»Ich weiß«, nickte er und machte sie mit dem Bergpfarrer bekannt.
»Sagt mal, wieso seid ihr eigentlich hergekommen?« wollte der Sohn wissen, als sie in dem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer saßen.
Seine Eltern schauten sich an.
»Na ja«, antwortete Kurt Kreuzer und blickte zu dem Geistlichen hinüber, »ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das jetzt der richtige Augenblick ist, das zu besprechen…«
»Selbstverständlich bin ich gern bereit hinauszugehen«, sagte Sebastian sofort. »Allerdings hat mich Ihr Sohn gebeten, bei diesem Gespräch dabeizusein.«
»Ich habe mit Pfarrer Trenker über die Angelegenheit gesprochen«, erklärte Stefan. »Und ich möchte jetzt auch gar nicht darüber diskutieren. Das würde ich viel lieber morgen mit euch machen, zusammen mit Silvia Schönauer und ihrem Vater.«
»Dann war sie es also doch!« stellte Isolde fest.
»Ich habe sie heute mittag bei der Kirche gesehen«, sagte Kurt Kreuzer, »war mir aber nicht sicher, ob sie es wirklich ist.«
»Doch, Silvia ist hier«, nickte Stefan. »Ich habe vor einer Viertelstunde erst mit ihr gesprochen, und wir haben beschlossen, daß sie ihren Vater für morgen herbestellt und wir alle uns dann zusammensetzen, um über die Hochzeit zu sprechen.«
Stefan sah, wie sein Vater aufatmete.
»Dann seid ihr euch also einig?« fragte Kurt.
»Ja, ja«, nickte sein Sohn, »wir sind uns voll und ganz einig.«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen«, freute sich sein Vater.
»Ich würde Sie alle gern morgen abend zum Essen ins Pfarrhaus einladen«, mischte sich Sebastian in das Gespräch. »Es ist Samstag, und da findet im Hotel immer ein Tanzabend statt. Man könnte also hinterher rübergehen und das Ereignis gebührend feiern.«
»Eine herrliche Idee!« rief Kurt Kreuzer, und auch seine Frau nickte begeistert.
»Dann ist ja soweit alles geklärt«, sagte Stefan und stand auf.
»Willst du schon wieder gehen?« fragte seine Mutter.
Er nickte.
»Ja, ich habe noch eine Verabredung.«
»Verstehe«, schmunzelte sein Vater, »grüß Silvia Schönauer schön von uns.«
»Ja, das werde ich tun, wenn ich sie sehe«, gab der Sohn zurück und konnte sich ein Lachen kaum verkneifen.
Sebastian verabschiedete sich und stieg zu Stefan ins Auto.
»Die werden Augen machen!« prophezeite der junge Bursche und lachte aus vollem Halse, als sie ins Dorf zurückfuhren.
Er setzte den Bergpfarrer vor der Kirche ab und fuhr weiter zur Pension. Gutgelaunt sprang er aus dem Wagen und lief beschwingt den Plattenweg entlang. Stefan klopfte an Johannas Tür. Es dauerte eine Weile, bis sie öffnete und ihn mit seltsamer Miene ansah.
»Was ist geschehen?« fragte er verwirrt. »Hast du geweint?«
Eine überflüssige Frage, denn die Tränenspuren in dem hübschen Gesicht waren noch deutlich zu sehen.
Stefan trat ein, und Johanna schloß die Tür wieder. Mit schweren Schritten ging sie zum Tisch und setzte sich. Er folgte ihr ratlos.
»Warum sagst du denn nichts?« fragte er.
Johanna hielt den Kopf gesenkt, erst nach einigen Augenblicken hob sie ihn und sah Stefan an.
»Wer ist sie?« fragte sie mit tonloser Stimme.
»Wer ist wer?« fragte er verständnislos zurück.
