Sie führten immer die gleiche Auseinandersetzung und kamen niemals zu einer Einigung. Er behauptete, dass das Töten von Wölfen ein Job wie jeder andere war und auch nicht unmenschlich sei, weil er Wölfe niemals aus Spaß töte, und sie wehrte sich gegen das unnütze Töten von Tieren, die Ranchern und Farmern nicht gefährlich wurden.
Wenn er nur nicht so verteufelt gut aussähe, dachte sie und begann zu husten, als mit dem plötzlich drehenden Wind dunkle Rauchschwaden heranzogen und ihr für einen Augenblick den Atem nahmen. Auch Jason hustete, zog ein Taschentuch hervor und reichte es ihr. Es nützte wenig gegen den Rauch.
»Verdammt ungemütlich hier«, sagte sie nach einer Weile.
»Und heiß«, fügte er hinzu.
Sie gab ihm das Taschentuch zurück. Es tat ihr beinahe leid, dass sie ihn wieder so scharf angegangen hatte. »Bleibst du noch lange in der Gegend?«
»Bis das Feuer unter Kontrolle ist.«
»Ich werde wohl auch eine Weile bleiben.«
Sie wollte noch etwas sagen, irgendetwas Nettes, dass ihm zeigte, wie sehr sie ihn eigentlich mochte, als Phil zwischen den Bäumen hervortrat. »Ah, da sind Sie, Carla. Der Chief will Sie sehen. Wir haben die Welpen gefunden.«
»Ich muss gehen«, sagte sie.
Der Chief wartete bereits. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass wir für persönlichen Kram keine Zeit haben. Bei so einem Feuer zählen oft Sekunden. Wenn Sie hier was erreichen wollen, müssen Sie sich an die Regeln halten.«
»Tut mir leid, Chief.«
Baxter reichte ihr einen Helm mit Klappvisier. »Hier, nehmen Sie den. Klappen Sie das Visier runter, sonst fliegen Ihnen Funken in die Augen. Das tut höllisch weh, und wenn Sie Pech haben, können Sie nichts mehr sehen.«
Sie tauschte den Helm aus, bekam es plötzlich mit der Angst zu tun.
Er sah, wie sie zögerte. »Ich bringe Sie hin. Wenn Sie dicht hinter mir bleiben, kann Ihnen nichts passieren.« Er überprüfte ihre Kleidung und nickte zufrieden. »Wir gehen nicht weit. Eine Viertelmeile am Bach entlang und dann ans andere Ufer. Dort ziehen meine Männer eine zweite Brandschneise und glauben, auf den Wolfsbau gestoßen zu sein. Sind Sie bereit, Carla?«
»Das will ich doch hoffen.«
Sie bahnten sich einen Weg durch das Ufergestrüpp, liefen einer hinter dem anderen am Bach entlang und gerieten dabei dichter an die Flammen heran, die an manchen Stellen sogar drohten, auf ihre Seite überzugreifen. Der Wind stand ungünstig, trieb ihnen mörderische Hitze entgegen, die trotz der Schutzkleidung schmerzhaft auf der Haut zu brennen schien. Durch das teilweise verschrammte Visier sah sie die Flammen in den Baumkronen toben, gelb und rot flackernd, auf fatale Weise faszinierend schön und gleichzeitig bedrohlich. Das Knistern und Knattern des Feuers war extrem laut, der heiße Atem eines Ungeheuers, das alles verschlingen wollte, was sich ihm in den Weg stellte. Jeder Schritt schien sie ihrem Untergang näher zu bringen.
Bevor Baxter den Bach überquerte, sah er sich nach ihr um. Carla war nur wenige Schritte hinter ihm und rief: »Alles klar, Chief!«. Sie stapfte hinter ihm durch den knöcheltiefen Bach, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, damit sie auf den glatten Flusskieseln nicht ausrutschte, und ließ sich von ihm auf die Uferböschung helfen. Die Luft glühte vor Hitze. Der heiße Wind wehte leuchtende Funken heran, die wirkungslos auf ihrer Schutzkleidung und dem feuerfesten Visier zerplatzten. Die Hitze war kaum noch zu ertragen.
Aus der Ferne war bereits der Bulldozer zu hören, aber es dauerte noch über eine Viertelstunde, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Dass sie länger als von Baxter vermutet gebraucht hatten, lag vor allem an dem sich ständig drehenden Wind, der sie immer wieder zu Umwegen gezwungen hatte. Vor ihnen hatten die Firefighter eine Schneise quer durch eine Lichtung geschlagen, breit genug, um das Feuer am Übergreifen zu hindern und den Waldbrand wenigstens auf dieser Seite zu stoppen. Die Flammen auf der anderen Seite loderten so heftig, dass man nicht mal den Himmel sah und keine Ahnung hatte, ob es schon Abend war. Hier draußen gab es nur das Feuer, eine elementare Macht von ungeheurer Zerstörungswut, die keine anderen Gefühle zuließ, nur die Angst, von dem tobenden Ungeheuer verschlungen zu werden.
