Männerblues. Bernhard Spring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernhard Spring
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783954623747
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knurrte Anja. „Der Herr Kriminalkommissar – entschuldige, Kriminalhauptkommissar – musste ja unbedingt auf Verbrecherjagd.“

      „Wir standen kurz vorm Abschluss des Falls … “

      „Ach, und Stefan hätte das nicht alleine hinbekommen? Du und dein elender Ehrgeiz!“

      Verärgert griff sich Anja nun doch ihre Kaffeetasse und zog sich wieder in ihren Stuhl zurück. Thamm aber konnte nicht einfach so weiteressen.

      „Dass wir immer streiten müssen neuerdings“, sagte er betreten.

      „Liegt das etwa an mir?“, gab Anja bissig zurück. Aber dann fing sie sich endlich wieder und kam runter. „Ach Till … “, meinte sie so süß, dass Thamm ihr einfach nicht widerstehen konnte, „komm doch mal her.“ Sie stellte die Tasse weg und schlang ihre Arme um ihn, der nur allzu gern darin versank. „Das sind diese blöden Hormone“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Aber das renkt sich bald wieder ein, versprochen.“

      Thamm seufzte schwer an ihren Hals. Wenn er ihr doch nur glauben könnte! In diesem Augenblick kam er sich so einsam vor, mit der kränkelnden Anja, mit dem schlafenden Benni und sonst nichts an diesem endlosen, leeren Sonntagnachmittag.

      „Das wird schon wieder“, meinte Anja nun und klang dabei so ungewohnt sanft und mütterlich, dass Thamm unwillkürlich an den einen Abend denken musste, an dem ihm Anja angeboten hatte, ihre Milch zu probieren. Er war schon vorher ganz fasziniert von dem Gedanken gewesen und hatte sich nun, wo Anja es auch noch vorgeschlagen hatte, entsprechend begeistert an ihre Brust gelegt und seinen Mund in Stellung gebracht. Aber schon als er ihre Brustwarze mit den Lippen umschlungen hatte, war da so ein komisches Gefühl in ihm aufgestiegen. Und die paar Tropfen Milch, die Anja gerade so übrig hatte, hatten einfach nur zum Kotzen geschmeckt. Thamm hatte mit einem Mal kapiert, dass Anja nun nie wieder dieselbe werden würde. Sie war immer noch seine Freundin, klar, er war immer noch scharf auf sie – aber sie war eben auch Mutter und ihr Körper hatte nun an allen Enden eine konkrete Funktion, war nicht mehr nur die Spielwiese, als die er manche Region bisher aufgefasst hatte.

      Entzaubert und trotzdem zauberhaft, dachte Thamm nun etwas melancholisch und fragte sich, ob es umgekehrt genauso wäre; ob Anja ihn auch eines Tages mit anderen Augen entdecken würde. Vielleicht wenn er irgendwann mal mit dem ersten Blasenproblem zum Urologen müsste und dann aufgedeckt würde, dass sein Schwanz auch nicht unverwundbar war. Sicherlich würde ihn Anja dann immer noch in den Mund nehmen, aber vielleicht würde sie die ganze Sache dann etwas praktischer angehen und noch mehr Krankenschwester nach Hause bringen. Und ins Bett!

      Wie war Thamm nur auf dieses Thema gekommen? Verwundert über sich selbst, kroch er unter Anjas Armen vor und setzte sich zurück auf seinen Liegestuhl. Etwas beunruhigt fuhr er sich durchs Haar. „Vielleicht sollten wir mal wieder Stefan und Jette einladen“, schlug er vor, weil er den Eindruck hatte, ein Thema wechseln zu müssen, und nahm sich geistesabwesend noch ein zweites Stück Kuchen.

      „Wen sonst?“, neckte ihn Anja ohne jeden Vorwurf. „Aber vielleicht nicht gerade Morgen, da … oh!“

      Benni meldete sich mit einem kleinen Schrei aus seinen Träumen zurück. Anja setzte schon zum Sprung aus ihrem Stuhl an, aber Thamm winkte ab. „Bleib ruhig sitzen“, meinte er, und Anja beobachtete erstaunt, wie sich Thamm in Richtung Hollywoodschaukel begab.

      „Er hat bestimmt eingemacht“, rief sie ihm hinterher. „Riech mal hinten dran.“

      Thamm warf einen prüfenden Blick in die Babyschale. „Ach was“, gab Thamm zurück, „der schläft ja noch halb.“

      „Dann schaukle ihn mal ein bisschen, dann pennt er wieder ein.“

      Als ob Thamm diesen Hinweis gebraucht hätte! Er kannte seinen Jungen doch mindestens genauso gut wie Anja. Also nahm er den Griff und ließ Benni knapp über das Gras baumeln, hin und her. Der Junge blinzelte kurz in die Sonne, so als müsste er sich vor dem Weiterschlafen erst noch versichern, wer sich da eigentlich an ihm zu schaffen machte, dann schloss er auch schon wieder die Augen.

