Proaktiv zu sein heißt, wir ergreifen die Initiative, die Verantwortung für unser Handeln, für unser Tun. Proaktiv zu sein heißt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Wir entscheiden selbst, wir richten uns nicht nach Gegebenheiten und Bedingungen. Als ich den Begriff das erste Mal – spät in meinem Leben – hörte, verstand ich ihn nicht gleich. Ein wertvoller Freund, der mir davon erzählte, fragte: Willst du machen oder gemacht werden? Die Entscheidung war sonnenklar. Ich will machen. Und ich mache. Seit geraumer Zeit bin ich der Macher in meinem Leben. Ohne Wenn und Aber. Glaube mir, es war ein anstrengender, steiniger, mühevoller Weg. Und er ist noch immer mühevoll, steinig und anstrengend. Nur wird es mit der Zeit spürbar leichter und leichter.
Proaktivität in meinem Leben bedeutet, dass ich auf die Parameter meines Daseins zugehe, nicht die Dinge auf mich. Mir fällt nichts mehr zu. Deshalb sage ich auch meistens, dass es keine Zufälle gibt. Was passiert reaktiven Menschen? Sie erleben, sie spüren es oft nur im Unterbewusstsein, aber sie ahnen, dass sie von der Umwelt getrieben werden. Dass sie von den Umständen (»Ich kann nichts machen, das ist nun einmal so …«), den Bedingungen (»So ist das und das bleibt auch so!«) und den Gefühlen (Befindlichkeiten) gefangen genommen sind. Reaktive Menschen werden von ihrer sozialen Umgebung, dem »sozialen Wetter« beeinflusst.3 Wenn andere sie gut behandeln, dann fühlen sie sich gut, wenn man sie nicht gut behandelt, dann ziehen sie sich in eine defensive Schutzhaltung zurück. Proaktive Menschen werden durch ihre Werte geleitet. Natürlich spielen auch äußere Reize eine Rolle, zum Beispiel physische, soziale oder psychische Reize – nur: die Reaktion auf diese bewussten oder unbewussten Reize ist eine auf Werten beruhende Wahl oder auch Antwort.
Nimm dein Leben in die Hand!
Wenn es dir nicht gut geht, was heißt nicht gut, wenn es dir schlecht geht, wenn es dir beschissen mit dir und deiner Umwelt geht, mit deiner Partnerin, mit deinem Partner, mit deinen Geschwistern, mit deinen »Freunden«, mit deinen Bekannten, mit deinem Berufsumfeld, mit deinen Kollegen, mit deinen Vorgesetzten usw. und vor allem auch mit dir – was dann? Wenn dich alles und jeder ankotzt? Behältst du diesen Zustand der Resignation bei, nimmst du es einfach so hin, kapitulierst du? Ordnest du dich allem und jedem unter? Verzagst du? Schluckst du vieles hinunter? Kränkst du dich oft? Dann wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit deshalb – gerade deshalb – auch krank werden. Wer hilft dir dann? Die Ärzte? Die Medikamente? Die Glücksbringer? Die gibt es schon, aber nicht in Form von Pillen. Die gibt es auch … in akuten Notfällen. Oder möchtest du dich ab jetzt nicht mehr entmutigen lassen? Möchtest du vielleicht kämpfen? Da war doch etwas in unserer Kindheit, das sich anfühlte wie Urvertrauen. Ja, ich weiß schon, die Experten werden sich jetzt wieder zuhauf melden und sagen: Das ist ja alles nichts Neues. Für die Experten schreibe ich auch nicht. Ich schreibe für die vielen Verzweifelten, die resigniert haben und etwas verändern wollen! Nicht für die ewig gscheiten Grantler, Nörgler und Miesmacher. Die Berufspessimisten.
