Die Zeitmaschine. Herbert George Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961184057
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der vier Dimensionen gearbeitet habe. Einige meiner Resultate sind sonderbar. Hier, zum Beispiel, sehen Sie das Porträt eines Mannes im Alter von acht, ein zweites im Alter von fünfzehn, ein drittes im Alter von siebzehn, ein viertes im Alter von dreiundzwanzig Jahren, und so weiter. All das sind offenbar gleichsam Lektionen, dreidimensionale Darstellungen seines vierdimensionalen Seins, das ein festes und unveränderliches Ding ist.«

      »Wissenschaftler«, fuhr der Zeitreisende nach einer Pause fort, wie sie zur rechten Assimilation seiner Worte erforderlich war, »wissen recht gut, daß die Zeit nur eine Art von Raum ist. Hier sehen Sie eine beliebte wissenschaftliche Rißzeichnung, einen Wetterbericht. Diese Linie, der ich mit meinem Finger folge, zeigt die Bewegungen des Barometers. Gestern stand es so hoch, gestern abend ist es gefallen, heute morgen wieder gestiegen und dann langsam bis hier herauf. Das Quecksilber hat doch diese Linie in keiner der allgemein anerkannten Raumdimensionen gezogen? Aber sicherlich hat es eine solche Linie gezogen, und diese Linie, müssen wir also folgern, lief die Zeitdimension entlang.«

      »Aber«, sagte der Arzt, indem er eine Kohle im Feuer scharf fixierte, »wenn die Zeit wirklich nur eine vierte Raumdimension ist, wie kommt es, daß man sie als etwas anderes ansieht und immer angesehen hat? Und warum können wir uns nicht in der Zeit umherbewegen wie wir uns in den anderen Dimensionen des Raumes bewegen können?«

      Der Zeitreisende lächelte. »Sind Sie so sicher, daß wir uns im Raum frei bewegen können? Rechts und links und vorwärts und rückwärts können wir uns frei genug bewegen, und das haben die Menschen auch immer getan. Ich gebe zu, wir bewegen uns in zwei Dimensionen frei. Aber auf und ab? Da beschränkt uns die Schwerkraft.«

      »Nicht ganz«, sagte der Arzt. »Es gibt Ballons.«

      »Aber vor den Ballons hatte der Mensch – von krampfhaften Sprüngen und den Unebenheiten der Erde abgesehen – keine Freiheit vertikaler Bewegung.«

      »Immer konnten sie sich ein wenig auf und ab bewegen.«

      »Leichter, weit leichter ab als auf.«

      »Und in der Zeit können Sie sich gar nicht bewegen; vom gegenwärtigen Moment können Sie nicht fort.«

      »Mein lieber Herr, gerade da sind Sie im Irrtum. Gerade da ist die ganze Welt im Irrtum. Wir kommen beständig vom gegenwärtigen Moment fort. Unsere geistige Existenz, die immateriell ist und keine Dimensionen hat, läuft von der Wiege bis zum Grabe mit geistförmiger Geschwindigkeit die Zeitdimension entlang. Genau, wie wir abwärts wandern würden, wenn wir unser Dasein fünfzig Meilen über der Erdoberfläche begännen.«

      »Aber die große Schwierigkeit ist die«, unterbrach der Psychologe, »Sie können sich im Raum in allen Richtungen bewegen, aber Sie können sich nicht in der Zeit hin und her bewegen.«

      »Das ist der Kern meiner großen Entdeckung. Aber Sie haben Unrecht, wenn Sie sagen, wir können uns in der Zeit nicht hin und her bewegen. Wenn ich mich zum Beispiel eines Ereignisses sehr lebhaft erinnere, gehe ich zum Moment seines Geschehens zurück: ich werde geistesabwesend, wie Sie sagen. Ich springe auf einen Moment zurück. Natürlich haben wir kein Mittel, irgendwie längere Zeit dahinterzubleiben, so wenig ein Wilder oder ein Tier Mittel hat, sechs Fuß über dem Boden zu bleiben. Aber ein zivilisierter Mensch ist in dieser Hinsicht besser dran als der Wilde. Er kann im Ballon gegen die Schwerkraft steigen, und warum sollte er nicht hoffen, daß er einmal werde imstande sein, seine Fahrt die Zeitdimension entlang zu unterbrechen oder zu beschleunigen oder sogar umzukehren und in entgegengesetzter Richtung zu wandern?«

      »O, das«, begann Filby, »ist alles – –«

      »Warum nicht?« fragte der Zeitreisende.

      »Es ist gegen die Vernunft«, sagte Filby.

      »Gegen welche Vernunft?« fragte der Zeitreisende.

