Oval. Elvia Wilk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elvia Wilk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966390316
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       OVAL

       ELVIA WILK

      aus dem Amerikanischen von Julia Wolf

      Das vorliegende Werk ist reine Fiktion. Sämtliche Figuren, Organisationen und Handlungen, die in diesem Roman dargestellt werden, sind frei erfunden.

      Das Original erschien unter dem Titel Oval

      bei Soft Skull Press, New York.

      © 2019 by Elvia Wilk

      Erste Auflage

      © 2020 by Secession Verlag Berlin

      Alle Rechte vorbehalten

      Übersetzung: Julia Wolf

      Lektorat: Christian Ruzicska,

      unter Mitarbeit von Stela Knezevic und Jannik Schäfer

      Korrektorat: Peter Natter

       www.secession-verlag.com

      Typografische Gestaltung: Ferdinand Ulrich, Berlin

      Satz: Marco Stölk, Berlin

      Herstellung: Daniel Klotz, Berlin

      ISBN 978-3-96639-030-9

      eISBN 978-3-96639-031-6

      Für meine Freunde

      Inhalt

       ERSTER TEIL

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       ZWEITER TEIL

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Kapitel 21

       Kapitel 22

       Danksagung

ERSTER TEIL

      Geraten Menschen, von denen konventioneller Weise angenommen wird, dass sie einander lieben, in Streit, wünschte ich, sie würden zueinander sagen: »Etwas weniger Liebe, bitte, und etwas mehr Anstand.«

      Kurt Vonnegut

       1

      Nach dem Tod übernimmt die Bürokratie. Vorbereitungen für die Beerdigung müssen getroffen, Konten aufgelöst, Versicherungen ausbezahlt werden. Unbezahlte Steuern. Unbeglichene Schuld. Manche Menschen empfinden die Flut an Papierkram als eine zusätzliche, unerträgliche Verantwortung. Anderen hilft der Ansturm, ihre Trauer zu ersticken. Louis, hatte Anja entschieden, gehörte eindeutig zur letzteren Sorte.

      Er redete von nichts anderem mehr als Bürokratie. Während er weg war, bestand die einzige Information, die er ihr zukommen ließ, in einer Reihe von Nachrichten, die die logistischen Vorgänge postmortem schilderten: Er war beim Anwalt, schon wieder. Er war beim Kistenpacken. Dann war er unterwegs, mehr Sprite und Kräcker für die Rentner kaufen. Emoji, Emoji. Er gab der Zeitverschiebung die Schuld, dass er keinen Moment fand, um zu telefonieren.

      Das letzte Mal hatte sie seine Stimme gehört, als er sie zwei Wochen zuvor aus der Abflughalle des Flughafens Berlin-Brandenburg angerufen hatte, um ihr die Neuigkeiten mitzuteilen. Seine Mutter, tot. Seine Stimme hatte so unbekümmert geklungen, dass sie ihn gefragt hatte, ob er Witze machte. Offenbar hatte er einen Flug in die USA gebucht und war von der Arbeit direkt zum Flughafen gefahren – und all das, ohne seine Freundin vorher anzurufen. Anja war sicher, dass er unter Schock stand. Sie war es, die weinend zusammengebrochen war, als er angerufen hatte.

      Er hatte ihr erst mitgeteilt, dass er nach Berlin zurückkommen würde, als er schon am Flughafen von Indianapolis war. Eine SMS mit nichts weiter als seiner Ankunftszeit und Herzchen zwischen den Ziffern.

      Anja wartete auf ihn, als sein Flieger am frühen Nachmittag landete. Die Ankunftshalle mit ihrer Glasdecke fühlte sich wie ein beengtes Gewächshaus oder das Innere eines leeren Parfumflakons an, in dem ein fauliger Dunst festhing. Um sie herum fielen sich Familienmitglieder in die Arme, Erasmus-Studenten kehrten von ihren Auslandsaufenthalten zurück, Partytouristen ohne Gepäck suchten nach dem Bus, der sie bis kurz vor die Türen eines Clubs bringen würde.

      Anja erschrak, wie schlecht Louis aussah, als er aus der Menschenmasse hervortrat. Sein Äußeres stand im Gegensatz zu der Nonchalance seiner Textnachrichten; er sah elend aus. Er machte keine Witze, um seinen Zustand zu überspielen, umarmte sie nur schwach, nahm ihre Hand und folgte ihr zum Taxistand.

      Auf der Rückbank des Taxis lehnte er den Kopf an ihre Schulter und zeigte ihr auf dem iPad, von dem er sagte, er hätte es geerbt, ein Spiel, bei dem Früchte durch die Gegend geschleudert wurden. Das Tablet schien der einzige neue Gegenstand zu sein, mit dem er heimgekehrt war.

      Der Fahrer setzte sie am Fuß von The Berg ab und entschuldigte sich: Es war zu schlammig, als dass er hätte weiterfahren können. Die Seilbahn, die sie eigentlich hinaufbefördern sollte, siechte noch immer leblos im Dreck neben dem Pfad, wo sie schon gelegen hatte, als sie eingezogen waren. Anja half Louis, seinen Rollkoffer den gewundenen Pfad hinauf zu schleppen, wuchtete ihn über größere Steine und Pfützen.