Das Raunen und Tuscheln der Wüste. Bell Gertrude Lowthian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bell Gertrude Lowthian
Издательство: Bookwire
Серия: Die kühne Reisende
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783843805230
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VON HAMA NACH APAMEA XI VON APAMEA NACH ALEPPO XII VON ALEPPO NACH BASUFAN XIII VON BASUFAN NACH ANTIOCHIA XIV ANTIOCHIA

       GLOSSAR

      EINLEITUNG

      »Engländerinnen sind sonderbar.

      Es gibt auf der Welt vermutlich

      keine größeren Sklaven der Konventionalität als sie,

      aber wenn sie mit ihr brechen, dann ganz und gar.«

       The New York Times (in einem Artikel über Gertrude Bell)

      Gertrude Bell, heißt es, sei eine für ihre Zeit überaus ungewöhnliche Frau gewesen. Das ist nicht ganz zutreffend: Gertrude Bell war ein überaus ungewöhnlicher Mensch – und das wäre sie auch heute noch.

      Sie war aus dem Stoff, aus dem man im Europa des 19. Jahrhunderts Abenteurer und Forscher machte: hochintelligent, wissensdurstig, draufgängerisch, furchtlos, zielbewusst, ehrgeizig, energisch, selbstsicher und sehr wohlhabend. Außerdem, und das ist nicht gering zu schätzen, hatte sie eine eiserne Kondition. Aber sie war eben auch eine Frau. Das machte ihre Zeitgenossen im viktorianischen England ratlos und führte zu Bemerkungen wie der, sie sei »eine bemerkenswert kluge Frau mit dem Verstand eines Mannes«. Es ist nicht sicher, ob das als Kompliment gemeint war.

      Als sie 1868 in eine der reichsten und fortschrittlichsten Familien Englands hineingeboren wurde, schien ihr Lebensweg als höhere Tochter vorgezeichnet: Eine nicht allzu anspruchsvolle Schulbildung, eine standesgemäße Heirat, dann Kinder, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Enkel. Bald aber zeigte sich, dass Gertrude kein fügsames Mädchen war, sondern wild, sportlich, kratzbürstig und sehr wissbegierig. Da ihre Eltern sehr modern dachten, durfte sie, gegen die damaligen Gepflogenheiten, mit fünfzehn Jahren das Mädchen vorbehaltene Queen’s College in London besuchen. In Briefen nach Hause beschwerte sie sich, dass sie nicht allein ins Museum gehen dürfe (»Wäre ich ein Junge, ginge ich jede Woche«), und ihre Zeit mit albernen Handarbeits- und Klavierstunden vertue, wo es doch so viel Wichtiges zu lesen und lernen gebe.

      Sie wollte, wie sie ihrem Vater schrieb, »wenigstens eine Sache von Grund auf wissen und können. Dieses dilettantische Lernen bin ich leid. Ich möchte mich ganz in etwas vertiefen.« Und so begann sie als Siebzehnjährige in Oxford zu studieren, das Frauen in den Vorlesungen nur als Gasthörerinnen duldete und ihnen keine akademischen Grade verlieh. Dennoch schloss sie das Studium der Neueren Geschichte in zwei statt drei Jahren ab und das als erste Frau in Oxfords Geschichte mit der höchsten Auszeichnung. Sie sollte in ihrem Leben noch oft »die erste« oder »die einzige Frau« sein, schließlich wurde sie sogar zur mächtigsten Frau ihrer Zeit.

      Es ist vielleicht verständlich, dass ein Ausnahmetalent wie sie andere Frauen »uninteressant« fand, und auf die »netten kleinen Ehefrauen« herabsah. Ab 1908 kämpfte sie aktiv gegen das Frauenwahlrecht, weil sie meinte, dass Frauen nicht politisch denken können, und die Suffragetten in der Wahl ihrer Kampfmittel vulgär fand. Der eigentliche Grund dieser Gegnerschaft war allerdings, dass sie den Standpunkt und die Privilegien ihrer eigenen Klasse vertrat: Damals durften in England nur reiche Männer wählen, darum hätte das Wahlrecht für Frauen auch allen besitzlosen Männern das Wahlrecht beschert.

