Diese Arbeit wurde an der Universität Mannheim als Masterarbeit eingereicht und mit der Höchstnote bewertet. Auf Empfehlung von Frau Prof. Dr. Julia Angster und Frau Prof. Dr. Angela Borgstedt wurde die Arbeit in das Programm von wbg Young Academic aufgenommen.
„Herrn Kells Masterarbeit trägt dazu bei, die Enttäuschung eines nicht geringen Teils der DDR-Gesellschaft – und gerade der demokratischen Opposition im Land – über den 1990 eingeschlagenen Weg in die parlamentarische Demokratie zu erklären.“
Julia Angster
"Frank Kells Masterarbeit ist konzeptionell innovativ, in der Argumentation überzeugend und sprachlich exzellent."
Angela Borgstedt
Frank Kell
Demokratie und Sozialismus und Freiheit
Die DDR-Bürgerrechtsbewegung und die
Revolution von 1989/90
überarbeitete Fassung der Masterarbeit,
Universität Mannheim, 22. Januar 2018
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ISBN 978-3-534-40192-5
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-534-40194-9
eBook (epub): 978-3-534-40193-2
Inhalt
3. Die DDR-Bürgerrechtsbewegung
3. 1. Formierung der Bürgerrechtsbewegung in den 1980er Jahren
3. 2. Die „zivile Gesellschaft“ und das „authentische Leben“
3. 3. Die Bürgerrechtsbewegung und „das Volk“
4. Herbst 1989 und die Entfaltung der „zivilen Gesellschaft“
5. Winter 1989/90 und der Zentrale Runde Tisch
5. 1. Demokratische Legitimation – aber wie?
5. 2. Eine neue Verfassung „für unser Land“
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7. 1. Quellen und Quellensammlungen
1. Einleitung
„Ein Leiter eines Gemüseladens placierte im Schaufenster zwischen Zwiebeln und Möhren das Spruchband ‚Proletarier aller Länder, vereinigt euch!‘ – Warum hat er das getan? Was wollte er damit der Welt mitteilen? Ist er wirklich persönlich so für die Idee der Vereinigung der Proletarier aller Länder begeistert? Geht seine Begeisterung so weit, daß er das unwiderstehliche Bedürfnis hatte, die Öffentlichkeit mit seinem Ideal bekannt zu machen? Hat er wirklich irgendwann – und wenn auch nur einen Moment – darüber nachgedacht, wie sich so eine Vereinigung verwirklichen sollte und was sie bedeuten würde?“1
Diese Alltagserscheinung problematisierte der tschechische Dramatiker, Dissident und spätere Staatspräsident Václav Havel in seinem zehn Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings veröffentlichten Essay „Die Macht der Ohnmächtigen“. Der Text sollte zu einem zentralen Dokument nicht nur der Charta 77 in der ČSSR, sondern der gesamten ostmitteleuropäischen Regimekritik, einschließlich derjenigen in der DDR, werden.2 Havels Gemüsehändler hatte sich freilich keine Gedanken über die Folgen einer Vereinigung der Proletarier aller Länder gemacht, als er das Spruchband in sein Geschäft hing. Ihm ging es auch gar nicht um den proletarischen Internationalismus oder den Klassenkampf, sondern um eine Botschaft an die in seinem Laden ein- und ausgehenden Käufer, Passanten, Lieferanten und Parteimitglieder, ein solidarischer Teil ihrer Gesellschaft zu sein. Havel wollte damit auf die Manipulation des Individuums, auf das Verbiegen und Mitmachen im Alltag, den Konformitätsdruck und die Machtstrukturen, letztlich auf eine „Selbstvergewaltigung der Gesellschaft“3 in seiner Zeit aufmerksam machen.
„Die vorhandenen Strukturen, die immer wieder übernommenen prinzipiellen Strukturen lassen Erneuerung nicht zu. Deshalb müssen sie zerstört werden. Neue Strukturen müssen wir entwickeln, für einen demokratischen Sozialismus.“4
Mit diesen Worten wandte sich der damals 25-jährige Schauspieler Jan Josef Liefers an die Demonstrierenden auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989 und brachte damit den Grundkonsens einer nonkonformen bis oppositionellen Strömung zum Ausdruck, die sich, vereint