Die Kristallelemente (Band 2): Die türkise Seele der Wüste. B. E. Pfeiffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. E. Pfeiffer
Издательство: Bookwire
Серия: Die Kristallelemente
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961475
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zog mich an meinem Bett hoch. »Wenn das eine Geisterwesen das andere nicht angegriffen hätte, wäre ich gestürzt, bevor Sie mir hätten helfen können.«

      »Eines der Wesen … hat ein anderes angegriffen?«, hakte die Madame mit bebender Stimme nach.

      »Ja, es hat sich nicht auf mich gestürzt, sondern auf jenes Wesen, das mich hinausreißen wollte.«

      »Eigenartig«, meinte die Madame und fuhr sich durch die offenen Haare. »Wie auch immer. Sie können uns im Garten nichts anhaben und ich brauche etwas Magie, um dir alles zu erzählen.«

      Sie ging zur Tür, öffnete sie und spähte hinaus, als wäre sie sich doch nicht sicher, ob ihr Schutzzauber wirkte. Viola flog an ihr vorbei in die ungewohnt kühle Nachtluft, während Maron auf meine Schulter kletterte.

      »Geht es dir gut?«, fragte er. »Als ich bemerkt habe, was los ist, habe ich sofort die Madame gerufen. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.«

      »Schon gut«, erwiderte ich schwach. »Ohne deine Hilfe wäre ich vermutlich aus dem Fenster gefallen. Und ja, es geht mir gut, danke der Nachfrage.«

      Maron lehnte seinen kleinen Kopf an meine Wange, während ich schwankend die Treppen hinabstieg. Ich wagte nicht, den Blick nach oben zu heben, aus Angst vor dem, was ich sehen würde. Schreie hallten durch die Nacht und ließen mich schaudern. Was auch immer diese Wesen waren, sie schienen die Menschen zu quälen. Ob man ihnen irgendwie helfen konnte?

      Als ich die Küche betrat, brannte bereits ein Feuer, über dem die Madame Milch erhitzte. Viola beobachtete sie mit ihren gelben Augen dabei und plusterte ab und zu ihre Flügel auf.

      »Es war noch nie so schlimm wie in dieser Nacht«, murmelte die Madame, während sie Schokolade in die Milch rührte und ein silbriges Pulver hinzufügte. »Ich weiß nicht, wie lange wir die Hoffnung noch bewahren können.«

      »Du wirst eben älter, Cremant«, krächzte Viola. »Wir haben viel zu lange gewartet, um eine Schülerin aufzunehmen.«

      »Es gab niemanden«, erwiderte die Madame. Langsam fragte ich mich, ob sie vergessen hatte, dass ich mich ebenfalls im Raum befand. »Du weißt, dass ich jedes Jahr den Suchzauber ausgesandt habe. Er kam immer ohne Ergebnis zurück. Bis jetzt.« Sie hob den Blick und sah mich flüchtig an, dann konzentrierte sie sich wieder auf das Getränk auf dem Herd. »Sie ist eigentlich noch zu jung, Viola.«

      »Aber sie kann es schaffen. Denk an die Legende, Cremant. Jemand muss die Hoffnung am Leben halten, sonst ist Sarabor verloren.«

      Ich räusperte mich und tänzelte unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Draußen wurden die Schreie schwächer und das Licht des Mondes schien durch ein Fenster im Hof zu uns herein.

      »Es ist vorbei«, murmelte die Madame und zog den Topf vom Herd. Sie goss eine cremige Flüssigkeit in zwei Becher und stellte sie auf ein Tablett. Mit dem Kopf bedeutete sie mir, ihr zu folgen, und ging in den Verkaufsraum.

      Wir ließen uns an einem kleinen Tisch nieder und die Madame schob mir eine Tasse hin, bevor sie ihre eigene in die Hände nahm und gedankenverloren hineinstarrte.

      Maron klammerte sich immer noch an mir fest, schnüffelte nur ein wenig an dem Getränk. Viola saß auf der Rückenlehne jenes Sessels, auf dem die Madame Platz genommen hatte, und betrachtete mich.

      »Was weißt du über die Kristallelemente?«, durchbrach die Stimme von Madame Cremant die Stille.

      Ich schüttelte den Kopf. »Dieses Wort habe ich noch nie gehört.«

      »Also weißt du auch nichts über das Kristallherz?«, hakte Viola nach.

