»Na klar. Oder, Mama? Hast du ihn eingesteckt?«
»Eigentlich hättest du selbst daran denken sollen. Aber ich habe ihn, ja. Unten in der Tasche.«
Suse und Christine setzten sich ins Wohnzimmer, während Daniel ins Schlafzimmer umsiedelte. Im Grunde waren sie bereit für die Gäste, aber es war noch Zeit, um sich ein bißchen zu unterhalten und ein Gläschen Sekt zum Anwärmen zu trinken.
Eine Stunde später brach die Hölle los. Die Dekoration war also mehr als passend gewählt. Zehn der Gäste kamen gleichzeitig, es herrschte ein solches Tohuwabohu, bis alle Blumen und Geschenke überreicht und alle Umarmungen erledigt waren, daß Christine in Schweiß ausbrach. Aber man meinte es gut mit ihr. Selbst Leute, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, gaben ihr Küßchen und wünschten ihr viel Glück. Als sie vollzählig waren, stimmte Suse ein Lied für Christine an und alle sangen mit. Daniel amüsierte sich bombig, denn den Text hatte Suse auf Happy Birthday umgestaltet. Er holperte reimlos dahin und schließlich brach alles in Lachen aus und niemand konnte weitersingen.
Schon während der Darbietung war Christine ein Mann aufgefallen, der ihr ausnehmend gut gefiel. Er hatte schwarze Haare und ein klassisches Profil. Bei solchen Gesichtern war sie schon immer schwach geworden, wenn auch nur innerlich. Frank war fast das Gegenteil gewesen. Wahrscheinlich sollte man seinem Ideal treu bleiben…
Dieser Mann jedoch schien zu ihrer Freude auch noch allein gekommen zu sein. Bei der ersten Gelegenheit fragte sie Suse nach ihm.
»Das ist Adrian von Manger, der Restaurantbesitzer, von dem ich dir erzählte.«
»Kein Wort hast du von ihm gesagt.«
»Wir haben gestern sein Restaurant eingeweiht.«
»Ach der…, und da hast du ihn gleich eingeladen? Ist er ein Geschenk für mich?«
»Finger weg. Ich habe mehr an mich gedacht, als ich ihn bat zu kommen…«, drohte Suse scherzhaft mit dem Finger.
»Oh…, ja dann…«
»Na gut, lassen wir ihn selbst entscheiden. Du mußt dich ja nicht gerade so in Pose werfen, wenn er dich ansieht…«
»Ich werde mir Mühe geben«, versprach Christine, wußte aber nicht, wie ernst es Suse mit ihrem Interesse war.
Suse hatte ständig wechselnde Begleiter und schien damit zufrieden zu sein. Aber wenn sie sich wirklich ins Gehege kommen würden…
»Entspann dich. Er mag vielleicht gar keine Frauen. Sein bester Freund sieht auch gut aus…, aber er hatte keine Zeit zu kommen.«
Zwei Stunden später, sie waren alle gestärkt und bester Laune, tanzte Adrian von Manger mit Christine.
Sie hatte keinen Grund zu glauben, daß er keine Frauen mochte, als sie seine Hand auf ihrem Rücken spürte. Im Gegenteil, wenn sie nicht alles täuschte, war er an ihr interessiert. Ihr Herz klopfte schneller. Sie wußte nicht, wie weit sie gehen durfte, ohne Suse, die immer wieder zu ihnen herüberschaute, zu verärgern.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?« fragte er, wobei seine Lippen ihr Ohr kitzelten.
»Warum fragen Sie?«
»Weil Sie ein bißchen verkrampft sind.«
»Oh…, nein, mir geht es sehr gut…«
Sie lächelte. Schließlich wollte sie höflich sein. Es war doch nett von ihm zu bemerken, daß sie nicht locker war.
»Fein. Es wäre auch schade, wenn Sie sich auf Ihrer Party nicht amüsieren. Gehen Sie gern essen?«
»Ja, sehr gern.«
»Dann müssen Sie mich unbedingt in meinem neuen Restaurant besuchen. Es heißt ›Orpheus‹.«
»Ach, daher also diese Deko. Die Hölle, beziehungsweise die Unterwelt.«
»Richtig. Es kam gut an bei meinen Eröffnungsgästen. Suse hat wirklich etwas los.«
»Das hat sie. Sie ist genial.«
»Und was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Geburtstag feiern?«
»Ich bin Notarin.«
»Wie schön. So etwas kann man immer brauchen. Jetzt kenne ich also auch eine Notarin…«
Christine mußte lachen. Solche Sprüche mußten sich Ärzte sicher oft anhören, aber zu ihr hatte man das noch nicht gesagt.