»Die Frau, die du vorhin im Garten geküßt hast…«
»Ach, du lieber Himmel«, stieß Stefan hervor. »Du hast uns gesehen, was?«
Er hockte sich vor sie und nahm ihre Hand. Sie fühlte sich kalt an, und Stefan rieb sie zwischen seinen Händen.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich hatte noch überlegt, ob ich zu dir gehen und dir die Neuigkeit erzählen soll. Aber es war schon so spät, und ich wollte doch das Gespräch mit meinen Eltern hinter mich bringen.«
Johanna Kramer sah ihn wortlos an. Die letzte Stunde war für sie die Hölle gewesen, ein Auf und Ab ihrer Gefühle. Sie hatte geweint und geschimpft, sich bemitleidet und darüber geärgert, daß sie schon wieder auf einen Tunichtgut von Mann hereingefallen war. Und dann war sie entschlossen gewesen, die Beziehung sofort zu beenden, sie wollte nur noch wissen, mit wem Stefan sie hinterging.
»Ich hatte dir eine Frage gestellt«, sagte sie und zog ihre Hand aus der seinen heraus.
Stefan richtete sich auf, nahm ihren Kopf in beide Hände und sah sie eindringlich an.
»Bitte«, sagte er, »höre mir jetzt ganz genau zu!«
Und dann erzählte er ihr gleich alles, was er bisher noch für sich behalten hatte. Von der Hochzeit, von den Schulden seines Vaters, von Silvia und warum er sie geküßt hatte.
»Aber nur auf die Wange!« betonte er.
Johanna schaute immer noch ungläubig.
»Ich verstehe das alles nicht«, sagte sie.
Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Noch vor wenigen Minuten war sie fest entschlossen gewesen, Stefan den Laufpaß zu geben, und jetzt schaute alles schon wieder ganz anders aus
»Du lernst Silvia und ihren Freund morgen kennen«, versprach Stefan. »Pfarrer Trenker hat uns alle zum Mittag ins Pfarrhaus eingeladen. Dort werden wir gemeinsam überlegen, wie wir meinen Eltern und Silvias Vater klarmachen, daß sie sich ihre Verabredung an den Hut stecken können, und das werden sie dann morgen abend erfahren.«
Er zog sie hoch und schaute ihr ganz tief in die Augen.
»Ich bin doch so glücklich, daß ich dich gefunden habe«, sagte er zärtlich. »Niemals könnte ich dich betrügen, Liebes, du bist alles, was ich mir je von einer Frau erträumt habe. Ich liebe dich, Johanna, mehr als alles andere auf der Welt.«
Jetzt endlich glaubte sie ihm und hob ihm ihren Mund entgegen. Stefan küßte sie, und die dunklen Gedanken waren verschwunden.
*
»Was soll ich denn in St. Johann?« hatte Harald Schönauer am Telefon geraunzt. »Wo liegt dieses Kaff überhaupt?«
Seine Tochter hatte es ihm erklärt und betont, daß es dringend notwendig sei, zu ihr zu kommen, wenn eine Katastrophe verhindert werden sollte.
Schönauer hatte sich fluchend auf den Weg gemacht. Eigentlich war er zum Golfen verabredet. In den nächsten Wochen standen die Vereinsmeisterschaften an, und er mußte unbedingt noch an seinem Handicap arbeiten. Aber die merkwürdige Andeutung seiner Tochter hatte ihn doch umdisponieren lassen.
Jetzt saß Silvia vor dem Haus und wartete auf ihn. Martin hielt sich in seinem Zimmer auf. Vor dem Abend sollte ihr Vater nicht wissen, daß sein Angestellter in dieser Geschichte überhaupt mitspielte.
Beim Mittagessen im Pfarrhaus hatten sie besprochen, wie der Abend verlaufen sollte. Pfarrer Trenker würde die Gäste begrüßen und zu Tisch bitten. Dabei sollten erst einmal nur Stefan und seine Eltern anwesend sein sowie Silvia und ihr Vater. Erst kurz bevor aufgetischt wurde, sollten Johanna Kramer und Martin Herweg hinzukommen.
»Und dann platzt die Bombe!« hatte die junge Frau gesagt.
Martin hielt ihre Hand und drückte sie fest.
»Was immer geschieht, ich bin bei dir«, versprach er.
Auch wenn ihm ein wenig mulmig war, wenn er daran dachte, daß er am Abend seinem Chef gegenüberstehen würde.
Johanna fühlte sich nicht viel besser.
»Hoffentlich