Hexenzirkel 3: Das Lied des auferstandenen Gottes. R.A. Salvatore. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: R.A. Salvatore
Издательство: Bookwire
Серия: Hexenzirkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966583169
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zurück. »Ich werde meinen Bruder nicht den Geiern überlassen.«

      Tamilee verstand das und sie wollte ihren Freund nicht noch mehr aus der Fassung bringen. Die Geschehnisse hatten sie beide unglaublich mitgenommen. Sie hatten eine schlaflose Nacht im Wald verbracht und sich vor den Eroberern versteckt, die ihn durchstreiften. Doch selbst, als die Feinde abgezogen waren, hatten sie keinen Schlaf gefunden.

      Schließlich lag Asef noch dort auf dem Felsvorsprung. Asef, der wahrscheinlich tot war.

      Sie schlichen zurück in die Schlucht und gingen in Deckung. Denn dort oben entdeckten sie die Usgar, die auf dem obersten Vorsprung stand, ihnen den Rücken zudrehte und den Blick gen Osten richtete.

      Asba hob entschlossen seinen Speer. Für einen Wurf war sie zu weit entfernt, mindestens zwölf Meter über ihnen, aber er suchte sich einen Weg nach oben und setzte sich leise in Bewegung. Tamilee folgte ihm.

      Sie schlichen sich den steilen Hang hinauf, ohne die Usgar aus den Augen zu lassen, bis sie fast nahe genug herangekommen waren, um einen Speerwurf zu wagen.

      Sie schüttelte den Kopf und drehte sich um, erspähte die beiden und sah, wie Asba seinen Speer schleuderte. Er kam ihr nicht einmal nahe, sondern bohrte sich in den Vorsprung unter ihr.

      Tamilee preschte mit langen Schritten an ihm vorbei, sprang und versuchte, die Feindin anzugreifen, bevor die sich von ihrer Überraschung erholen konnte. Mit einem Sprung landete Tamilee auf dem dritten Vorsprung von oben und nahm erneut Anlauf.

      Und bremste scharf ab.

      Denn dort vor ihr, die Füße auf sie gerichtet, lag Asef.

      Die Frau über ihnen brach in Tränen aus. »Ich habe es versucht«, sagte sie flehentlich. »Ich habe es versucht, aber ich …«

      Tamilee taumelte vorwärts und fiel an der Seite ihres Freunds auf die Knie. Sie untersuchte die Wunde und sah, dass sie sich geschlossen hatte, auch wenn die Haut noch immer geschwollen und rot war. Sie richtete den Blick auf Asefs Gesicht, nannte ihn beim Namen und bat um eine Antwort.

      Er war kalt.

      Er war tot.

      Tamilee stieß ein Schluchzen aus. Sie hatte natürlich damit gerechnet, aber so unmittelbar mit der Realität konfrontiert zu werden, war zu viel für die schockierte und mitgenommene Frau.

      Hinter ihr erreichte Asba den Vorsprung und knurrte ungläubig.

      »Ich habe es versucht«, sagte die Usgar über ihnen. »Meine Magie … sie konnte nicht …«

      Asba sprang hoch, packte den Rand des zweiten Vorsprungs und griff nach seinem Speer.

      Die Usgar über ihm sank schluchzend zu Boden.

      Asba holte mit dem Speer aus, aber Tamilee fiel ihm in den Arm. »Usgar-Magie«, sagte sie und zeigte auf die Leiche, die unter dem Überhang lag, auf die freiliegende Wunde, die offensichtlich mit Magie geschlossen worden war.

      »Ich glaube, dass sie es versucht hat«, flüsterte Tamilee.

      Asba stürzte an ihr vorbei und warf sich auf seinen Bruder. Tamilee trat einen Schritt zurück und konfrontierte die Usgar.

      »Wer bist du?«

      »Connebragh …«

      »Wieso bist du hier?«

      »Alle tot«, antwortete die Frau. »Sie haben alle ermordet. Die buntgesichtigen Sidhe-Dämonen.«

      »Dämonen wie die Usgar!«, erwiderte Tamilee.

      Die Frau sackte mitleiderregend zusammen. Tamilee kam es so vor, als würde ihr Rückgrat schmelzen. Sie ließ die Schultern hängen, dann fiel ihr Gesicht in ihre Hände und ein Schluchzen ließ den ganzen Körper erbeben.

      Tamilee umklammerte ihren Speer etwas fester. Sie hob ihn sogar, als wolle sie ihn auf die Frau werfen – sie hätte sie in diesem Moment mühelos töten können.

