Das Raunen und Tuscheln der Wüste. Bell Gertrude Lowthian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bell Gertrude Lowthian
Издательство: Bookwire
Серия: Die kühne Reisende
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783843805230
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die Hände in die Wärme, die Unterhaltung wurde ohne Unterbrechung geführt, denn es waren nur Männer der Sherarat, die heruntergekommen waren, um in Moab Korn zu kaufen. Die Sherarats sind zwar einer der größten und mächtigsten Stämme und die berühmtesten Kamelzüchter, aber sie haben schlechtes Blut, kein Araber aus der Belka würde sich durch Heirat mit ihnen verbinden. Sie haben keine festen Weideplätze, selbst während der Sommerdürre ziehen sie durch die innere Wüste, dabei ist es ihnen gleichgültig, wenn sie mehrere Tage hintereinander kein Wasser haben. Das Gespräch an Nahars Feuer drehte sich um meine Reise. Ein Neger der Sukhur, ein gewaltiger Mann mit klugem Gesicht, wollte mich gern als Führer ins Drusengebirge begleiten, räumte aber ein, dass er umdrehen und fliehen müsse, sobald er das Gebiet dieser tapferen Bergbewohner erreicht habe, die Drusen und die Beni Sakhr lagen immer im Streit miteinander. Die Negersklaven der Sukhur werden von ihren Herren gut behandelt, denn die kennen ihren Wert, und sie genießen in der Wüste einen guten Ruf, weil etwas vom Glanz des großen Stammes, dem sie dienen, auch auf sie fällt. Ich war halb geneigt, sein Angebot zu akzeptieren, auch wenn das bedeutet hätte, dass ich mich beim ersten Drusendorf eventuell um einen toten Neger würde kümmern müssen, als meine Überlegungen durch die Ankunft eines weiteren Gastes unterbrochen wurden. Es war ein junger Mann, hoch gewachsen, mit schönem, zarten Gesicht, der Teint fast weiß, die langen Locken fast braun. Als er sich näherte, erhoben sich Nahar und die anderen Scheiche der Sukhur, um ihn zu begrüßen, bevor er das Zelt betrat, küsste ihn jeder auf beide Wangen. Auch Namrud stand auf und rief ihm entgegen:

      »Alles gut? Gebe es Gott! Wer ist bei dir?«

      Der junge Mann hob die Hand und sagte:

      »Gott.«

      Er war allein.

      Ohne der übrigen Gesellschaft größere Beachtung zu schenken, musterte er kurz die drei Scheiche der Sherarat, die am Eingang saßen, wo sie Hammel und Joghurt aßen, sowie die fremde Frau am Feuer, dann ging er mit einer gemurmelten Begrüßung in den hinteren Bereich des Zeltes. Nahars Frage, ob er essen möchte, verneinte er. Der junge Mann war Gablan, er stammte aus der Herrscherfamilie der Da’ja und war ein Verwandter des regierenden Scheichs. Er hatte, wie ich später erfuhr, gehört, dass Namrud für einen Fremden einen Führer brauchte, Neuigkeiten reisen in der Wüste schnell, und war gekommen, um mich zum Zelt seines Onkels zu bringen. Keine fünf Minuten nach seiner Ankunft flüsterte Nahar Namrud etwas zu, daraufhin neigte dieser sich zu mir und sagte, da wir bereits gegessen hätten, sollten wir jetzt zusammen mit Gablan aufbrechen. Es überraschte mich, dass diese Abendgesellschaft ein so jähes Ende nehmen sollte, war aber klug genug, nicht zu widersprechen, und als wir über Namruds Felder und die Hügel von Tneib galoppierten, erfuhr ich den Grund. Die Da’ja und die Sherarat waren auf den Tod verfeindet. Gablan hatte mit einem Blick die Herkunft der anderen Gäste erkannt und sich schweigend in die Tiefen des Zeltes zurückgezogen. Er würde unter keinen Umständen vom selben Hammelgericht essen wie sie. Nahar erkannte (wer hätte das nicht?), wie heikel die Situation war, wusste aber nicht, wie die Männer der Sherarat sie deuteten. Und so hatte er uns, aus Angst vor einem Unglück, fortgeschickt. Am folgenden Morgen hatte sich die Atmosphäre (metaphorisch, nicht buchstäblich) geklärt, aufgrund des strömenden Regens saßen die Todfeinde den ganzen Tag in der Höhle, friedlich um Namruds Kaffeetopf versammelt.

      Der dritte Regentag war mehr, als die menschliche Geduld ertragen konnte. Ich hatte bereits vergessen, was es hieß, nicht klamm zu sein, warme Füße und trockenes Bettzeug zu haben. Gablan war am Morgen eine Stunde lang bei mir, um zu erfahren, was ich von ihm erhoffte. Ich erklärte, dass ich mir nichts anderes wünschte, als dass er mich durch die Wüste führen und zum Fuß der Berge bringen werde, ohne dass ich einen Militärposten zu Gesicht bekam. Gablan dachte einen Augenblick lang nach.

      »Verehrte Lady« sagte er dann, »glaubt Ihr, Ihr werdet mit Soldaten in Konflikt geraten? Denn dann nehme ich mein Gewehr mit.«

      Ich antwortete, dass es nicht meine Absicht sei, der gesamten Kavallerie des Sultans den offenen Krieg zu erklären, sondern vielmehr hoffte, ein solches Zusammentreffen mit etwas Vorsicht vermeiden zu können. Aber Gablan war der Ansicht, eine Kugel beflügelte jedes Vorhaben und beschloss, das Gewehr aufjeden Fall mitzunehmen.

