Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Laurin Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740971649
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tupfte sie ab.

      »Wo fehlt es denn, Frau Hammilton?«, fragte er betont höflich.

      »Jonas soll kommen«, stammelte sie. »Keiner kümmert sich um mich. Niemand hat Zeit. Mir tut alles weh.«

      Ein Zittern durchlief ihren Körper, ihre Augen verdrehten sich. Sie bot einen erschreckenden Anblick. Dann verlor sie plötzlich das Bewusstsein.

      Dr. Dietsch läutete und gab seine Anordnungen. Der Medikamentenwagen wurde gebracht. Eine Infusion wurde vorbereitet, und der Tropf wurde angehängt. Als Dr. Dietsch gerade damit fertig war, erschien Dr. Jonas Bernulf, ein mittelgroßer, schlanker Mann, der augenblicklich völlig konsterniert schien.

      »Ein Kreislaufzusammenbruch«, erklärte Dr. Dietsch knapp. »Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen, Herr Kollege.«

      Dr. Bernulf folgte ihm deprimiert. Als sie das Chefarztzimmer erreicht hatten, sagte er leise: »Ich habe solche Folgen befürchtet.« Dann trat er ans Fenster. »Machen Sie mir Vorwürfe, Herr Kollege?«

      »Keineswegs. Ich hätte früher mit Ihnen sprechen sollen. Frau Hammilton neigt zu absonderlichen Reak­tionen. Meine Krankenschwestern haben sich verschiedentlich beschwert. Ich möchte das Personal nicht verlieren.«

      »Es ist eine Kindbettpsychose, wie ich annehme. Bettina hat das alles nicht verkraftet«, sagte Jonas Bernulf leise. »Aber Professor Gellinger war der Meinung, dass sich ihr Zustand durch die Geburt bedeutend bessern würde. Mein Vater erwartet von mir Wunder, die ich nicht vollbringen kann, Herr Kollege.«

      »Sollten wir über diesen Fall nicht einmal sprechen, Herr Bernulf?«, fragte Dr. Dietsch. »Ich bin sehr wenig informiert.«

      »Ich sollte eigentlich keine Informationen weitergeben, aber ich kann die Sache nicht mehr allein verantworten«, stöhnte der junge Arzt. »Am Ende bleibt alles an mir hängen. Verstehen Sie mich bitte. Ich fühle mich menschlich verpflichtet, alles, was möglich ist, für Bettina zu tun. Mein Vater hat genug Sorgen mit Charlotte. Das ist Bettinas Mutter, die zweite Frau meines Vaters. Mein Gott, ich kann Sie doch nicht mit meinen familiären Problemen aufhalten …«

      »Warum nicht? Es geht um eine Patientin, die in meiner Klinik liegt, und ich musste feststellen, dass sie in einem desolaten Zustand ist.«

      »Ja, das ist sie, und das war sie während der gesamten Schwangerschaft. Aber ich habe keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Das muss ich wohl zugeben. Mir ist unbegreiflich, was diesen Zustand hervorruft. Professor Gellinger hat mich wohl nicht hinreichend informiert.«

      »Was hat er Ihnen gesagt?«, fragte Dr. Dietsch.

      »Dass Bettina zu Beginn der Schwangerschaft unter Hormonstörungen gelitten hätte, und dass die Schwangerschaft dadurch auch erst verhältnismäßig spät festgestellt werden konnte. Die Periode hielt über drei Monate, wenn auch abgeschwächt, an. Das hat Bettina ausgesagt. Als die ersten Geburtswehen einsetzten, musste ich mit einer Frühgeburt rechnen. Aber es war ein ausgetragenes Kind. Das alles hat mich durcheinandergebracht, und dafür werde ich von Charlotte heftig angegriffen. Darf ich auf Ihre Diskretion rechnen, wenn ich Ihnen diese Umstände erzähle, Herr Kollege?«

      »Selbstverständlich.«

      »Ich muss persönliche Dinge erwähnen, wenn ich Ihnen genau erklären will, wie Bettina meine Patientin wurde. Mein Vater hatte mir die Praxis eingerichtet. Ich war offen gestanden, gegen seine Heirat gewesen. Ich habe sehr an meiner Mutter gehangen, und als ich Charlotte kennenlernte, war ich der Überzeugung, dass sie nicht die richtige Partnerin für meinen Vater sein könnte. Es gab da Meinungsverschiedenheiten, über die ich nicht gern sprechen möchte.«

      »Das brauchen Sie auch nicht«, sagte Dr. Dietsch. »Als Arzt und Inhaber dieser Klinik ist nur Frau Hammilton als Patientin für mich von Interesse.«

      »Ich lernte Bettina erst vor drei Monaten kennen. Sie hatte in der Schweiz gelebt und war von Professor Gellinger betreut worden. Sie war in ausgezeichneter Verfassung, als mein Vater mich ersuchte, die weitere Betreuung zu übernehmen. Er hat es ja auch arrangiert, dass ich als Belegarzt zu Ihnen kam. Es war zur Versöhnung zwischen uns gekommen. Mein Gott, ich wollte keine Feindseligkeit aufkommen lassen, und ich hatte auch keinen Grund, mich über meinen Vater zu beklagen. Bettina war reizend, aber irgendwie auch nicht glücklich, wie es schien. Sie hatte sich von ihrer Ehe wohl mehr versprochen. Conny war selten zu Hause, das machte ihr zu schaffen.«

      »Sie hat also nicht darüber gesprochen, welchen Arzt oder welche Ärzte sie konsultierte, bevor sie von Professor Gellinger betreut wurde?«, warf Dr. Dietsch ein.