      Nach dem Examen in Oxford war es das Wichtigste für die Zwanzigjährige, einen standesgemäßen Ehemann zu finden. Doch all ihre Vorteile – sie hatte grüne Augen und rotblondes Haar, war elegant und lebhaft, konnte schwimmen, fechten, rudern, spielte Tennis und Hockey –, wogen einen gravierenden Makel nicht auf: Sie galt als »Oxfordy«, also zu gebildet und zu selbstbewusst, ja überheblich. Das verdarb sie so gründlich für den Heiratsmarkt, dass selbst ihre große Mitgift nichts auszurichten vermochte. Keiner hielt um ihre Hand an, es sollte nicht erstaunen, wenn sie möglichen Kandidaten deutlich gezeigt hätte, wie langweilig sie sie fand.

      Unmittelbar nach dem Abschluss in Oxford reiste sie in Begleitung einer Verwandten nach Bukarest, wo ein Onkel Botschafter war, und besuchte von dort aus Konstantinopel. Reisen gefiel ihr offenbar sehr, denn kaum hatte sie drei Londoner Ballsaisons absolviert, ohne sich verlobt zu haben, fuhr sie 1893 nach Teheran, wohin der Onkel inzwischen versetzt worden war. Dort verliebte sie sich in den Diplomaten Henry Cadogan, doch ihre Eltern verboten die Heirat, weil der junge Adlige mittellos, hoch verschuldet und überdies spielsüchtig war. Gegen ihren Vater lehnte Gertrude Bell sich niemals auf, und sie gehorchte auch hier. Das Paar beschloss zu warten, bis Cadogan im diplomatischen Dienst aufgestiegen und eine akzeptable Partie geworden war. Doch kaum ein Jahr später starb er an den Folgen eines Unfalls.

      Gertrude war sehr unglücklich nach London zurückgekehrt, aber Teheran hatte sie begeistert. Sie konnte schon so gut Persisch, dass sie die Gedichte des Dichters Hafiz ins Englische übersetzte, und sie schrieb ein Buch über Teheran, Persian Pictures, das 1894 zunächst anonym erschien.

      In den folgenden Jahren lernte sie Deutsch und Französisch und beschäftigte sich intensiv mit Archäologie, sie lebte mehrere Monate in Berlin, 1897 und 1902/03 machte sie mehrmonatige Weltreisen, die erste mit ihrem Bruder Maurice, die zweite mit ihrem Bruder Hugo.

      1899 begann sie die Erregung der Gefahr zu suchen. Sie wurde eine der bedeutendsten Alpinistinnen ihrer Zeit, die 2633 Meter hohe Gertrudspitze im Berner Oberland ist nach ihr benannt. Ihren ersten Berg, den 3.983 Meter hohen La Meije, bestieg sie in Unterwäsche, weil sie keine Hosen hatte und der bodenlange Wollrock sie zu sehr behinderte. 1901 harrte sie mit ihren beiden Bergführern in einem Schneesturm dreiundfünfzig Stunden angeseilt auf einem Felsvorsprung aus, im August 1904, kurz nach ihrem 36. Geburtstag, bestieg sie das Matterhorn. Danach kletterte sie nur noch gelegentlich.

      1899 besuchte sie den deutschen Generalkonsul Friedrich Rosen und seine Frau Nina in Jerusalem. Sie kannte die beiden aus Teheran, wo sie Gertrude für die persische und arabische Kultur, die Wüste und den Orient begeistert hatten. Nun halfen sie ihr, als sie im März 1900 ihre ersten mehrtägigen Ausflüge in die Wüste unternahm – allein, nur von einigen Dienern begleitet. Auf dem Weg wurde sie zweimal von schwer bewaffneten Beduinen bedroht, was sie in ihrem Journal mit dem Satz kommentierte: »Glaube nicht, dass ich je so einen großartigen Tag erlebt habe.«

      Sie war der Wüste, ihren Menschen, dem Orient und seiner Geschichte verfallen, und sie begann, Arabisch zu lernen. Vielleicht hatte sie erkannt, dass sich einer wohlhabenden, kühnen und unverheirateten Frau dort Möglichkeiten und Freiheiten boten, die in England undenkbar waren: In London gab es für Unverheiratete wie sie nur die Rolle der netten Tante ihrer Neffen und Nichten. Im Orient hingegen konnte sie so unabhängig und selbstbestimmt leben, wie sie es als Studentin erträumt hatte.

      Sie sehnte sich nach einem sinnvollen Lebensinhalt, nach Neuem, nach Wissen und auch nach Gefahr. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie im Orient forschen und zugleich in London eine Familie haben können, die auf sie wartete. Als Frau war ihr das verwehrt, und einen Beruf gab es für jemanden wie sie nicht. Das bedeutete auch, dass sie ein Leben lang von ihrem Vater finanziell