»So, das war es wohl«, sagte sie jetzt und griff nach ihrer Handtasche. »Alles andere werden wir unseren Anwälten überlassen. Ich bedauere es, daß wir uns vor Gericht noch einmal feindselig gegenüberstehen werden müssen. Aber ich sehe keinen anderen Weg, einem unerträglichen Zustand ein Ende zu bereiten.«
Alexander erhob sich ebenfalls. »Es wird hart auf hart gehen, Julia«, erwiderte er mit schmalen Augen. »Am Ende wirst du die Verliererin sein.«
Sie maßen sich noch einmal mit Blicken, in beider Augenpaare lag Entschlossenheit und eine große Distanz.
»Adieu, Alexander.« Julia neigte diesmal nur den Kopf, sie wandte sich ab und verließ mit leichtem Schritt die Halle.
Mathias wird mit mir zufrieden sein, dachte sie.
Alexander Rodenbach aber suchte noch die Hotelbar auf. Er hatte das zwingende Gefühl, jetzt einen Schluck vertragen zu können.
*
Aufmerksam hatte Jennifer Karmann ihrem Verlobten zugehört, als er ihr mit verbissener Miene, im Raum auf und ab gehend, von den Absichten seiner geschiedenen Frau erzählte. Jetzt nahm sie eine Zigarette aus dem silbernen Etui und brannte sie an.
»Setz dich bitte mal hin, und lauf nicht ständig herum«, sagte sie, nachdem sie den ersten Zug getan hatte. »Ich finde diese ganze Aufregung maßlos übertrieben.«
»So, findest du«, erwiderte Alexander gereizt. »Dann hast du keine Ahnung, was ein erneuter Prozeß für Scherereien mit sich bringen wird. Dieses ganze Gezerre um meinen Sohn hat mich schon seinerzeit genug Nerven gekostet. Soll das nun wieder anfangen…«
»Muß es ja nicht«, sagte Jennifer und sah einem aufsteigenden Rauchwölkchen nach. »Man sollte nicht vor Gericht gehen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.«
»Sie ist nicht davon abzubringen. Julia hat neuerdings Haare auf den Zähnen. Dahinter steht ihr zukünftiger Mann, der ausgerechnet Rechtsanwalt ist.« Er setzte sich endlich hin und sah finster vor sich nieder.
»Warum überläßt du Florian nicht seiner Mutter? Das wäre doch das Einfachste. Sei nicht so stur in deinem Besitzanspruch. Ich habe das nie ganz verstanden.«
Mit einem Ruck hatte Alexander den Kopf gehoben. Seine Stirn hatte sich gerötet. »Ich habe schon gemerkt, daß du mit meinem Sohn nicht viel im Sinn hast«, warf er ihr vor. »Du würdest wohl ganz gern auf ihn verzichten. Aber ich kann mir das Leben ohne ihn nicht vorstellen.«
»Werde bitte nicht pathetisch, das paßt nicht zu dir«, erwiderte Jennifer gelassen. »Es ist nicht so, daß ich Florian nicht mag, er ist ein nettes Kerlchen. Aber du kannst keine überschwenglichen Gefühle für ihn von mir verlangen. Sollten wir die Sache nicht mal nüchtern betrachten? Mir bleiben weiterhin Aufgaben als Teilhaberin der Firma Karmann, also kann ich nicht ständig über einen kleinen Jungen wachen. Deine Mutter fühlt sich sowieso überfordert. Ein neues Kindermädchen wird nicht so schnell zu haben sein, und überhaupt sollte sich doch jeder vernünftige Mensch sagen, daß ein Kind bei seiner leiblichen Mutter besser aufgehoben ist als in der Obhut einer bezahlten Person.«
Ihre in ruhigem Ton vorgebrachten Argumente verfehlten ihren Eindruck auf Alexander nicht. Sein Atem ging schwer. »Ich soll ihn also verlieren«, murmelte er dumpf.
