Nochmal Schwan gehabt. Christoph Wagner-Trenkwitz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Wagner-Trenkwitz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902998996
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von Sesseln auf der Bühne aufstellen zu lassen.

      Bei einer der Endproben konnte sich der Inspizient den mehrdeutigen Einruf nicht verkneifen: »Der Chor bitte zur Stuhlprobe auf die Bühne!«

      Einen anderen Inspizientenspaß hat Daniela beim Salzburger Jedermann belauscht. Tobias Moretti verkörperte den Teufel und war nur mangelhaft ausgerüstet zur Bühne unterwegs.

      Es erschallte also die Durchsage: »Herr Moretti hat seinen Schwanz in der Garderobe vergessen.«

      Originell … wundervoll

      Wie originell muss ein Meisterwerk sein? »In Thaïs von Massenet – da is’ a Masse net von Massenet!«, heißt ein gängiger Spruch. Und in einem Atemzug sei erwähnt, dass Ralph Benatzky wegen seiner allzu lockeren Hand im Umgang mit den Meisterwerken der Vergangenheit bekanntlich auch »Benutzky« genannt wurde.

      Sehr originell allerdings ist das Folgende. Der Regisseur Michiel Dijkema, Debütant an der Volksoper, fragte mich mit scherzhaft-alarmiertem Blick, wieso es an der Volksoper so etwas wie den »Normstatisten« gäbe.

      Ich ging der Sache nach und erfuhr, dass der fantasievolle Technische Produktionsleiter Peter Notz bei einer länger zurückliegenden Inszenierung mit dem Problem konfrontiert war, dass männliche Komparsen aus Säulen zu schlüpfen hatten; der Durchmesser der Säulen war vorgegeben, und danach musste der maximale Körperumfang der Durchschlüpfer definiert werden. Auf den Rahmen des kreisrunden Ausschnitts vermerkte Notz seine Wortschöpfung: »Normstatisten-Schablone«.

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      Judith Leuenberger, Komparserieleiterin der Volksoper Wien, mit der »Normstatisten-Schablone«

      Ganz ernst gemeint hingegen ist der Begriff für das Guckloch, durch das die Behördenvertreter (Polizei und Feuerwehr) von ihren Plätzen neben der Bühne aus das Geschehen verfolgen können: Es handelt sich um die »Behördenöffnung«.

      Einem – nicht weniger originellen – Missverständnis saß eine Gratiszeitung auf, nachdem Franz Welser-Möst sein Amt als Generalmusikdirektor quittiert und 34 Abende unbetreut gelassen hatte. Heute meldete: »Staatsoper sucht 34 neue Dirigenten«.

      Der Regisseur Dietrich Hilsdorf äußerte einmal: »Ich mag keine abstrakten Inszenierungen. Wenn ich mit einer Frau schlafe, denke ich ja auch nicht an eine Vase.«

      Und, wenn wir schon bei den Regisseuren sind: Wir wissen, dass dieser Berufsstand nicht jedermann glücklich machen kann. So mancher wird aber ganz gezielt ins Unglück gestürzt.

      So erklärte einstmals Rudolf Jusits dem Ensemble sein Konzept für eine bevorstehende Inszenierung am Volkstheater. Der alte Schauspieler-Haudegen Rudolf Strobl begleitete die Ausführungen mit deutlichem, immer lauter werdendem Stöhnen.

      Mein Professorenfreund Oswald Panagl war dabei, als ein prominenter Regisseur den Salzburger PEN-Club-Präsidenten Franz Mayrhofer sehr glücklich machte.

      Im Kaffeehaus trafen die beiden Harry Kupfer, der dem PEN-Club ein Publikumsgespräch zugesagt hatte. Die bevorstehende Verhandlung der finanziellen Konditionen machte Mayrhofer zu schaffen: »Man weiß ja, diese Regisseure sind Millionengagen gewöhnt! Ob wir uns das leisten können?«

      Panagl beschwichtigte, es werde wohl nicht so schlimm kommen.

      Kupfer erschien, und nach der Klärung des Termins schritt Mayerhofer zur heiklen Frage: »Herr Professor, was erwarten

      Sie sich?«

      Kupfer antwortete, es würde wohl ein spannendes Gespräch werden.

      »Ich meine, was sind Ihre Vorstellungen?«

      Kupfer, den Präsidenten wieder nicht verstehend, zählte seine nächsten Vorstellungstermine auf.

      Mayrhofer, dringlich: »Ich möchte sagen, was sind Ihre Konditionen … finanziell?«

      Harry Kupfer wehrte ab – das Gespräch mache er natürlich gratis.

