daß wir ihn los sind.»

      Er wandte sich zu Katz und fuhr lächelnd fort: «Stimmt doch, Katz, nicht wahr? Sie überlegen doch jetzt schon, wie Sie entwischen können.»

      Der Spion gab keine Antwort; er sah sich gerade nach allen Seiten um. Es schien, als sei er plötzlich etwas nervös geworden. Aber niemand kümmerte sich darum. Schließlich war es nicht verwunderlich, daß Katz sich von der augenblicklichen Lage beeindrucken ließ. Bestimmt konnte er sich bei dem Gedanken, nun einige Jahre in einem deutschen Gefängnis zubringen zu müssen, nicht gerade freuen.

      «Sind wir soweit?» fragte der dänische Polizist, der immer noch an den Spion gefesselt war.

      «Ja», antwortete einer der deutschen Beamten und hielt ein Paar Handschellen bereit. «Wir werden schon aufpassen und ihn wohlbehalten nach Bonn schaffen.»

      «Hals- und Beinbruch!»

      «Danke.»

      «Gute Fahrt!»

      «Gleichfalls!»

      Der Däne öffnete die Handschellen. Katz blieb ruhig stehen und schlenkerte die rechte Hand, als wolle er sich versichern, daß er die störende ‚Manschette‘ nun los sei. Dann rief er plötzlich laut und völlig unmotiviert: «Donnerwetter!»

      Sowohl die Deutschen als auch die Dänen starrten ihn verblüfft an, aber gleich darauf ertönte ein ohrenbetäubender Knall. Hinter dem deutschen Zollgebäude wirbelten Erde und Steine hoch in die Luft, zerbrochene Fensterscheiben klirrten, und Dachziegel flogen herunter.

      «Explosion», schrie jemand. «Duckt euch!»

      Instinktiv warfen sich die Polizisten flach auf den Boden, und während einiger Sekunden herrschte größte Verwirrung. Autofahrer, die an der Grenze auf Abfertigung warteten, versuchten zu wenden und wegzufahren, Frauen schrien vor Angst auf. Vom Luftdruck waren einige Kinder zu Boden gerissen worden, wo sie liegenblieben und laut weinten. Ein dichter Regen aus Steinen, Kies und Erde ergoß sich über die erschrockenen Menschen, die nicht wissen konnten, ob der ersten Explosion eine zweite folgen würde.

      In all der Verwirrung dachte niemand an Katz, bis plötzlich einer der dänischen Polizisten laut rief: «Achtung, Katz flieht!»

      Der Spion lief gerade den steilen Bahndamm hinauf. Der Däne zog seine Pistole, aber sein Kollege fiel ihm in den Arm.

      «Nicht schießen, Jensen!»

      «Warum nicht?»

      «Wir haben den Gefangenen abgeliefert und befinden uns auf deutschem Gebiet.»

      «Ihm nach!» rief ein deutscher Polizist und rannte schon auf den Bahndamm zu. «Er darf uns nicht entkommen!»

      Sämtliche Polizisten – Dänen und Deutsche – setzten sich in Bewegung, aber Katz hatte einen recht guten Vorsprung und war bereits auf der andern Seite der Eisenbahnschienen verschwunden.

      Da keiner der Deutschen eine Pistole zog, rief Jensen dem Polizisten, der neben ihm lief, atemlos zu: «Seid ihr denn nicht bewaffnet?»

      «Nein! Nur mit Knüppeln.»

      «Dann nehmen Sie meine Pistole. Ich darf hier ja nicht schießen... Achtung!»

      Jensen blieb unvermittelt stehen, denn hinter ihm krachte ein Schuß, und an seinem Ohr sauste etwas vorbei. Oben am Damm wurde eine kleine Staubwolke sichtbar.

      «Katz hat Helfer! Wir werden beschossen! Von hinten», rief Jensen.

      Die Polizisten blieben stehen und schauten sich um. Aber sie sahen nur die wartenden Autofahrer, die zu drehen versuchten und von dem Durcheinander vollkommen verwirrt zu sein schienen. Natürlich konnte keiner von ihnen geschossen haben, doch das ließ sich im Augenblick nicht feststellen.

      «Weiter!» rief einer der Deutschen.

      Ein paar Sekunden später standen alle oben auf dem Damm und blickten um sich. «Verflixt und zugenäht!» Die deutschen Polizisten fluchten nach Noten. Katz war verschwunden!

      Zweites kapitel

      Vom Zoll aus wurde sofort die Kriminalpolizei in Flensburg alarmiert und gebeten, die Straßen zu sperren, während einige der deutschen Grenzpolizisten sich mit ihren Diensthunden aufmachten und die Nachbarschaft durchsuchten. Die übrigen wandten sich der Untersuchung der seltsamen Begleitumstände der Flucht zu. Zunächst mußte die Ursache der Explosion festgestellt werden. Sie hatte den hinteren Teil des Zollgebäudes erheblich beschädigt. Über das Zentrum der Explosion bestand kein Zweifel; denn man fand bald ein ziemlich tiefes Loch im Erdboden, von wo aus eine Leitung am Bahndamm entlang ins Gelände führte, bis zu einem dichten Gebüsch. Es stand demnach fest, daß die Explosion gut vorbereitet gewesen war. Als die Polizei ihre Untersuchungen abgeschlossen hatte, war sie zu folgendem Ergebnis gekommen:

      Die Organisation, der Paul Katz angehörte, mußte über den Zeitpunkt und den Ort der Auslieferung genau informiert gewesen sein. Sie hatte einen Fluchtplan in allen Einzelheiten ausgearbeitet. Es war abgesprochen worden, daß Katz laut «Donnerwetter» rufen sollte, sobald er von den dänischen Handschellen befreit worden war. In diesem Augenblick brachten die Fluchthelfer die Sprengladung durch elektrische Zündung zur Explosion. Während der dadurch entstehenden Verwirrung boten sich Katz die besten Fluchtmöglichkeiten, die durch den Schuß, abgefeuert von einem der Helfer, noch verbessert wurden.

      «Ja, so ähnlich muß es gewesen sein», meinte einer der deutschen Beamten. «Es handelt sich offenbar um einen Spionagering, der keine Mittel scheut. Im übrigen muß Katz schon im Gefängnis die nötigen Weisungen bekommen haben, sonst hätte er ja die Aktion durch das Schlüsselwort ‘Donnerwetter’ nicht auslösen können.»

      Jensen zuckte die Schultern. «Ich habe ja gleich gesagt, daß der Mann gefährlich ist, aber ihr habt darüber gelacht.»

      «Jetzt sind wir überzeugt», entgegnete der Deutsche trocken. «Vielen Dank für die Pistole. Leider hat sie uns nichts genützt. Der Helfer des Spions schoß nicht, um jemanden zu treffen. Auf jeden Fall erreichte er aber, daß die Verfolgung aufgehalten wurde.»

      «Hm!» sagte Jensen. «Wenn der Mann nicht treffen wollte, muß er ein schlechter Schütze sein. Ich wünsche mir jedenfalls nicht, daß eine Kugel nochmals so nahe an meinem Ohr vorbeistreicht. Ich habe