»Ich würde mich freuen, wenn Sie wirklich einmal kommen.«
»Das mache ich bestimmt.«
Suse wirkte schon etwas beunruhigt. Christine nahm ein wenig Abstand und setzte sich nach diesem Tanz äußerst ungern wieder auf ihren Platz, während Adrian jetzt Suse aufforderte. Ihre Freundin übte nicht die Zurückhaltung, die sie Christine aufgezwungen hatte. Sie hing an diesem aufregenden Mann wie eine Kletterpflanze.
Es gab noch mehr Männer zum Flirten, denn tatsächlich hatte Suse es geschafft, etliche dieser Exemplare solo einzuladen. Was natürlich nicht heißen mußte, daß sie das auch sonst waren. Manch einer hatte seine bessere Hälfte vielleicht ganz gern zu Hause gelassen. Als Bilanz des rundherum netten Abends blieb Christine die Erkenntnis, daß ihr keiner so gut gefallen hatte wie Adrian, der aber offenbar in den Fängen von Suse hängengeblieben war. Suses Großzügigkeit hatte Grenzen.
*
Am Sonntag schliefen sie aus. Christine war mit ihrem Sohn trotz Suses Protest nach Hause gefahren und hatte versprochen, gegen Mittag wieder bei ihrer Freundin zu sein, um aufzuräumen und die Spuren der Party zu beseitigen. Sie wollte Suse nicht ins Gehege kommen, falls sie mit Adrian…
Das war jedoch nicht der Fall, wie sie zu ihrer Erleichterung erfuhr, als sie mit Suse in der Küche saß und Reste verzehrte. Daniel war bei Christines Mutter. Sie würde ihn dort am Abend abholen.
»Ein aufregender Mann. Er hat ganz schön mit mir geflirtet.«
»Ich finde ihn auch sehr nett.«
»Was hältst du davon, wenn wir nächste Woche mal zu ihm gehen? Zum Essen?«
Das hätte Christine lieber allein gemacht. Sie wußte nicht einmal, ob sie Suse von seiner Einladung erzählen durfte. Aber wenn sie sich jetzt weigerte, wäre das auch blöd.
»Können wir machen. Ich weiß nur noch nicht wann.«
»Macht ja nichts. Halte dir vielleicht den Mittwoch oder Donnerstag frei. Montag oder Dienstag sieht zu eifrig aus, und ab Freitag ist da bestimmt viel zuviel zu tun, als daß er sich um uns kümmern könnte.«
»Okay. Ich sage dir noch Bescheid. Ist er nicht irgendwie verbändelt?«
»Nein, er ist geschieden. Schon lange, irgend jemand hat es mir erzählt. Bei der Einweihung war er auch allein als Gastgeber. Sonst wäre doch seine Partnerin mit dort gewesen an so einem Tag.«
»Hm. Und wie ernst ist es dir?«
Christine konnte sich diese Frage einfach nicht verkneifen. Auf der anderen Seite wollte sie nicht den Eindruck erwecken, als kämpfe sie wie ein Hund um denselben Knochen. Um sich lächerlich zu machen oder die Freundschaft zu gefährden, war Adrian von Manger nun doch nicht wichtig genug.
»Kann ich noch nicht sagen. Er gefällt mir sehr gut. Vielleicht bin ich mein Single-Leben doch allmählich leid.«
Diese Antwort hatte Christine trotz allem nicht erwartet. Sie erfreute sich auch nicht sonderlich.
»Was machst du für ein Gesicht? Ich sagte dir doch, daß ich ihn nett finde. Sonst hätte ich ihn nicht eingeladen.«
»Schon gut. Ich wünsche dir viel Glück.«
Ja, das tat Christine tatsächlich. Sie beschloß auf der Stelle, sich nicht mehr um Adrian von Manger zu kümmern. Zwar wollte sie sein Restaurant noch sehen und Suse begleiten, wie sie es gesagt hatte, aber darüber hinaus würde sie alles