Kinderjahre Kaiser Karls. Gabriele Praschl-Bichler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Praschl-Bichler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902862990
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mit Thränen in den Augen. Ich war auch so sehr bewegt u. ging mit ihr gleich hinein zu Mitzi, es war dort schon Otto. Mitzi konnte ich nicht umarmen, weil Braun noch mit ihr beschäftigt war; Mitzi war sehr geröthet u. aufgedunsen von der Anstrengung. Es war eine schwere Geburt, zuletzt mit der Zange mußte das Kind genommen werden. Der Kopf vom kleinen Carl gab nicht nach, u. die Nabelschnur war auch schon um den Hals, so daß er fast erstickte … Mitzi war, wie ich dann hörte, so standhaft, kein Wehklagen, kein Seufzen u. kein Schrei, u. sie hat sehr viel gelitten. MTh soll ihr aber auch, wie Braun sagte, so gut beigestanden haben mit so viel Ausdauer u. Kraft. Die liebe Gute! Ich sah den so netten theuren Enkel an – ein hübsches kräftiges Kind! Nach einiger Zeit ging ich weg mit Otto, der auch sehr ergriffen war … Bei Regen vor dem Segen nach 8 Uhr fuhr ich mit Otto … durch den Ort bis zum Gasthaus J. … um die Beleuchtung anzusehen, die zur Niederkunft u. Geburt des Kleinen … warEinen Tag später: »Ich sah den Kleinen das erste Mal bei der Amme trinken …« Dass man für Carl eine Amme genommen hatte, war damals in oberen Gesellschaftsschichten üblich. Es gab aber auch Frauen wie Erzherzogin Sophie, die Mutter des Kaisers und Erzherzog Carl Ludwigs, die sich dieser Regel widersetzten und ihre Babys selbst stillten. Ungewöhnlich ist die Bemerkung allerdings aus einem anderen Grund. Erzherzog Carl Ludwig scheint zugesehen zu haben, als die Amme den einen Tag alten Enkel stillte. In einer Zeit, als Männer und Frauen ihren Alltag völlig nach Geschlechtern getrennt lebten, ist es verwunderlich, dass ein Mann das durfte.

      Am 19.8.1887, zwei Tage nach der Geburt des kleinen Carl, wurde die Mutter gefeiert. Es gehörte zu den Bräuchen der Zeit, dass man sich bei der Frau bedankte, die einem Kind das Leben geschenkt hatte und damit den Fortbestand der Familie sicherte. »Otto frühstückte bei mir oben, übergab der Mitzi einen Taufschmuck; zwey Perlenbraceletts mit Miniaturportraits meines Großvaters des Kaiser’s Franz u. des Erzherzog’s Carl, seines Bruders … MTh gab ihr einen sehr schönen Ring mit einem Rubin u. einem Diamant … Von Ludwig (seinem Bruder Erzherzog Ludwig Victor) erhielt Mitzi eine sehr schöne Diamanten broche (Brosche) …«

      Am selben Vormittag trafen in Schloss Persenbeug Verwandte und Hofleute aus Wien ein, denn auch das Baby wurde an diesem Tag gefeiert und in die katholische Gemeinde aufgenommen. »Nach ¾ 12 Uhr waren wir alle zur Taufe versammelt; diese war im großen Saal. Bischof Binder von St. Pölten taufte. Ich, der Taufpathe, war rechts vom Altar, vor einem Bethschemel, MTh links von demselben, hinter mir die Kinder u. Ludwig, hinter MTh die Damen; die Herren, Gf Pejacevich war auch gekommen, rückwärts, auch die Dienerschaft. Der Kleine bekam die Namen Carl Franz Joseph Hubert Otto Ludwig Georg Maria. Er schrie, als das Taufwasser, Jordanwasser9, das ich mitbrachte …« über seinen Kopf gegossen wurde.

      Nach der Taufe übersiedelte Erzherzog Carl Ludwig mit vier Kindern – Ferdinand10 (19 Jahre), Margarethe (17 Jahre), Miana (11 Jahre) und Elisabeth (9 Jahre) –, die mit Gefolgsleuten aus Wien angereist waren, in das nahe gelegene Schloss Artstetten. Seine Ehefrau blieb bei der Wöchnerin. Nur einen Tag später erreichte Carl Ludwig eine beunruhigende Nachricht. Marie Theresia »schrieb mir, daß Mitzi unwohl sei, wohl Kindbettfieber … sie wünschte, daß ich heute nach Persenbeug käme …« Der Zustand der jungen Mutter hatte sich plötzlich derart verschlechtert, dass man sogar die Familie Marie Josephas benachrichtigte. Kindbettfieber war sehr häufig und damals wie jede Infektionskrankheit lebensgefährlich, da es noch keine Heilmittel dagegen gab. Penicillin wurde erst vier Jahrzehnte später entdeckt.