      Da ich am Nachmittag nichts anderes zu tun hatte, sah ich zu, wie die Sherarat von Namrud Korn kauften. Sah man davon ab, dass ich gar nicht dorthin passte, und dass seither mehrere tausend Jahre vergangen waren, dann hätten diese Männer auch die Söhne Jakobs sein können, die nach Ägypten gekommen waren, um sich mit ihrem Bruder Joseph über das Gewicht eines Sacks Getreide zu zanken. Das Getreide lagerte in einer trockenen, in den Fels gehauenen Zisterne, aus der es, wie Wasser, in goldgelb gefüllten Eimern heraufgezogen wurde. Zur besseren Konservierung wurde es mit der Spreu aufbewahrt, daher musste es als erstes am Beckenrand gesiebt werden, was nicht ohne wortreiche und zornige Diskussionen ablief. Nicht einmal die Kamele waren still, sobald die Araber sie mit den vollen Säcken beluden, beteiligten sie sich mit Grunzen und Blöken am Streit. Die Scheiche der Sukhur und der Sherarat saßen im Nieselregen auf Steinen, murmelten, »Gott! Gott!«, riefen »Er ist gnädig und barmherzig!« Nicht selten wurde gesiebtes in ungesiebtes Korn zurück geschüttet, dann entstand eine Szene wie die folgende:

      Namrud: »O nein! O nein! Unglückseliger Knabe! Möge dein Haus zu Staub zerfallen! Möge das Unglück dich heimsuchen!«

      Beni Sakhr: »Beim Angesichte aller Propheten Gottes! Gelobt sei sein Name!«

      Sherarat (in gedämpftem Chor): »Bei Gott! und bei Mohammed, seinem Propheten! Friede sei mit ihm!«

      Eine barfüßige, in Schaffelle gehüllte Person: »Kalt, o je so kalt! Wallah! Regen und kalt!«

      Namrud: »Schweige, Bruder! steig ins Becken hinunter und zieh das Getreide hoch. Dort ist es warm.«

      Beni Sakhr: »Gelobet sei Gott der Allmächtige!«

      Chor der Kamele: »B-b-b-b-b-b-dd-Gru-u-u-u-nzzz.«

      Kameltreiber: »Seid still, Verfluchte! möget ihr im Schlamm stürzen! Möge Gottes Zorn auf euch herabregnen!«

      Sukhur (alle zusammen): »Gott! Gott! Beim Lichte seines Angesichts!«

      In der Abenddämmerung ging ich zum Zelt meiner Leute. Dort fand ich Namrud vor, er zischte Mordpläne in das Feuer, auf dem mein Abendessen köchelte.

      »Als ich noch jung war«, sagte er (das war nicht lange her), »konnte man den Ghor nicht in Frieden durchqueren. Aber ich hatte ein Pferd – Wallah! was konnte das Pferd laufen! Es brachte mich zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang von Mezerib nach Salt, immer im gleichen Schritt. Und ich war mit den Ghawarny (den Bewohnern des Ghor) gut bekannt. Einmal musste ich im Sommer nach Jerusalem – ich hatte keine Wahl! Ich musste also reiten. Der Jordan war niedrig, ich ging durch eine Furt, damals gab es noch keine Brücken. Als ich am anderen Ufer war, hörte ich Schreie und das Pfeifen von Kugeln. Ich versteckte mich über eine Stunde lang in den Tamariskenbüschen, erst als der Mond tief stand, ritt ich leise weiter. Aber da, wo die Erdharzgruben anfangen, scheute mein Pferd, ich blickte zu Boden, auf dem Pfad lag ein Mann, nackt und von Messerstichen übersät. Er war sehr, sehr tot. Und wie ich so auf ihn hinab sehe, preschen sie aus den Erdharzgruben auf mich zu, zehn Reiter, und ich allein. Ich flüchte in das Dickicht und feure meine Pistole ab, zwei Mal, aber sie umringen mich, werfen mich vom Pferd, fesseln mich, dann setzen sie mich wieder aufs Pferd und führen mich fort. Und als sie an ihrem Rastplatz ankommen, beraten sie, ob sie mich jetzt töten sollen, und einer sagt: ›Wallah! machen wir ein Ende.‹ Er kommt näher und sieht mir ins Gesicht, es dämmerte schon. Und er sagt: ›Das ist Namrud!‹.

      Er kannte mich, ich war ihm einmal zu Hilfe gekommen. Da banden sie mich los und ließen mich gehen, und ich ritt nach Jerusalem.«

      Eine Geschichte folgte der anderen, die Maultiertreiber und ich lauschten mit atemloser Spannung.

      »Die Araber haben gute Sitten und schlechte Sitten«, sagte Namrud, »aber es gibt viele gute. Wenn sie zum Beispiel eine Blutfehde beenden wollen, kommen die Feinde im Zelt dessen zusammen, dem Unrecht zugefügt wurde. Der Herr des Zeltes zieht sein Schwert, wendet sich nach Süden und malt einen Kreis in den Sand, dabei ruft er Gott