Coyote. Jens-Uwe Sommerschuh. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens-Uwe Sommerschuh
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783943857047
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coyote-gross.jpg

      No sense

      Do you remember

      Do you

      remember

      That night at

      context

      Making up shit

      Like we were animals

      We made no sense

      No

      sense

      We had no sex

      Can you see, can you see, can you see,

      Can you see,

      can you see, can you see,

      The moon is so hollow

      What’s the use

      When I can see right through you

      What’s the use

      All the hearts that touch your cheek

      How they

      jump they move they embarrass

      All the hearts that

      touch your cheek

      How they jump they move they

      embarrass

      They make no sense

      No sense

      No sense

      No sense

      We had no sex, ooh …

      Chan Marshall

      (Cat Power – Moon Pix)

      ERSTER TEIL - BLUT

      Den Blick auf die Bucht,

      den ich sonst im Liegen genoss,

      versperrt mir neuer Bambus.

      Kosen

      1

      Blut schoss mir aus der Nase. Die Tränen kamen auch. Die zweite Tasse verfehlte mich und zerschellte an der Wand. Draußen kreischte eine Kreissäge. Die dritte Tasse ging weit daneben. Ich rührte mich nicht. Die rote Brühe lief mir über Mund und Kinn, klebrig warm, ich ließ sie laufen. Ich lehnte an der Küchenwand und harrte der Dinge in der stummen Hoffnung, Vickie würde die Lust verlieren, Tassen und Nasen zu zerschlagen. Die Säge jaulte, als würde sie sich gleich festfressen. Doch juchzend fraß sie sich durch den letzten Knochen und wartete sirrend auf Nachschub.

      Die helle Mähne hing Vickie wirr ins Gesicht. Ihre Nasenflügel bebten wie in ihren besten Momenten. Aus ihren grauen Augen aber, zu Schlitzen verkniffen, zuckten kalte gelbe Blitze. Wenn ich mich nicht verzählt hatte, schwenkte sie die vierte und letzte Tasse. Das champagnerfarbene Seidenfähnchen in ihrer Linken war hingegen ein Einzelstück. So etwas gab es hier nicht noch mal. Vickie trug nur schwarze Wäsche. Was hatte sie auch in meinen Sachen zu kramen?

      »Elender Coyote«, brüllte sie, »gottverdammter Mistkerl«, und feuerte wieder.

      Es war nun genug. Ich wehrte das Geschoss ab, wischte mir das Blut vom Mund und sprang.

      »Rühr mich nicht an, du Wichser«, schrie sie.

      Da konnte sie ganz beruhigt sein. Schlagen würde ich sie nicht, eine uralte Hemmung hinderte mich, Gleiches mit Gleichem zu vergelten oder Schlimmes mit Schlimmerem, ich hatte noch Reserven. Ich entriss ihr nur das Stück Seide, das nicht ihr gehörte, champagnerfarben, wie es war. Dann schnappte ich mir meine Jacke und zog die Tür hinter mir zu. Ich trat auf den Schwanz der schwarzen Katze, die auf der Schwelle gehockt hatte und entsetzt das Weite suchte, ich hörte ihre Racheschwüre. Als ich den Schlüpfer in die Jackentasche stopfte, fühlte ich das Papier.

      Der Brief war gestern angekommen. Ich schniefte. Die Nase blutete nicht mehr. Sie schmerzte, aber das würde mich nicht das Leben kosten. Das Schreiben war an Miss Vickie Morton, Fillmore Street, San Francisco adressiert, ein gelber Brief in einem gelben Umschlag, ich überflog ihn abermals. »Ciao, du Schlampe«, stand da in steiler Handschrift und auf Italienisch, »jetzt bricht die Zeit des Teilens an. Bis bald.« Keine Unterschrift. Kein Absender.

      Nachdem ich das gelbe Knäuel in eine Mülltonne geworfen hatte, versuchte ich meine Gedanken zu sammeln. Ein aussichtsloses Unterfangen. Die Nase. Der Blutverlust. Und keine Gedanken.

       Ich setzte mich auf die unterste Stufe einer Treppe, die zu einem Haus in Viktorianischem Stil führte. Schön still war es. Die Kreissäge schwieg. Ich steckte mir eine Gitane an. Die waren schwer zu kriegen, das hier war das Marlboro-Land. Ich hatte mich oben auf der Haight Street damit eingedeckt. Wer auf der Haight nach dem Mythos suchte, der konnte lange suchen. Doch der Tabakladen war gut.