      Ein paar Minuten noch, dachte Thamm, dann hat sich das auch schon wieder. Aber so lästig, wie er sich das vorgestellt hatte, war diese Schaukelei gar nicht. Endlich kam mal ein bisschen Bewegung in seine Arme, in seinen Körper – die Lethargie dieses lahmen Nachmittags verschwand langsam aus seinen Knochen. Und Thamm fiel plötzlich ein, wie er sich noch mehr Luft verschaffen könnte.

      „Du, ich dreh mal kurz ne Runde durchs Viertel, ja?“

      Anja sah ihn wieder so überrascht an. „Schläft er noch nicht?“, fragte sie ungläubig.

      „Nee, nur mal so“, meinte Thamm.

      „Na, wenn du unbedingt willst … “, meinte Anja bloß und zuckte mit den Schultern. Und Thamm steckte die Babyschale auf den fahrbaren Untersatz, schob das etwas sperrige Gerät die Einfahrt runter und bog in die Junkerstraße ein. Links standen die Fertigteilhäuser, rechts auch, alle hatten sie eine Garage, manche ein Vordach dazu, andere Solarzellen auf dem Dach – das Fliegerstädtchen sah in allen seinen Straßen gleich aus, überall gab es denselben scheiß prosperierenden Mittelstand samt Steingarten zu sehen. Und Thamm war es somit scheißegal, in welche Richtung es gehen sollte.

      Benni schlief.

      Thamm döste vor sich hin.

      Die Luft hing bleiern über der Siedlung. Könnte noch gewittern, dachte Thamm und besah sich prüfend den milchig weißen Himmel.

      Das Kind sah nicht gerade wie er aus. Überhaupt fand Thamm an dem Jungen nicht die geringste Ähnlichkeit mit irgendwem. Benni war ganz eigenartig, ganz für sich. Viel gab es noch nicht mit ihm zu machen, er konnte ja nicht mal sitzen oder auch nur den Kopf halten. Und den kleinen Wurm zu wickeln, zu baden und rumzutragen, wenn er schrie oder pupsen musste und nicht konnte – das waren ja eher so Funktionsaufgaben, das hatte ja nichts mit Spaß zu tun. Zumindest fühlte Thamm nichts besonders Erhebendes dabei. Aber wenn er mit Benni allein war und ihm irgendwas zuraunen konnte, als wäre er schon älter und ein guter Kumpel – dann war es cool, den ollen Hosenscheißer um sich zu haben.

      „Ach, der Herr Thamm“, kreischte ihn da plötzlich eine etwas zu hoch gelagerte Stimme aus seinen Gedanken.

      Thamm fuhr zusammen. Was um alles in der Welt …

      „Das ist ja schön, dass ich Sie mal sehe. Und dann auch gleich mit dem Sohnemann. Na ja, unter der Woche bleibt Ihnen ja bestimmt nicht viel Zeit.“

      Eine für Thamms Geschmack etwas zu pummelig geratene Frau trat mit einem Satz aus der Hecke, stellte sich direkt neben Thamm auf und beugte sich tief über den Kinderwagen, um einen Blick hineinzuwerfen. „Ich darf doch mal?“, fragte sie, noch bevor Thamm reagieren konnte, und dann kam nur noch ein „Och, ist der niedlich“ und „Sind sie nicht süß, wenn sie schlafen?“ aus dieser Frau geseufzt, und Thamm fragte sich resigniert, warum ausgerechnet er das Pech hatte, so einer bescheuerten Vorstadtschnepfe in die Arme zu laufen.

      „Also, Herr Thamm!“, stieß sie plötzlich empört aus, kaum dass sie wieder aus dem Kinderwagen aufgetaucht war. „Sie glauben ja gar nicht, wie froh ich bin, Sie zu sehen. Es ist einfach furchtbar!“

      Thamm versuchte verzweifelt, sich an die Frau zu erinnern, aber umsonst. Je mehr er drüber nachdachte, umso sicherer wurde er sich, dass er diese Schrapnelle noch nie zuvor gesehen hatte. Was ihr vertrauliches Getue für ihn noch belämmerter werden ließ. Aber was hatte Anja gesagt? „Wir müssen hier noch ne Weile wohnen … “ Und so quetschte sich Thamm ein möglichst nettes „Aha?“ raus und machte ein erstauntes, möglichst nicht allzu spöttisches Gesicht.

      „Ach Gott!“, entfuhr es der Frau und mit der Rechten griff sie sich an die Brust. „Glauben Sie ja nicht, dass ich Sie belästigen will!“ Zu spät, dachte Thamm und verkniff sich nun doch ein ironisches Grinsen. So allmählich ahnte er, worauf das hier hinauslaufen würde.

      „Und ich dachte ja, die Leute würden von sich aus aufhören“, fuhr die Frau in einem jammernden Ton fort. „Immerhin, wo Sie doch bei der Polizei sind.“ Also doch, dachte er. Die Frau mit der Hand