Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred Bomm
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839267288
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Himmel hell geworden – waren die beiden Gangster, denen er im Wohnzimmer gegenübersaß, unruhiger geworden. Der falsche Polizist nickte seinem Komplizen zu, was dieser als Zeichen für den Aufbruch deutete. »Sie fahren«, forderte er den Bankdirektor auf. Seifritz wischte sich trotz des frühen Morgens Schweiß von der Stirn. Er müsse sich noch frisch machen und etwas anderes anziehen, erklärte er, denn er könne unmöglich in diesem Zustand in der Bank auftauchen.

      Bewacht von einem der Räuber rasierte er sich flüchtig, warf sich Wasser ins Gesicht und putzte die Zähne. Beim Blick in den Spiegel erschrak er über sein Äußeres. Die Spuren der Horrornacht waren deutlich zu sehen.

      »Wir gehen ganz unauffällig raus«, erklärte der falsche Polizist. Und immer wieder die Drohung, zwar ruhig ausgesprochen, aber unmissverständlich: »Denken Sie an Ihre Tochter.«

      Die Wohnstraße lag noch immer still in der Frische des kühlen Märzmorgens, als sie das Haus verließen. Der falsche Polizist hielt seine Uzi – die kompakte Maschinenpistole eines israelischen Herstellers – in der Aktentasche verborgen, was ihm beim Einsteigen hinten links in den Mercedes 280 SE einige Verrenkungen abverlangte. Sein Komplize hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Seifritz steckte mit zitternder Hand den Zündschlüssel ins Schloss und fuhr los. Hinter den Fenstern einiger der benachbarten Villen brannte zwar Licht, aber nirgendwo hatte jemand bemerkt, dass soeben eines der größten Bankraub-Verbrechen Deutschlands in die entscheidende Phase ging.

      5

      Auf der nur knapp einen Kilometer langen Wegstrecke von der Wohnung zur Hauptstelle der Kreissparkasse hatte Seifritz Mühe, sich auf das morgendliche Verkehrsgeschehen in der Innenstadt zu konzentrieren. Beinahe hätte er eine rote Ampel übersehen, worauf ihn der falsche Polizist neben ihm lautstark aufmerksam machte. »Halt – da ist rot.«

      »Versuchen Sie ja nicht, einen Unfall zu provozieren«, kam die Stimme des anderen von hinten. »Denken Sie an Ihre Tochter.«

      Seifritz, für den es nichts Ungewöhnliches war, lange vor Geschäftsbeginn im Bankgebäude zu erscheinen, steuerte den großen Wagen in die schmale Einfahrt der Tiefgarage hinab, schob die Parkkarte in den Automaten und ließ die Schranke hochgleiten.

      »Sie parken dort, wo Sie immer parken«, befahl der Mann mit dem grünen Polizeianorak auf dem Beifahrersitz. Noch immer trugen die Gangster ihre Sonnenbrillen, die sie auch während der Nacht nie abgenommen hatten. Eine Reihe von Leuchtstoffröhren flammte auf, als sie das zweite Untergeschoss erreichten und Seifritz an seinem angestammten Platz parkte.

      Die Männer hatten sich in der vergangenen Nacht die Situation im Gebäude exakt schildern lassen und sich sogar den Namen der Chefsekretärin eingeprägt. Demnach gelangte man von der Tiefgarage über das Treppenhaus ins zweite Obergeschoss, wo sich das Büro des Direktors befand. Noch begegneten sie auf dem Weg dorthin niemandem. Seifritz ging durchs menschenleere Vorzimmer und betrat, bewacht von seinen Peinigern, verunsichert sein Büro, das von der Größe her einem verantwortlichen Banker durchaus alle Ehre machte und eine Besucherecke samt lederner Sitzgarnitur aufwies.

      Die beiden Räuber sahen sich prüfend um, als wollten sie sichergehen, von keiner Alarmeinrichtung erfasst zu werden. Seifritz sank unterdessen auf seinen Schreibtischsessel, während die Gangster seelenruhig auf der Couch am Besprechungstisch Platz nahmen und ihre Forderung nach fünf Millionen bekräftigten. Seifritz wiederholte, was er die ganze Nacht über beteuert hatte: dass so viel Geld nicht im Tresor lagere und auch nicht unauffällig zu beschaffen sei. Auf die Schnelle könne man allenfalls ein paar 100.000 Mark bei der Landeszentralbank ordern, wie dies jeden Morgen üblich sei.

      Doch die Räuber, die bereits in der Nacht von diesen Gepflogenheiten erfahren hatten, blieben hartnäckig. »Dann lassen Sie sich halt etwas einfallen. Sie sind der Chef hier«, gab der Uniformierte gelassen zu verstehen.

      Seifritz schloss für einen Moment die Augen. Marion. Er sah ihr ängstliches Gesicht, wie sie ihn heute Morgen angeschaut hatte, als sie weggebracht worden war. Wie sie geheult und gefleht hatte. Nein, er hatte natürlich gar keine andere Wahl, als das Geld zu beschaffen. »Blutbad«, dröhnte es wieder durch seinen Kopf. Sie hatten gestern Abend von einem Blutbad gesprochen, von Bomben in der Schalterhalle, von einem Aufpasser, der von der anderen Straßenseite, vom Bahnhof aus, das Bankgebäude beobachten werde.