Susanne R., 52 Jahre, aus der Steiermark, schreibt mir: »Lieber Wolfram Pirchner! Ich bin seit 26 Jahren verheiratet, wir haben 2 Kinder, die aus dem Ärgsten heraußen sind. Ich kann und will nicht mehr. Der Ehe-Alltag – reine Routine. Ich fühle mich nicht wertgeschätzt, obwohl mich mein Mann eh gut behandelt und mich verwöhnt. Ich werde lieblos behandelt oder zumindest bilde ich mir das vielleicht ein. Ein langweiliges Dasein. Im Beruf klappt es gut, ich bin in der Werbebranche tätig und mache meinen Job gerne. Ich verstehe mich auch am Arbeitsplatz sehr gut mit meinen Kolleginnen. Ich möchte nicht, dass es die nächsten 20/30 – oder wie lange auch immer – Jahre so weiter geht. Was soll ich tun? Ich möchte gerne etwas verändern, auch Einschneidendes … aber ich habe Angst davor. Liebe Grüße Susanne R.«
Ich habe den Brief von Frau Susanne etwas eingekürzt. Was meint sie? Sie will etwas verändern, kann aber (noch) nicht, weil sie Angst hat. Angst wovor? Ich verstehe schon, was sie meint. Angst davor, den Porsche Cayenne nicht mehr fahren zu können (weil sie ihn sich nicht mehr leisten kann) und auf einen VW Golf oder ein anderes billigeres Auto umsteigen zu müssen. Angst davor, das Haus mit großem Garten und Pool aufgeben zu müssen, weil wenn sie »ihn« verlässt, dann wird voraussichtlich sie ausziehen müssen. Angst davor, viele materielle Vorteile nicht mehr zu haben. Geschweige denn die Angst, gesellschaftlich im (zukünftigen Ex-) Freundeskreis quasi geächtet zu werden. Und, und, und. Ich bin kein Eheberater, das wäre was … Ich bin auch kein Mediator. Ich bin Mentalcoach und ausgebildeter Lebens- und Sozialberater. Und ich weiß ein bisschen, wie ein durchschnittlich beschaffenes Gehirn tickt. Ich weiß ganz sicher, wie viele Menschen denken und funktionieren.
Frau Susanne hat in ihrem Brief am Rande erwähnt, was ihre (erwachsenen) Kinder wohl dazu sagen würden. Und die Verwandten. Da wiederum erlaube ich mir, nachdem ich ja gefragt worden bin, einzuhaken. Was die erwachsenen Kinder dazu sagen? Das ist meiner Meinung nach völlig uninteressant. Das geht erwachsene Menschen nichts, aber schon gar nichts an. Auch wenn es die eigenen Kinder sind. Ich habe viele Fälle hautnah miterlebt, wo die Eltern nach der Pfeife der Kinder tanzen, nicht im Kindesalter, nicht in der schwersten Pubertät … Nein, im Erwachsenenalter der Kinder. Damit meine ich nicht, dass man wertschätzend mit ihnen die Situation bespricht, aber die konsequente Haltung und das damit verbundene konsequente Handeln der Betroffenen – das geht erwachsene Kinder nichts an. Meiner Meinung nach.
Nicht die Dinge selbst sind es,
die uns ängstigen und zu schaffen machen,
sondern die Bedeutung, die wir ihnen zumessen.
HERMANN HESSE
Jeder kann machen, was er will. Jeder ist auch seines Glückes Schmied, oder nicht? Und einige »wohlmeinende« Verwandte und Bekannte und auch »Freunde«, die können mir – ich schreibe jetzt nur von mir, weil ich in ähnlichen Situationen war – absolut und für immer den Buckel hinunterrutschen: die Verwandten, die mir ungefragt Ratschläge geben, die »Freunde«, die alles besser wissen. Selber sind sie Versager des Lebens, gescheiterte, frustrierte Besserwisser, die sich immer dann zu Wort melden, wenn man es so gar nicht braucht. Also im Sinne von Ratgebern. Weg mit ihnen. Löschen. Die x-Taste im Inneren drücken. Sicher löschen? Ja, ganz sicher.
Ich schlage dir einen kleinen Test vor: Nimm ein DIN-A4-Blatt, schreibe den Namen des betreffenden »Ratgebers«/»Freundes«, Verwandten etc. oben in die Mitte, mach links eine Spalte, in die du deine wichtigsten Lebensbereiche untereinander notierst, einige deiner Werte wie zum Beispiel Liebe, Vertrauen, Zuneigung, Diskussionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Hilfestellung, Unterstützung, Wertschätzung etc. Und dann benote nur im Zusammenhang mit der oben notierten Person eine Übereinstimmung/Missstimmung mit dir mit einem Minus (für leider nein oder von mir aus viel zu wenig) oder einem Plus (ja, stimmt absolut mit mir überein, hilft mir, ist für mich da, unterstützt mich etc.). Falls nur ein Minus mehr im Ergebnis steht, dann weißt du, was zu tun ist.
Das ist hart, manchmal auch schwer, aber du ersparst dir künftig viel sinnloses Grübeln, viel Ärger und Kummer. Tu es. Zieh es durch. Es macht viel mit dir. Und nebenbei auch mit den anderen. Die lernen dich aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen, anfangs können sie es fast nicht begreifen. Dann kommen schon so Aussagen wie: »Na ja, jetzt spinnt sie völlig. Wahrscheinlich hat sie eine Gehirnwäsche durchgemacht.