      Darauf Mayrhofer, überglücklich und von plötzlicher Großzügigkeit beseelt: »Herr Professor, derf ich Ihnen noch auf a’ Mehlspeis einladen?«

      Noch ein Schlenker zum Sprechtheater: Fred Liewehr verkörperte den Theaterdirektor Striese in der Komödie Der Raub der Sabinerinnen, der Schauspieler Detlev Eckstein spielte die Rolle des Sterneck.

      Striese hat in einer Szene überrascht auszurufen: »Ja Sterneck, was machen denn Sie da?«

      Eines Abends überraschte Liewehr den Kollegen seinerseits, indem er rief: »Ja Eckstein, was machen denn Sie da?«

      Ein sehr origineller Mensch war der Jazztrompeter Oscar Klein. Er erinnerte sich in einem Radiointerview an seine Frühzeit.

      Damals hatte er noch in einer Band namens The Wonderfuls gespielt. Laut Oscar hießen sie nicht so, weil sie derartig wundervoll spielten, sondern »weil es ein Wunder war, dass sie nach so vielen Erfrischungen überhaupt noch spielen konnten!«

      Man kann nicht alle kennen

      Dem Kabarettisten Wolfgang »Fifi« Pissecker ist es passiert, dass ein Herr auf ihn zustürmte mit den Worten: »I’ kenn Sie! Wer san Sie?« Fifi hat diese glorreichen Worte auch zum Titel eines Soloprogramms gemacht.

      Nein, man kann nicht alles wissen und auch nicht alle Leute kennen – schon gar nicht alle, die sich für prominent halten. Der Volksopern-Betriebsrat Kammersänger Josef Luftensteiner hat das in eine klare Formel gekleidet: »Ihr habt’s es gut, ihr kennt’s mi’ – aber wen kenn i’?«

      Eine Hospitantin an der Oper Wiesbaden war mit dem Begriff »die Schwarzen« nicht vertraut. Sollte es Ihnen ebenso gehen: Das sind im Theaterjargon jene an der Produktion Beteiligten, die am Ende einer Premiere nicht in bunten Kostümen, sondern eben in unauffälligem Gewand vors Publikum treten, also die Angehörigen des Regieteams.

      Als die bewusste Hospitantin bei andauerndem Premierenapplaus aufgefordert wurde, rasch »die Schwarzen« zu holen, ergriff sie den Arm eines afrikanischen Bühnenarbeiters und zerrte den Unwilligen auf die Bühne …

      Dass große Sänger auch postum beeindrucken, bewies mir ein Anekdötchen, das der Volksopern-Archivar Felix Brachetka einer dankbaren Besucherin der Verkauften Braut abgelauscht hatte (zum Verständnis sei angemerkt, dass von Mathias Fischer-Dieskau, dem Sohn des berühmten verstorbenen Baritons, die Bühnenbilder zu der Produktion stammten): »Wieder einmal eine positive Publikumsresonanz gestern. ›Vor allem der Fischer-Dieskau hat so toll gesungen!‹«

      Oswald Panagl hat hier eine weitere Fischer-Dieskau-Story, spielend in Berlin, beizutragen:

      Zur Vorbereitung der Koproduktion von Zauberflöte zwischen Komischer Oper und Salzburger Landestheater im Jänner 2000 wollten Regisseur Harry Kupfer und Intendant Lutz Hochstraate eine Akademie für die jungen Sänger einrichten, die »FiDi« leiten sollte. Ich diente als Dramaturg wieder einmal der Vermittlung zwischen den »Protagonisten« und machte einen Gesprächstermin zwischen uns Vieren im Haus des Sängers aus.

      Meine beiden Partner, die große Scheu vor dem »Denkmal« hatten, bestellten wegen des erwarteten Straßenverkehrs schon sehr früh ein Taxi. Als wir aber lange vor der vereinbarten Stunde in der Lindenallee landeten, war guter Rat teuer. Man wollte auf keinen Fall zu früh erscheinen, andererseits war ein Spaziergang bei minus 15 Grad auch nicht gerade einladend.

      Nachdem wir uns etwa eine halbe Stunde die Füße vertreten bzw. erfroren hatten, drängte ich zehn Minuten vor der verabredeten Zeit auf Antritt des Besuches. Als ich mich eben anschickte, die mir wohlvertraute Klingel zu betätigen, versteckten sich Kupfer und Hochstraate hinter meinem durch einen Wintermantel noch verbreiterten Rücken mit den Worten: »Gehen Sie voraus, Sie kennt er!«

      Ebenfalls