„Warte. Auf diese Heldenverehrung muss ich antworten. Liebe Contessa, haben Sie noch nicht mitbekommen, dass Helden aus der Mode gekommen sind? Wenn Sie sich einmal Zeit nähmen, würde ich Ihnen gern beweisen, welche Kraft die Ideologie der Verneinung freisetzt. Der Destruktivismus verschlingt die alten Werte und deutet sie um.“
„Da können Sie lange auf mich warten. Warum soll ich mich mit so einer negativen Schwurbelei belasten?“, winkte Estefania ab.
Er sah auf die Uhr und trank seinen Rum mit einem Zug aus.
„Im Regis Grand gibt es eine Dichterlesung mit dem berühmten Vergil Nuovo, der auch dem Destruktivismus zuneigt. Mein Happening beginnt erst um zwei Uhr. Wir hätten also noch Zeit, uns bis dahin auszutauschen.“
„Lasst uns gehen“, forderte Maja energisch. Sie knuddelte noch einmal Spencer. Er jaulte sehnsuchtsvoll, als sie abzog. Ich bekam zum Abschied einen Blick, der wohl sagen sollte, dass sie jede Versöhnung zu den Akten gelegt hatte.
„Du wusstest genau, das Maja hier mit dem Fernsehfritzen auftauchen würde!“, warf ich nach dem Abgang der drei Estefania vor.
„Stimmt“, gab sie freimütig zu. „Wie sollte ich dir sonst beibringen, wie es um deine große Liebe steht?“
„Du bist eine Kanaille!“
„Auch das. In der Liebe ist es wie im Krieg. Alles ist erlaubt.“
„Ein Allgemeinplatz! Das Wort Liebe hast du schon inflationär gebraucht.“
„Auch das stimmt“, sagte sie unerschütterlich. „Aber du kannst nicht leugnen, dass ich hartnäckig bin.“
„Der Kerl macht sie doch nur unglücklich.“
„Richtig. Das Ganze dauert nur eine Saison. Sie wird dann einen ganz schönen Kater haben. Er ist bekannt dafür, dass er unter seinen Groupies wildert. Doch nun genug der Trauer! Lass uns zu mir fahren, damit ich dich auf andere Gedanken bringe.“
Natürlich hätte ich dies abschlagen sollen. Aber ich fühlte mich so gedemütigt, dass ich schwach wurde. So viel zu meinem Heldentum. Ich brauchte mir nur vorzustellen, was Menotti in dieser Nacht noch mit Maja anstellte, um Magenschmerzen zu bekommen.
Wir fuhren also zum Palazzo Mazarini und sie gab sich Mühe, mich auf andere Gedanken zu bringen. Die meisten Männer in Rom hätten mich darum beneidet, die Contessa im Arm zu halten. Aber bei allem Schweiß, es war eine Menge Verzweiflung dabei.
Als ich am frühen Morgen den Palast verließ, fühlte ich mich wie zerschlagen und war voller Gewissensbisse. Es war keine gute Idee gewesen, sich wieder mit Estefania einzulassen.
Ich war an der Spanischen Treppe angelangt, da fielen mehrere Schüsse. Sie galten offensichtlich nicht der Treppe, sondern mir. Ich hechtete mich hinter den Springbrunnen. Eine Salve jagte die nächste. Das waren keine Revolverschüsse, sondern Maschinenpistolenfeuer. Spencer bellte wütend.
„Komm zu mir, Spencer!“, schrie ich verzweifelt. Er folgte nicht. Ich hatte Angst um ihn. „Komm, Spencer! Komm her!“
Der Mond hing noch als blasse Scheibe am Himmel. Der Springbrunnen begann wieder mit seinen Fontänen. Ein feiner Wasserschleier fiel auf mein Gesicht. Erneut kam eine Salve. Über mir schlug eine Kugel in das steinerne Gesicht des Neptun.