      »Nein. Sollte ich etwas darüber wissen?«

      Die Madame schwieg und starrte wieder in ihren Becher. Dann stieß sie den Atem aus. »Nein. Es ist eine uralte Legende, so alt wie die Welt selbst. Von mächtiger Magie und Habgier und einem großen Opfer. Denn das Kristallherz gab sich selbst auf, um die Welt vor der Dunkelheit der schwarzen Seele zu schützen. Es zerfiel in vier Elemente, die über alles Leben wachten.«

      Maron bibberte auf meiner Schulter. Ich fischte ihn herunter und legte ihn auf meinen Schoß, wo er sich wie ein Wollknäuel einrollte und sein Gesicht mit dem Schweif bedeckte.

      »Mit den Jahren wurden die Elemente schwächer, und Flüche breiteten sich aus. Ich weiß zu wenig über jene Flüche, die andere Teile der Welt bedrohen. Aber ich kenne jenen, der über Sarabor liegt.«

      »Diese Wesen sind … der Fluch?«, fragte ich vorsichtig, als die Madame wieder schwieg.

      »Sie sind ein Teil davon«, bestätigte die Madame. »Man nennt sie Traumfresser und sie sind ruhelose Seelen, die nachts umherstreifen müssen, um sich von den schlimmsten Ängsten, geboren aus Träumen, zu ernähren. Dabei verderben sie die Seelen der Menschen, in deren geheimste Gedanken sie schlüpfen.«

      Ich schauderte und klammerte mich an dem Becher fest.

      »Aber die Magie, die ihr hier wirkt, hält sie auf«, fügte Viola hinzu und betrachtete mich eindringlich. »Deswegen ist es wichtig, dass du alles lernst. Denn du wirst es eines Tages sein, die diese Aufgabe alleine ausführen muss.«

      »Ich?«, keuchte ich und ließ dabei meinen Becher sinken.

      Der Inhalt ergoss sich auf dem Boden. Ich hob die Tasse hastig wieder an und stellte sie auf den Tisch.

      »Ja, du«, seufzte die Madame. »Die Magie aus Dundra ist es, die der Schokolade und dem Gebäck einen besonderen Zauber verleiht. Was in unserer Heimat verboten ist, wird hier verehrt. Sarabor braucht die Hoffnung und wir sind diejenigen, die sie den Menschen schenken.«

      Sie stellte ihre Tasse ebenfalls ab und griff über den Tisch hinweg nach meiner Hand.

      »Oriana, ich habe es vorhin erwähnt. Du bist seit Jahren die Einzige, die ich für diese Aufgabe auch nur in Betracht ziehen konnte. Nur dich hat der Suchzauber in vielen Jahren vor meine Tür geführt.« Die Madame seufzte erneut. »Ich kann deine Kräfte spüren und ich weiß, dass du vielen Menschen helfen wirst, wenn du das wünschst. Für gewöhnlich müsste ich dir ein halbes Jahr Zeit geben, zu lernen, und dich dann erst fragen, ob du bei mir bleiben willst. Aber in Anbetracht dessen, was heute geschehen ist, will ich dir diese Frage jetzt bereits stellen.«

      Sie straffte die Schultern und wandte sich Viola zu. Die Eule schien zustimmend zu nicken, obwohl die Bewegung kaum zu erkennen war.

      »Wenn du dieses Versprechen einmal gegeben hast, ist es bindend, solange ein Fluch auf Sarabor liegt. Deswegen frage ich dich, Oriana aus Singul, willst du an meiner Seite bleiben und mir helfen, den Menschen von Sarabor Hoffnung zu geben?«

      Mein erster Impuls war ein klares Nein. Ich wollte nicht in diesen Fluch hineingezogen werden. Die Traumfresser stellten abscheuliche Dinge mit den Menschen an und je weiter weg ich mich von ihnen befand, umso besser.

      Aber dann dachte ich nach. An die Menschen, die hier litten. Obwohl die Stadt glänzte und reich war, gab es auch Elend. Allein wenn ich an die Augen des Jungen vom Markt oder des Mädchens, das meine Kleidung gebracht hatte, dachte, wusste ich, dass ich nicht einfach wegsehen konnte.

      Ich betrachtete das Gesicht der Madame, die ihre Lippen zu schmalen Strichen zusammenpresste und mich beobachtete. Dann sah ich Maron an, der sich entrollt hatte und mich aufmerksam musterte. Es kam mir vor, als würde auch er nicken, wie Viola es vorhin getan hatte.

      Einen Moment schloss ich die Augen und konnte nicht fassen, was ich bereit war, zu riskieren. »Ich werde an Ihrer Seite bleiben«, sagte ich und hob die Hand, als die Madame mich lächelnd umarmen wollte. »Aber unter einer Bedingung. Ich will alles über diesen Fluch wissen und möchte nie wieder durch Magie von Ängsten befreit werden.«

      »Einverstanden.« Die Madame nickte. »Aber jetzt sollten wir zu Bett gehen. Ich werde dir morgen alles erzählen, was ich weiß.«

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