Wachtmeister Spohrer fuhr ab. Dem Durchschuss durch seine Hand schien er nur geringe Bedeutung beizumessen.
In der Stellung erschien nun Hauptmann Kern. Er lobte die Kanoniere, die erheblich zu dem Abwehrerfolg beigetragen hätten, und nahm Hohberg beiseite.
»Wir treten jetzt in eine neue Phase ein. Der Gegner scheint im näheren Bereich nicht mehr viel parat zu haben, jedenfalls was unseren Angriffstreifen angeht, wenn es auch im Korps- oder Armeemaßstab etwas anders aussehen mag. Von morgen früh an ist die Batterie der Vorausabteilung der Division zugeteilt. Sie wissen, was das heißt, Hohberg.«
Unvermittelt wechselte er das Thema.
»Ich war gestern noch mal beim Tross. Habe dafür gesorgt, dass alles, was Leutnant Heise besaß, zusammengepackt und an seine Heimatadresse abgeschickt wurde. Stellen Sie sich vor, Hohberg: Unter Heises Sachen war eine komplette Winterausrüstung, pelzgefütterte Handschuhe, ein dicker Wollschal, ein schafwollener Pullover und eine handgestrickte Mütze. Das ist doch sonderbar, nicht wahr?«
Hohberg sah den Hauptmann an.
»An dem Nachmittag, bevor es losging, erwähnte Heise das Jahr 1812 mit den katastrophalen Folgen für Napoleon. Von einem raschen Sieg über die Russen war er anscheinend nicht überzeugt.«
»Sind Sie es denn, Hohberg?«, fragte Hauptmann Kern und fügte, ohne die Entgegnung des Leutnants abzuwarten, hinzu: »Heise hat zweifellos mit einem Winterfeldzug gerechnet. Das wäre freilich – na, wir haben ja erst das letzte Juni-Drittel, und bisher läuft wohl alles nach Plan.«
Alles, dachte Kern, wirklich alles? Aber er sprach es nicht aus. Weltkriegsteilnehmer galten bei der neuen Wehrmacht als Besserwisser und Schwarzseher. Und es war ja eigentlich auch nur ein tief sitzendes unheimliches Gefühl, das er nicht loswerden konnte.
Bevor der Batteriechef zu einer beim Abteilungsstab anberaumten Besprechung weiterfuhr, ging er mit Hohberg noch einige Einzelheiten durch, die im Zusammenhang mit der Zuteilung zur Vorausabteilung von Wichtigkeit waren.
Der Gedanke an Leutnant Heises Winterausrüstung ging Hohberg nicht aus dem Kopf. Wird der Gegner von unserer Führung überhaupt richtig eingeschätzt?, fragte er sich. Er rief beim Nachrichtenzug an, um sich über den aktuellen Stand zu informieren. Aber auch dort wusste man nichts. Der Wehrmachtsbericht enthielt nichts über den Vormarsch im Osten. Über die gesamte Ostfront war eine strenge Nachrichtensperre verhängt. Nicht vorstellbar, in welcher Sorge die Angehörigen zu Hause sein mochten. Auch die Feldpost war vorerst gesperrt. Alles schien darauf abgestellt, die Kriegsmaschinerie auf Hochtouren zu bringen.
Immer wieder dachte Hohberg an Heises Worte: »Man muss vertrauen und sich das selbstständige Denken abgewöhnen …«
Seine Aufgabe war es, die Durchführung der Feuerkommandos zu gewährleisten, die ihm vom B-Trupp zugeleitet oder von den Rechnern ermittelt wurden. Er musste die benötigte Munition anfordern und dafür einstehen, dass die Verpflegung für die Geschützstaffel herankam, dass Verwundete versorgt und Tote begraben wurden.
Er ging zu den Kanonieren. Sie sprachen von Zuhause. Vom Krieg sprachen sie nicht. Als der Leutnant in ihre Nähe kam, brachen die Gespräche ab.
Einer vom zweiten Geschütz sagte: »Muss denn das sein, Herr Leutnant? Was haben uns die Russen denn getan?«
»Wir können das nicht beurteilen«, gab Hohberg zurück. Aber er spürte selbst, dass es nicht überzeugend klang.
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