      Doch dann ließ sie den Speer sinken.

      Asba tauchte hinter ihr auf. Sein Gesicht war rot und verquollen, Tränen strömten über seine Wangen. Er sah zu der Usgar hinauf, dann zu Tamilee, die langsam den Kopf schüttelte.

      »Dann komm herunter«, bellte Asba die Usgar an. »Komm runter und erzähle uns alles, sonst werden wir unsere Speere in dich bohren, dich herunterreißen und umbringen.«

      Die Frau bewegte sich langsam, wie eine Gebrochene. Sie setzte sich auf und drückte den Rücken gerade weit genug durch, dass sie nach unten rutschen konnte. Ihren Speer ließ sie nicht los. Sie ließ den Vorsprung hinter sich und glitt halb schwebend zum nächsten herab. Dann rutschte sie auch zu dessen Kante und ließ sich erneut schwebend fallen. Sie landete vor Tamilee und Asba, hinter denen der tote Asef lag.

      »Ich habe es versucht«, sagte sie schniefend und weinend. »Die ganze Nacht. Ich konnte es nicht. Ich konnte es nicht.«

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       Rufbekämpfung

      »Wir müssen in der Nähe des Sees bleiben«, sagte Talmadge zu Aydrian. Sie bildeten die Vorhut der Flüchtlingsgruppe, die an diesem Morgen das Ayamharas-Plateau endlich hinter sich gelassen hatte. Aydrian und Talmadge waren vorangegangen, vorbei am Hügelland östlich ihres Abstiegs und hatten das Ufer des großen Sees erreicht, der durch den gewaltigen Spalt im Gebirge entstanden war. Er dehnte sich weit nach Süden aus und reichte im Osten bis zum Horizont.

      »Da gibt es keine Deckung«, sagte Aydrian. Er strich sich mit den Fingern durch die schwarzen lockigen Haare, dann schirmte er seine Augen mit der Hand ab und spähte gen Osten.

      »Aber es gibt dort Nahrung und Wasser und wir werden beides brauchen, wenn wir es schaffen wollen, so viele Leute lebend durch die Wüste zu bringen«, entgegnete Talmadge. Er war größer als Aydrian, aber viel schlaksiger und bei Weitem nicht so beeindruckend wie der im Exil lebende König von Honce-der-Bär. Aydrian hatte für den Ausflug zum Auskundschaften der Gegend auf seine leuchtende Brustplatte verzichtet, war aber immer noch wesentlich breiter als Talmadge, mit festen Muskeln, die er einem jahrelangen harten Training verdankte. »Aber ich verstehe deine Bedenken«, fügte der Grenzbewohner hinzu. »Ginge es nur um uns beide …«

      Aydrian drehte sich um und sah ihn an. »Wenn sie uns am Seeufer entdecken und ausrücken, wo sollen wir uns dann verstecken?«

      »Wir sind weit weg von ihnen.«

      »Sind wir auch weit weg von ihrem fliegenden Drachen?«

      Diese Frage konnte Talmadge nicht beantworten.

      »Vielleicht hätten wir der Usgar-Hexe den Fernsichtkristall nicht überlassen sollen«, fügte Aydrian hinzu. »Es wäre gut, wenn wir einen Blick zurück auf unsere Feinde werfen und uns auch das andere Ufer dieses neuen Sees genauer anschauen könnten. Vielleicht ist dort ein Fluss entstanden, den wir mit Booten befahren können.«

      »Aoleyn wird zurückkehren«, sagte Talmadge fest und starrte zu dem gewaltigen Plateau hinauf. »Sie muss.«

      Aydrian musterte ihn und wartete, bis der Mann seinen Blick erwiderte, dann nickte er knapp. »Wenn du ihr vertraust, dann vertraue ich ihr auch«, sagte er. »Ich hoffe, dass sie bald zurückkehrt. Es wäre gut, mehr zu erfahren.« Er machte sich auf den Rückweg und fügte resignierend hinzu: »Wir können nicht länger warten.«

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      Aoleyn blieb meistens dicht am Boden, bewegte sich mit beinahe schwerelosen Hüpfern voran, für die sie den Malachit benutzte, anstatt sich vom Mondstein durch die Lüfte tragen zu lassen. Der Abstieg vom Nordrand des Abgrunds wirkte auf den ersten Blick simpel, aber die Pfade am Berghang verästelten sich immer weiter, je tiefer sie kam.

      Sie