      Dann beunruhigte ein Geräusch aus dem Nebenraum die beiden Täter. »Wer ist das?«, wollte der Uniformierte wissen, der Seifritz’ Aktentasche auf dem Schoß hielt, während der andere erschrocken aufsprang.

      »Meine Sekretärin, die Frau Rüger«, beruhigte Seifritz. »Wir werden das vor ihr nicht geheim halten können.«

      »Denken Sie an Ihre Tochter«, mahnte der zivil gekleidete Mann und setzte sich wieder.

      Kaum hatte er es gesagt, ging ohne ein vorheriges Klopfzeichen die Tür auf, und eine Frau mittleren Alters hielt überrascht in der Bewegung inne. Ihr Blick war nur auf den Uniformierten gefallen, der links von ihr auf der Couch saß. Für einen Augenblick dachte sie, ihr Chef habe einen verkehrspolizeilichen Verstoß begangen und sei mit einem Strafzettel konfrontiert worden. Sie machte kehrt, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

      Aber schon Sekunden später ertönte an ihrem Telefon der sogenannte »Sekretärinnenruf«: Ihr Chef bat sie mit gedämpfter Stimme in sein Büro zurück. Energisch, wie sie sein konnte, trat sie erneut ein – und wurde sich der merkwürdigen Situation sofort bewusst: Der Uniformierte, den sie zuvor als Polizisten wahrgenommen hatte, trug eine Sonnenbrille und einen Vollbart. Noch während sie auch den anderen Mann anstarrte, der ebenso seltsam aussah, jedoch zivil mit einem Trenchcoat bekleidet war, erklärte Seifritz schnell: »Die Herren sehen zwar aus, als wenn sie von der Polizei wären, aber dem ist nicht so.« Den Hinweis, sie verlangten für die entführte Tochter fünf Millionen D-Mark Lösegeld, konterte die Sekretärin spontan: »Aber so viel Geld haben wir doch nicht.« Ihr erster Schock war einer gewissen Wut gewichen. Wut und Zorn darüber, dass es die Gangster gewagt hatten, die Tochter ihres Chefs zu kidnappen. »Sie sind doch Verbrecher«, brach es wütend aus ihr heraus, aber gleichzeitig überkam sie ob der eigenen Courage die Angst, diese angespannte Atmosphäre könnte außer Kontrolle geraten. Denn der falsche Polizist hatte in der Aktentasche ihres Chefs eine Maschinenpistole verborgen gehalten, mit der er nun drohend herumfuchtelte.

      Für Karin Rüger ein Anblick, der ihr etwas in Erinnerung rief, das mehr als 20 Jahre zurücklag. Plötzlich tauchten Bilder auf, die noch tief in ihrem Unterbewusstsein steckten. Bilder, die sich im jugendlichen Alter beim Lesen ihres ersten Kriminalromans geformt hatten. Es war um einen Banküberfall gegangen, bei dem die Räuber alle Beteiligten erschossen hatten.

      Mit einem Mal schien diese Szene lebendig zu werden: Schießerei, Maschinenpistole, zuckte es durch ihren Kopf. Und hier drinnen waren sie von Betonwänden umgeben. Querschläger? Ein panisches Gedankenkarussell. Ohne lange zu überlegen, herrschte sie den Uniformträger an: »Fuchteln Sie nicht mit diesem Ding rum.«

      Der Angesprochene war über diese unerwartete Reaktion konsterniert. »Da geht kein Schuss los«, erwiderte er missmutig. »Aber damit Sie beruhigt sind, pack ich’s wieder ein.« Er steckte die Waffe zurück in die Aktentasche.

      Seifritz hatte das kurze Wortgefecht am Schreibtisch sitzend verfolgt. Seine Sekretärin beobachtete mit Sorge, wie nervös und unruhig er geworden war. »Wollen Sie einen Whisky?«, fragte sie, um die gereizte Atmosphäre zu dämpfen. Seifritz nickte und ließ sich einen Johnny Walker eingießen, dessen Aufbewahrungsort in seinem Büro Frau Rüger genau kannte. Unterdessen beteuerte Seifritz immer wieder, keine fünf Millionen D-Mark besorgen zu können, weil ein solch hoher Betrag gar nicht im Hause aufbewahrt werde.

      »Ich kann allein kein Geld besorgen«, stellte er nach einem Schluck Whisky klar und schlug vor, seinen Stellvertreter zu holen.

      »Tun Sie das nicht«, mischte sich seine Sekretärin ein. »Je mehr Personen hier auftauchen, desto unübersichtlicher wird die Lage«, gab sie zu bedenken, als wie zur Bekräftigung ihrer Worte Geräusche aus dem Nebenraum die bewaffneten Männer erneut in Unruhe versetzten.

      »Das ist meine junge Kollegin, die gerade gekommen ist«,