Als sie in die aufgewühlte Erde der Brandschneise stiegen, kam ihnen einer der Firefighter entgegen. Er gehörte zu dem Team, das die gerodeten Furchen von Gestrüpp und Unkraut befreite. »Chief … Miss …«, begrüßte er sie. »Der Bau ist da hinten.« Er ging bereits voraus, führte sie über die Brandschneise zu einer steilen Böschung, wo das Feuer zum Greifen nahe war.
Er bückte sich vor dem Eingang zur Wolfshöhle. »Wir hätten den Bau beinahe übersehen, aber dann hat einer der Welpen seine Nase rausgestreckt. Aber als wir ihn packen wollten, zog er sich rasch wieder zurück. Wir kommen da nicht rein, Chief, aber die Lady ist schlank, die könnte es schaffen.«
»Ich will’s versuchen«, sagte sie. Sie legte sich vor dem Eingang auf den Boden, schaltete die Taschenlampe ein, die der Chief ihr reichte, und robbte in den Bau hinein. Der Gang war gerade so breit und hoch, dass sie hindurchpasste. Mit ihrem Körper blockierte sie alles Licht, das von draußen hereinfiel, und war auf den Lichtstrahl ihrer Taschenlampe angewiesen, brauchte aber einige Zeit, bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
»Alles okay?«, drang es dumpf von draußen herein.
»Alles klar, Chief«, antwortete sie.
Sie war froh, nicht an Platzangst zu leiden, sonst wäre sie in dem engen Bau sicher durchgedreht. Auch so fiel es ihr schwer, ruhig zu bleiben. In dieser Enge war die Hitze noch unerträglicher, und sie fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen und zu ersticken. Nur mühsam behielt sie sich unter Kontrolle.
Im Schein der Taschenlampe suchte sie nach den Welpen. Erst nachdem sie fast vollständig in den Bau gekrochen war, sah sie die jungen Wölfe verängstigt in einer Ecke hocken. Nur zwei Tiere waren noch am Leben. Die anderen drei waren tot. »Keine Bange«, beruhigte sie die Welpen, »ich bin gekommen, um euch zu helfen. Zuerst mal müssen wir hier raus, und dann bringe ich euch zu einem Arzt. Habt keine Angst, wir kriegen euch wieder hin.«
Sie nahm die Taschenlampe in den Mund und packte die Welpen mit beiden Händen. Die Kleinen wehrten sich nicht, waren viel zu schwach und erschöpft. Auf Knien und Ellbogen kehrte sie mit den Welpen ins Freie zurück.
»Wow!«, staunte der Firefighter. »Das war ganze Arbeit!«
Carla reichte dem Chief einen der beiden Wölfe und wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn. Der Firefighter half ihr auf. »Keine Wunden, aber sie sehen schwach aus«, sagte sie, nachdem sie die Tiere flüchtig untersucht hatte. »Ich schätze mal, sie waren zwei, drei Tage allein. Sie sind dehydriert und brauchen dringend Ersatz-Muttermilch. Haben wir alles bei uns im Wolf Center. Um sie aus dem Gröbsten herauszuholen, müsste ich Ihnen etwas Zuckerwasser einflößen, das haben Sie doch sicher im Camp?«
»Kein Problem«, erwiderte der Chief. »Phil soll Sie mit den Welpen nach Cooper Landing fahren. Dort gibt es einen Tierarzt, der die Versorgung der Kleinen übernehmen kann, bis Ihre Leute kommen. Fahren Sie mit den Welpen zurück?«
»C. J., so heißt unser Tierarzt und Chefpfleger, wird mit dem Flieger kommen. Wir haben gute Beziehungen zu den Flugdiensten. Aber ich würde gern noch zwei, drei Tage bleiben, falls die Mutter eines Welpen auftaucht.«
»Kein Problem. Meinen Sie, die Mutter ist noch am Leben?«
»Ehrlich gesagt, habe ich nicht viel Hoffnung.« Sie dachte an den Wolf, den Jason erschossen hatte. Eine Wölfin. »Für solche Fälle haben wir Muttermilch eingefroren. Wir kriegen sie wieder gesund, da bin ich sicher, aber es wird einige Zeit dauern. Wie Menschen, die bei so einer Katastrophe ein Trauma erleiden können, müssen auch Tiere einen solchen Schock erst mal überwinden. Unsere Leute sind für so was ausgebildet, vor allem C. J.«
Mit den Wölfen im Arm kehrten sie zum Camp zurück. Jason war nicht mehr dort, aber einige Firefighter, die gerade abgelöst worden waren, blickten neugierig zu ihr herüber, wegen der Welpen oder ihretwegen,