3
Die Mafia vergisst nicht
Die Schüsse kamen aus der Via Condotti. Die Mafiosi – wer konnte es sonst sein – hörten nicht auf, den Brunnen zu bepflastern. Sie rissen nur kleine Gesteinssplitter aus der Brunnenumfassung. Spencer jaulte auf. Endlich kapierte er und kam winselnd zu mir. Ich zerrte ihn an mich heran. Sein Fell war nass. Blut. Sie hatten meinen Hund verletzt. Ich stand auf und schoss die Revolvertrommel leer. Zwei Schatten huschten heran und es wäre um mich geschehen gewesen, wenn der Deus ex Machina in Gestalt eines Polizeiwagens mir nicht zu Hilfe gekommen wäre. Sie kamen mit Sirene und Blaulicht von der Zugangsstraße zur Piazza del Popolo neben der Spanischen Treppe herab. Die Schatten verschwanden zur Via Condotti hin. Die Polizisten sprangen mit gezückten Pistolen aus ihrem Auto. Da sonst niemand da war, richteten sie ihre Waffen auf mich. Um Missverständnisse auszuschließen, ließ ich meine Waffe fallen. Sie stießen mich gegen den Brunnenrand und tasteten mich ab.
„Was ist hier los?“, schnauzte der Ältere.
„Sieht so aus, als wollte man mich umlegen. Rufen Sie Hauptkommissar Montebello an. Der erklärt Ihnen alles. Nun machen Sie schon. Mein Hund ist verletzt. Ich muss mit ihm zum Arzt.“
„Papiere?“, fragte der Jüngere.
„In meiner Seitentasche.“
Er fischte sie heraus und staunte erst einmal.
„Sie sind Detektiv aus Hamburg, haben aber einen italienischen Waffenschein?“
„Rufen Sie Hauptkommissar Montebello an“, forderte ich noch einmal. Mein Hund sah mit bettelnden Augen zu mir hoch. Endlich folgten sie meinem Vorschlag. Nach vielem Hin und Her bekamen sie Montebello an den Apparat. Sie standen sofort stramm. Montebello war in Rom eine große Nummer. Schließlich reichten sie mir den Hörer des Autotelefons.
„Bist du verletzt?“
„Nein. Aber mein Hund.“
„Sie haben schnell reagiert. Wie viele Leben hast du schon verbraucht?“
„Langsam erreiche ich die kritische Phase.“
„Die Polizisten sagten, dass es Maschinenpistolenschüsse gewesen sind.“
„Richtig. Sie waren sehr eifrig mit ihren Liebesgrüßen.“
„Na gut. Ich sage ihnen, dass sie dich zu einem Tierarzt fahren. Und sei vorsichtig!“
Meine Bekanntschaft mit Montebello hatte die Polizisten schwer beeindruckt. Sie fuhren mich zu einem Tierarzt am Campo de’ Fiori. Es war nur ein Streifschuss. Spencer bekam eine Spritze, die er geduldig hinnahm. Der Arzt scherte ihm das Fell um die Wunde und säuberte sie mit großer Behutsamkeit. Natürlich wollte er wissen, wie es zu dieser Verletzung gekommen war. Ich sagte nur „Mafia!“ und er wollte keine weitere Erklärung. Mein Hund sah mich dankbar an. Ich streichelte seinen Kopf und er leckte mir winselnd die Hände.
„Ein sehr diszipliniertes Tier“, lobte der Arzt.
„Er ist kein Tier, sondern ein Menschenhund!“, lobte ich Spencer. Der Arzt nickte verständnisvoll.
„Ja. Es gibt solche Hunde. Ich hatte da mal einen Patienten …“
Ich hörte nicht hin. Für mich war Spencer ohnehin unvergleichlich. Die Polizisten fuhren mich sogar zur Via del Babuino.
Noch vor der Tür meines Hotelzimmers hörte ich das Telefon klingeln. Spencer verzog sich in den Sessel und sah mich, den Kopf auf die Pfoten gelegt, hechelnd an. Es war nochmal Montebello.
„Wie geht es dir und dem vermaledeiten Hund? Ich weiß ja, wie sehr du an ihm hängst.“
„Es scheint ihm ganz gut zu gehen.“
„Es wundert mich, dass sie es so schnell und so plump versucht haben.“
„Ich habe ihnen ja schon mal in die Suppe gespuckt. Vielleicht reagieren sie auf mich etwas allergisch …“
„Soll ich vor dem Hotel einen Wagen postieren?“
„Nein. Das würde die ganze Straße auf mich aufmerksam machen. Ich werde schon zurechtkommen.“
Ich ging zu unserem Büro hinüber. Spencer tat so, als würde er seine Verwundung nicht spüren und kam mit. Marcello sah von seinem Computer auf und stutzte.
„Siehst ziemlich mitgenommen aus!“
Ich schilderte ihm die Nacht. Estefania ließ ich aus.
„Dann sollten wir uns gleich