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Einleitung – Was für eine Göttin ist das?
Die Göttin ist lebendig und kraftvoll. Als ich im Alter von dreizehn Jahren zum ersten Mal Marion Zimmer Bradleys Die Nebel von Avalon gelesen habe, war mir klar, womit ich mein Leben verbringen wollte: Ich wollte Priesterin von Avalon werden, Teil einer Schwesternschaft sein und der Göttin dienen. Ich glaube, dass ich bereits damals irgendwo im Roman gelesen habe, dass die Göttin Tausend Namen und Tausend Gesichter hat. Das habe ich tief in meinem Herzen sofort verstanden. Und ich wollte mehr herausfinden.
Im südlichen Niedersachsen, wo ich aufgewachsen bin, fiel es mir zunächst schwer, die Göttin zu spüren. Das fiel mir leichter in Ländern und Regionen, deren Göttinnen noch nicht ganz so weit in den Nebeln verschwunden waren. Ich verbrachte meine Ferien jedes Jahr bei meinen Großeltern in der Bretagne und suchte die Göttin in der Landschaft, in den Steinreihen von Carnac, im Meer, in den Legenden der Bretagne und ihrer traditionellen Musik. Nach dem Abi ging ich für ein Jahr nach Irland, um mehr über die inselkeltischen Göttinnen zu erfahren. Meine Lehrerin Kathy Jones sagte uns ganz am Anfang meiner Priesterinnenausbildung in Avalon folgenden Satz: »Niemand braucht eine Priesterinnenausbildung. Geht hinaus auf das Land, dort werdet ihr alles lernen.« Ich lernte in Irland wie in der Bretagne, die Göttinnen im Land zu finden, aber auch durch die Begegnung mit anderen Menschen, die die Göttin verehren. In Irland hörte ich zum ersten Mal von der Glastonbury Goddess Conference, und da ich um die Verbindung von Avalon mit Glastonbury wusste, war der Wunsch geboren, dort hinzufahren. Aber das sollte noch ein paar Jahre dauern.
Wieder in Deutschland wollte ich herausfinden, welche Göttinnen in dem Land, in dem ich lebte, verehrt worden waren. Bedingt durch mein Elternhaus und mein Umfeld, wurde ich dabei zunächst maßgeblich von meinem Kopf gelenkt. So ist die Archäologie ein wesentliches Werkzeug für mich, mehr über die Göttin herauszufinden. Die paläolithischen (altsteinzeitlichen) Figurinen lehren uns, dass in allen Kulturen auf der ganzen Welt am Anfang der Religion die Göttin steht. Sie durchdringt mit ihrer schöpferischen und transformierenden Kraft alles. Später in der Kulturgeschichte wird sie aufgespalten in Abertausende Göttinnen und erhält viele unterschiedliche Namen.
Später werden Götter erfunden, zunächst ihre Söhne, dann ihre Gefährten; auf sie werden Kräfte übertragen, die anfangs ihr zugehörig waren. Zur Zeit der Griechen und Römer ist die ursprünglich mächtige und souveräne Göttin bereits herabgewürdigt: zu Töchtern und Ehefrauen männlicher Götter, die als wichtiger und stärker gelten. Mit dem Monotheismus von Judentum, Christentum und Islam ist die Göttin beinahe gänzlich verschwunden. Spuren finden sich durchaus noch in Shekinah, Sophia, Lilith oder Maria, doch die Kraft der Großen Göttin ist beschränkt und verformt.1
Vor allem aufgrund der genauen Überlieferungen des römischen Pantheons neigen wir dazu zu fragen: »Von was ist dies die Göttin?«, wenn uns Göttinnen aus anderen Kulturen begegnen, etwa dem indischen, keltischen oder nordischen Pantheon. Wir fragen: »Was ist ihre Zuständigkeit?« Im römischen Pantheon war das sauber sortiert; bei den keltischen und nordischen Göttinnen ist es so jedoch nicht möglich.
Diese Göttinnen sind uns neben archäologischen Funden und Befunden durch Schriftquellen überliefert, in denen vielfach bereits christlicher Einfluss deutlich wird.2 Dennoch zeigt sich in diesen Überlieferungen eine facettenreiche Komplexität der Göttinnen, gepaart mit teils sehr alten Motiven, die uns ganz alte Vorstellungen der Großen Göttin zeigen, die bis in diese späten Aufzeichnungen überlebt haben.
Jede Göttin, die uns begegnet, ist im Grunde ein Aspekt der Großen Göttin. Wenn ich in diesem Buch von der Göttin spreche, so meine ich damit keineswegs eine Reduzierung, sondern vielmehr alle Göttinnen der ganzen Welt insgesamt und damit die Große Göttin in ihrer Gesamtheit, die mehr ist als die Summe ihrer Teile.
Als erstes studierte ich also Archäologie und Vergleichende Religionswissenschaften und machte meinen Magister an der Uni Bonn. Gleichzeitig versuchte ich, mich der Göttin auf andere Weise zu nähern; ich fuhr nach Glastonbury, Stonehenge und Avebury und zu anderen vorgeschichtliche Kraftplätzen im In- und Ausland – und 2004 schließlich zum ersten Mal zur Goddess Conference. Ich wusste inzwischen, dass es dort eine Ausbildung zur Priesterin von Avalon gab; so war es meine Absicht, mir diese Priesterinnen anzusehen und zu entscheiden, ob das mein Weg war. Tatsächlich begann ich im selben Jahr mit der Ausbildung, pilgerte die nächsten drei Jahre regelmäßig nach Glastonbury und weihte mich 2007 der Lady von Avalon als ihre Priesterin.3
Diese Ausbildung hat mir großartige Werkzeuge in die Hand gegeben, und es öffnen sich immer neue Wege, neue Werkzeuge, um zu erfahren, wer die Große Göttin ist: Körperarbeit, Tanz, mein eigener Körper, Kunst, meine Kreativität und – immer wieder und immer noch – ihr Land, ihre Elemente und die Begegnung und der Austausch mit anderen Menschen.
All diese Werkzeuge haben mir geholfen, hier in Deutschland die Göttin zu finden, ihr zu begegnen und sie zu erfahren.
Dieses