      Ein Typ schlappte schräg über die Straße, genau auf mich zu. Er war lang und dürr, trug einen Sturzhelm, eine Sonnenbrille, eine Motorradbrille und einen roten Schal. Der war gerüstet für den Fall, dass die Temperaturen um dreißig Grad absackten, Polarstürme losbrachen oder ein Erdbeben die Pinien umwarf. Auf seiner Schulter hockte ein Eichhörnchen. Er lächelte mich an.

      »Ist das nicht ein wundervoller Tag«, sagte er sanft, und es war keine Frage. »Der Himmel so blau, das Gras so grün, die Seele so klar, es ist ein weiterer erstaunlicher Tag.«

      Ja, dachte ich und fasste mir an die Nase, so ein Tag war das.

      »Man nennt mich Bekker«, meinte er förmlich, »mit Doppel-K. Und das kleine Eichhörnchen heißt Abendröte. Ich wünsche dir, dass Friede in deinem Herzen wohnen möge. Auch für den Flößer, sagt Gandhi, wird beschwerlich der Rückweg über heiße Erde.«

      Ich und Friede, du heiliger Bimbam. Und mein Rückweg würde nicht nur beschwerlich sein. Er war mir schlicht versperrt. Zu heiß die Erde.

      »Du siehst nachdenklich aus, mein Freund«, bemerkte Bekker und spielte mit seinen weißen Händen, die schmal waren wie die der Venus von Botticelli, er spielte mit ihnen in seinem Haar, das gülden unter dem Sturzhelm hervorquoll, das Eichhörnchen schaute ihm dabei zu.

      »Wisse«, fuhr er fort, »es braucht fünf Jahre der Nachdenklichkeit, um einen reinen Gedanken zu säen. Es währt weitere fünf Jahre, des Gedanken Gestalt wachsen und sich entfalten zu sehen, ihn still zur Blüte gedeihen zu lassen, oh ja. Und erst nach abermals fünf Jahren ist der Gedanke zu jener Frucht gereift, die zu pflücken und zu verschenken uns sodann gegeben ist. Bis dahin bleibt uns, die Erde zu ehren, und darum küsse ich diesen Boden.«

      Er kniete mitten auf der Straße nieder, und worauf er da seine lächelnden Lippen drückte, das war schlicht Asphalt. Immerhin hatten sie heute hier schon gekehrt und gewischt, das war eine saubere Stadt, in der die Bettler sich nicht allzu schmutzig machten, wenn sie ihre Plätze einnahmen. Es war noch keiner da. Hier saß nur ich, und ich würde niemals betteln, ich saß nur da und rauchte und schaute jemandem dabei zu, wie er die Straße knutschte.

      Weiter oben heulte die Kreissäge von Neuem auf. Hier gab es Leute, die Hunde hatten, es gab Leute mit Katzen oder Eichhörnchen, und andere hielten sich eine Kreissäge.

      Trödelnd nahte ein Wagen, schwarz und weiß und frisch gewaschen, die Sonne spielte mit Reflexen. Auf dem Dach prangte eine Lichtorgel mit gelben, roten und blauen Lämpchen. Sie orgelte nicht.

      »Pass auf, Mann«, rief ich, doch das war gar nicht nötig. Behutsam stoppte der Wagen zwischen Bekker und mir. Ein untersetzter Mann in bügelfreier Uniform stieg aus. Sie spannte über seinen Schultern, und der Gürtel war mit allerlei Gerätschaften behängt, Schreibgerät, Funkgerät, Schießgerät und zwei Paar Handschellen. Der Cop warf einen prüfenden Blick auf Bekker, der sich lächelnd erhoben hatte. Das Eichhörnchen putzte sich die Nase mit beiden Pfoten, eine anmutige Geste, vielleicht ein Zeichen von Nervosität.

      Der Cop hatte keine Eile. Er beugte sich durchs Wagenfenster, angelte sich einen Wisch, den er studierte und wieder wegsteckte. Dann umrundete er seinen Wagen. Ich war ebenfalls aufgestanden, ich hatte keine Lust zuzusehen, wie Bekker samt Helm und Schal und Brillenkollektion