      Erzherzog Carl Ludwig war so bestürzt, dass er mit seinen Kindern gleich wieder von Artstetten nach Persenbeug zog. »Im Verlauf der heutigen Nacht haben sich bei MJosepha mehrere … Fraisen-Anfälle (wohl Schüttelfrost) eingestellt. Das übrige Befinden ist nicht unbefriedigend …« Die Krankheit nahm aber bald einen günstigen Verlauf und Erzherzog Carl Ludwig übersiedelte mit den vier Kindern wieder zurück nach Artstetten. Nur seine Ehefrau Marie Theresia blieb weiterhin bei der Wöchnerin. Der Zustand Marie Josephas blieb ab nun stabil. Somit konnte man sich ab Anfang September auf eine andere Persönlichkeit, das Baby Carl, konzentrieren. Erzherzog Carl Ludwig besuchte es häufig, auf Anraten der Ärzte aber nicht allzu oft, da man damals annahm, dass Besuche Kranke und Neugeborene aufregen und gesundheitlich gefährden konnten. Am 7.9.1887 »… fuhr ich mit Ferdinand nach Persenbeug. Dort sah ich MTh, Mitzi auch einige Zeit, war beim Kleinen; er übergibt sich noch immer einige Male, wenn es ihm auch im ganzen besser geht, u. er an Gewicht zunimmt …«

      Zwei Tage später, der Zustand von Mutter und Baby war nun bei beiden stabil, reiste Erzherzog Carl Ludwig mit seinen vier jüngsten Kindern nach Wien. Die Mädchen erhielten – nach dem Familienfest – wieder Schulunterricht. Sohn Ferdinand fuhr mit seinem Vater zu den Kaiser-Manövern, die jedes Jahr in einer anderen Region der Donaumonarchie stattfanden. 1887 waren sie in Ungarn und dauerten von 10. bis zum 19. September. Einen Tag nach Beendigung der Manöver findet man Erzherzog Carl Ludwig wieder in Persenbeug. »MTh, Mitzi und den kleinen Carl gesehen, alle, Gott sei Dank, sehr wohl … Mitzi sieht vortrefflich aus, hat sehr guten Appetit, war schon im Garten … der Kleine hat sehr an Gewicht zugenommen, ich fand ihn auffallend stärker geworden seit meiner Abwesenheit … Wir speisten zusammen mit MTh, Mitzi noch auf ihrer chaise-longue im großen Saal …«

      Die bequeme chaise-longue war das erste Ziel, das man während des Wochenbetts oder nach langer Krankheit ansteuerte. Auf ihr durfte man sich einige Stunden außerhalb des Bettes aufhalten und auch Besuche empfangen. Üblicherweise blieb eine Frau dieser Gesellschaftsschicht nach einer Geburt bis zu sechs Wochen im Bett. Dass sie an diesem Tag schon im Garten war – natürlich auf einem bequemen Stuhl sitzend –, lässt darauf schließen, dass sie mit einem Tragestuhl dorthin gebracht wurde. In den ersten Wochen nach einer Geburt durften die Frauen nicht gehen, sondern nur liegen, sitzen und getragen werden.

      Nach dem Besuch bei Ehefrau, Schwiegertochter und Enkel kehrte Erzherzog Carl Ludwig mit Sohn Ferdinand nach Artstetten zurück. Von dort reisten beide nach Meran, nach Schloss Rottenstein, das der Erzherzog von seiner Großmutter Kaiserin Caroline Auguste geerbt hatte. Er ließ es umbauen, kaufte Antiquitäten und Möbel und richtete es nach eigenem Geschmack ein. Viele Habsburger besaßen oder mieteten Schlösser und Villen in und um Meran, das ein berühmter Luftkurort war. Man hielt sich dort oft wochenlang auf, um Krankheiten auszukurieren, aber auch, um sich mit Spaziergängen und Wanderungen sowie mit den berühmten Traubenkuren für den nächsten Winter zu stärken.

      Am 16.10. reiste Erzherzog Carl Ludwigs Sohn Ferdinand von Schloss Rottenstein ab, das er später einmal erben sollte. Er fuhr mit einem Gefolgsmann nach Wien »… seiner Studien wegen, die morgen beginnen, mich verlassen müssend. Ich hatte mich so sehr gewöhnt, mit dem guten, lieben Kind, seit dem 19. August, seit dem Tag der Taufe … beisammen zu sein, daß er mir recht abgeht …«

      Zwei Tage später findet man Erzherzog Carl Ludwig wieder in Persenbeug. Er holte seine Frau, die zwei Monate lang die Schwiegertochter gepflegt hatte, zu sich. Mit ihr und den drei Töchtern reiste er zu einem kurzen Verwandtenbesuch nach Hessen, von dort weiter nach Meran, am 26.10. nach Wien und in die Villa Wartholz11 in Reichenau an der Rax. Das war der Lieblingswohnsitz Erzherzog Carl Ludwigs. Dorthin zog er sich mit seiner Familie gerne zurück, um das stundenlange Aktenlesen zumindest durch Spaziergänge an frischer Luft unterbrechen zu können. Außerdem konnte er von dem schon damals verkehrstechnisch gut erschlossenen Gebiet jederzeit binnen Kurzem nach Wien reisen, um Termine wahrzunehmen, und meist am selben Tag mit dem Abend- oder Nachtzug zurückkehren.

      1.11.1887 »… ¼ 10 Uhr kamen wir in Wartholz an; es waren die Kinder da, Otto, die drei Töchter u. Mitzi … Otto fuhr bald fort nach Laxenburg zu Rudolph. Mitzi blieb noch bei mir einige Zeit dann … Ich sah dann auch den lieben Enkel, der recht gut aussieht, u. den ich wieder gewachsen fand …« Inzwischen war auch die junge Familie mit Baby Carl in Reichenau eingetroffen. Da Erzherzog Otto dem Militärdienst nachkommen musste und man Mitzi mit dem Säugling nicht in Persenbeug alleine lassen wollte, da der Ort von Wien und Reichenau nur mühsam zu erreichen war, übersiedelte man die beiden mit ihrer Gefolgschaft in die Villa Wartholz.

      Die interessanteste Bemerkung dieses Eintrages betrifft Ottos Besuch bei seinem Vetter Kronprinz Rudolf in Laxenburg. In den Tagebüchern