      »Sie können beweisen, daß weiß schwarz ist«, sagte Filby, »aber Sie werden mich nie überzeugen.«

      »Vielleicht nicht«, sagte der Zeitreisende. »Aber Sie beginnen jetzt, das Ziel meiner Untersuchungen in der Geometrie der vier Dimensionen zu sehen. Schon vor langer Zeit ahnte ich etwas von einer Maschine – –«

      »Um durch die Zeit zu reisen?« rief der sehr junge Mann.

      »Die in jeder Richtung des Raumes und der Zeit fährt, wie es ihr Führer will.«

      Filby begnügte sich mit Lachen.

      »Aber ich habe experimentellen Beweis«, sagte der Zeitreisende.

      »Das wäre für den Historiker außerordentlich bequem«, meinte der Psychologe. »Man könnte zurückreisen und zum Beispiel den anerkannten Bericht der Schlacht bei Hastings prüfen!«

      »Meinen Sie nicht, Sie würden Aufmerksamkeit erregen?« sagte der Arzt. »Unsere Vorfahren waren nicht sehr duldsam gegen Anachronismen.«

      »Man könnte sein Griechisch von Homers und Platos Lippen lernen«, meinte der sehr junge Mann.

      »In dem Fall würden Sie im Examen sicher durchfallen. Die deutschen Gelehrten haben das Griechische so sehr verbessert.«

      »Und dann die Zukunft«, sagte der sehr junge Mann, »Denken Sie nur! Man könnte all sein Geld anlegen, es mit Zinsen anstehen lassen und vorauseilen!«

      »Um eine Gesellschaft zu finden«, sagte ich, »die auf streng kommunistischer Basis errichtet ist.«

      »Von allen wilden, ausschweifenden Theorien!« begann der Psychologe.

      »Ja, so schien es mir; und deshalb habe ich nie davon gesprochen, bis –«

      »Experimenteller Beweis!« rief ich. »Sie wollen das beweisen?«

      »Das Experiment!« rief Filby, der gehirnmüde wurde.

      »Lassen Sie uns Ihr Experiment immerhin sehen«, sagte der Psychologe, »obgleich das alles Unfug ist, wissen Sie.«

      Der Zeitreisende sah sich lächelnd im Kreise um. Dann ging er, immer noch leicht lächelnd, die Hände tief in den Hosentaschen, zum Zimmer hinaus, und wir hörten seine Schuhe den langen Gang bis zu seinem Laboratorium hinunter.

      Der Psychologe blickte uns an. »Ich möchte wissen, was er gefunden hat?«

      »Irgendein Taschenspielerstück«, sagte der Arzt, und Filby versuchte, uns von einem Beschwörer zu erzählen, den er zu Burslem gesehen hatte, aber ehe er noch mit seiner Vorrede fertig war, kam der Zeitreisende zurück, und Filbys Anekdote brach zusammen.

      Was der Zeitreisende in der Hand hielt, war ein glitzerndes Rahmenwerk aus Metall, kaum größer als eine kleine Uhr, und sehr fein gearbeitet. Es war Elfenbein daran und eine durchsichtige, kristallinische Substanz. Und jetzt muß ich ausführlich werden, denn was folgt, ist – wenn man nicht seine Erklärung annimmt, etwas absolut Unerklärliches. Er nahm einen der kleinen achteckigen Tische, die im Zimmer umherstanden, und stellte ihn vors Feuer, mit zwei Füßen auf den Kaminteppich. Auf diesen Tisch stellte er den Mechanismus. Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich. Der einzige andere Gegenstand auf dem Tische war eine kleine Lampe mit Lampenschirm, deren helles Licht voll auf das Modell fiel. Außerdem standen vielleicht ein Dutzend Kerzen umher, zwei davon in Messingleuchtern auf dem Kaminsims, und mehrere in Wandleuchtern, so daß das Zimmer glänzend erleuchtet war. Ich saß in einem niedrigen Sessel, dem Feuer am nächsten, und zog ihn soweit vor, daß ich fast zwischen dem Zeitreisenden und dem Kamin zu sitzen kam. Filby saß hinter ihm und sah ihm über die Schulter. Der Arzt und der Bürgermeister aus der Provinz beobachteten ihn im Profil von rechts, der Psychologe von links. Der sehr junge Mann stand hinter dem Psychologen. Wir waren alle auf dem Quivive. Es scheint mir unglaublich, daß uns unter diesen Bedingungen ein noch so fein ersonnener und noch so geschickt ausgeführter Streich gespielt werden konnte.

      Der Zeitreisende sah erst uns an und dann den Mechanismus. »Nun?« sagte der Psychologe.

      »Dieses kleine Ding«, sagte der Zeitreisende, indem er die Ellenbogen auf den Tisch stützte und über dem Apparat die Hände