      »Nein. Es gab keinen anderen Arzt, jedenfalls weiß ich davon nichts.« Dr. Bernulf sah Dr. Dietsch offen an. »War sie vorher bei einem anderen Kollegen in Behandlung?«

      »Es könnte möglich sein«, erwiderte Dr. Dietsch ausweichend. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir alles sagen würden, was Sie wissen.«

      »Das ist schwierig. Ich bin da meinem Vater verpflichtet«, erwiderte der Jüngere. »Es war ja nur eine Vermutung von ihm, dass Bettina nicht ganz gesund gewesen sein könnte, schon bevor sie heiratete. Ich bin da in einen Teufelskreis geraten. Jetzt wird es mir ganz bewusst.«

      »Es gibt immer einen Ausweg, Herr Bernulf«, sagte Dr. Dietsch.

      »Immer? Ich weiß nicht. Sie haben mehr Erfahrung als ich, aber ich habe in der letzten Zeit manchmal das Gefühl gehabt, dass Professor Gellinger die Verantwortung von sich abwälzen wollte. Ich habe mich auch schon mit ihm in Verbindung gesetzt.«

      »Und was hat er gesagt?«

      »Dass die Beschwerden wohl aus dem psychischen Bereich kämen, da die Ehe nicht sonderlich harmonisch verlaufe.«

      »Stimmt das?«

      »Ich kann es nicht beurteilen, da ich Conny kaum kenne. Er ist beruflich sehr engagiert. Männer wie er sollten nicht so früh heiraten, aber das Kind war wohl der Grund. Und Bettina ist diesbezüglich sehr verklemmt. Ihre Mutter sollte es wohl nicht wissen, dass sie schon schwanger war, als sie heiratete. Sie hat sich da in etwas hineingesteigert, was zwangsläufig Konflikte hervorrufen musste.«

      Dr. Dietsch überlegte, denn Jonas Bernulf tat ihm jetzt aufrichtig leid. Der junge Kollege saß zwischen zwei Stühlen.

      »Setzen wir uns doch«, schlug er vor. »Wir müssen wenigstens versuchen, die Ursache dieser Psychose zu enträtseln.«

      »Aber wie?«, fragte Dr. Bernulf.

      »Nehmen wir einmal an, es zeigte sich bei Frau Hammilton schon bei Beginn der Schwangerschaft ein Krankheitsbild, vielleicht sogar schon vorher. Es kann – es könnte möglich sein, dass ein Gynäkologe ihr demzufolge zu einem Schwangerschaftsabbruch riet, sie diesen Rat aber nicht befolgen wollte. Sie ging zu einem anderen Arzt, und der sagte das Gegenteil. Das soll es ja geben. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, bitte, verstehen Sie mich richtig.«

      »Mein Vater bat mich, Bettina zu betreuen«, sagte Dr. Bernulf nach längeren Schweigeminuten. »Sie lebt jetzt auch bei meinen Eltern. Das heißt, bis sie in die Klinik kam. Conny hat sich damit einverstanden erklärt.«

      »Ist ihm seine Frau gleichgültig?«, fragte Dr. Dietsch.

      »Er ist der Ehe einfach nicht gewachsen, glaube ich, und Bettina war sehr launisch in letzter Zeit.« Er schwieg sekundenlang, dann meinte er: »Aber ich sollte das wohl nicht alles sagen.«

      »Aber wir wollen doch gemeinsam einen Weg finden, um Frau Hammilton zu helfen«, meinte Dr. Dietsch. »Ich hatte den Eindruck, dass sie Ihnen sehr zugetan ist.«

      »Mir ist das etwas peinlich. Es könnte falsch gedeutet werden«, sagte er leise. »Ich wollte nur meinem Vater diesen Gefallen erweisen. Wenn ich ehrlich sein darf, muss ich sagen, dass ich Bettina auch nicht lange ertragen könnte. Sie ist zu exzentrisch.«

      »Ihnen gegenüber hat Frau Hammilton keine Beschwerden geäußert?«, fragte Dr. Dietsch.

      »Nein, auch wenn Sie es mir jetzt nicht glauben. Sie war immer in bester Laune, wenn sie zu mir kam. Wir sind auch manchmal zum Essen gegangen, und da