»Ach, was, du wirst ihn doch nicht verlieren«, hielt Jennifer ihm eindringlich entgegen. »Dein Haus kann Florian immer offenstehen. Einige dich in Güte mit Julia. Sie wird bestimmt dazu bereit sein. Muß man sich denn ein Leben lang böse sein, wenn die Ehe wegen der Verschiedenheit der Charaktere in die Brüche gehen mußte?«
Sie drückte ihre Zigarette aus, stand auf und legte Alexander die Hand auf die Schulter. »Tu mir den Gefallen, und gib nach!«
»Du verlangst viel von mir…«
»Ich verlange es nicht, ich bitte dich darum und hoffe auf deine Einsicht.« Jennifer beugte sich zu ihm und berührte mit den Lippen kosend seine Wange. »Du wirst doch nicht wollen, daß unsere Flitterwochen demnächst durch Auseinandersetzungen getrübt werden, oder?«
Alexander griff nach ihrer Hand und küßte sie. Daß es doch eine Frau gab, bei der er schwach werden konnte. »Du bist die Stärkere, Jennifer«, sagte er und zog sie zu sich herab.
*
Vier Wochen später setzte Julia ihren neuen Namen auf die Heiratsurkunde: Julia Walden. Damit war ein Kapitel ihres Lebens abgeschlossen, das ihr viel Leid gebracht hatte. Schon schien es
fern zu liegen. Nur in die Zukunft richtete sich ihr strahlender Blick.
Als sie an der Seite ihres Mannes das Standesamt verließ, kam zu ihrer Überraschung eine schöne blonde Frau auf sie zu. Jennifer Karmann!
»Ich möchte Ihnen gratulieren und viel Glück wünschen, Julia«, sagte sie, und sie gab auch Dr. Walden die Hand.
»Danke.« Die beiden so verschiedenen Frauen sahen sich an. »Ich habe«, sprach Julia verhalten, »es sicher nicht zuletzt Ihnen zu verdanken, daß Alexander Frieden mit mir geschlossen hat. Wie haben Sie das nur fertiggebracht, was mir im ersten Moment unfaßlich erschien?«
»Alexander muß man zu nehmen wissen, Julia. Sie waren zu weich für ihn. Recht muß Recht bleiben: Sie sind die Mutter. –
Ach, da ist er ja. Hallo, Florian!
Du hast dich heute aber feingemacht.«
»Hey, Jennifer, wo kommst du denn auf einmal her?« fragte der Junge, der mit den Trauzeugen nachgekommen war. Er trug einen hübschen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte. »Den zieh ich auch an, wenn du meinen Vater heiratest. Ist ja bald, ne?«
Für Florian war die Welt wieder in Ordnung. Er war nun immer bei seiner Mama und bei Mathias, dem neuen Papa.
Am Abend rief Carsten Faller noch an. Ina hatte einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, Julian. »Das ist ja ein wahrer Glückstag heute«, freute sich Julia. Gleich morgen wollte sie Ina und ihr Patenkind besuchen.
Es kam in der darauffolgenden Zeit allerhand Arbeit auf Julia zu, denn sie zogen in eine neue Wohnung. Florian fand sie super.
»Und wozu ist das Zimmer, wo ihr noch keine Möbel reinstellt?« wollte er wissen.
»Da werden schon noch Möbel hineinkommen, wenn wir eine größere Familie sein werden«, verriet ihm seine Mama mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Du solltest doch noch mindestens ein Geschwisterchen bekommen, mein Schatz.«
»Ach so, ja, von mir aus«, sagte Florian. »Die Jennifer hat auch schon so was gesagt, jetzt wo sie mit meinem Vater verheiratet ist. Der möchte das nämlich gern. Das kann ja was werden.«
»Ja, das wird was!« lachte Julia übermütig, packte ihn und schwenkte ihn herum. Mathias kam dazu, er schmunzelte: »Worüber freut ihr euch denn so, ihr beiden?«
»Weil ich jetzt weiß, wofür wir das leere Zimmer brauchen, Papa!« rief Florian und klatschte in die Hände.
– E N D E –
Roman von Eva Maria Horn
»An ihrer Stelle würd’ ich Janus heute nicht reiten, Marie-Luise.« Der Besitzer des Pferdeshofes musterte die junge Dame voll Wohlwollen. In ihren abgetragenen Jeans, dem blauen Pullover, der lang war und gammelig wirkte, sah sie keineswegs aus sie die berühmte Schauspielerin des Theaters, von der jeder sprach. »Ich war gestern abend im Theater, Marie-Luise. Meine Frau und ich waren begeistert.«
»Warum soll ich Janus nicht reiten? Ist etwas mit ihm?«
Er sah sie beinahe jeden Tag, aber immer wieder begeisterte