Die Geliebte des Mörders. Christian Macharski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Macharski
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783981663877
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befinde sich aktuell in eben diesem Programm und stehe zurzeit unter seinem persönlichen Schutz. Die Frau hatte den Mantel, das Haartuch und die Sonnenbrille mittlerweile abgelegt und Will stellte fest, dass sie ausgesprochen attraktiv war.

      „Was ist denn ein Zeugenschutzprogramm?“, fragte Will mit ernster Miene.

      „In erster Linie streng geheim“, antwortete Kleinheinz trocken. „Frau Dinglmaier hat eine neue Identität erhalten, weil sie vor Gericht als Kronzeugin ausgesagt hat. Da wir durch diese Aussage eine große kriminelle Vereinigung sprengen konnten, befindet sie sich infolgedessen in akuter Lebensgefahr. Meine Aufgabe und die meiner Kollegen ist es nun, für Frau Dinglmaiers Sicherheit zu sorgen und sie zunächst einmal an einem ruhigen Ort unterzubringen.“

      „Und da bist du natürlich als Erstes auf Saffelen gekommen“, lachte Will.

      „Nicht nur auf Saffelen, sondern speziell auf euch. Ihr habt doch jetzt gerade wunderschöne Gästezimmer eingerichtet, die aber noch nicht vermietet sind.“

      „Woher weißt du das denn? Ich bin doch heute erst fertig geworden.“

      Kleinheinz grinste. „Ich bin Polizist. Schon vergessen? Nein, im Ernst. Die Seite mit eurer Pension ist schon seit einer Weile online. Ich vermute mal, dein Schwiegersohn war so frei. Auf jeden Fall habe ich mir gedacht, das könnte die richtige Übergangslösung sein. Ich brauch nur zwei, drei Tage, um etwas zu regeln, dann sind wir hier wieder weg. Es gab da ein paar kleinere Probleme.“

      Will hob die Augenbrauen. „Kleinere Probleme?“

      Kleinheinz beugte sich vor und verfiel in einen leichten Flüsterton. „Das Programm für Lilly, also Frau Dinglmaier, war nach dem üblichen Prozedere angelaufen. Wir hatten ihr neue Urkunden und Pässe besorgt, eine Wohnung, einen Job, aber die ganze Sache ist aufgeflogen und die Mafia hätte sie fast erwischt. Der Typ, den sie hinter Gitter gebracht hat, ist eine Riesennummer in Frankfurt. Der hat mächtige Freunde.“

      „Sehr mächtige Freunde“, ergänzte Lilly, die bisher schweigend danebengesessen hatte. Will lief ein kalter Schauer den Rücken herunter.

      Kleinheinz nickte wie zur Bestätigung und fuhr fort: „Für so ein Kaliber ist es kein Problem, seine Jungs aus dem Knast heraus zu dirigieren. Normalerweise ist so ein Zeugenschutzprogramm aber wasserdicht. Deshalb muss es in diesem Fall einen Maulwurf in unseren Reihen gegeben haben. Ich habe daraufhin als Leiter der Operation entschieden, dass wir den Schutz von Frau Dinglmaier nur noch auf einen ganz engen Kreis von Mitwissern beschränken. Außer mir gibt es nur noch drei Beamte, die in den Fall involviert sind. Und für alle drei lege ich meine Hand ins Feuer. Bis wir wissen, wo wir sie letztlich unterbringen, würde ich gerne mit ihr hierbleiben.

      Ich habe alle Spuren verwischt, die uns betreffen. Hier wird uns also niemand vermuten. Das Wichtigste ist jetzt: Allerhöchste Geheimhaltung! Aus diesem Haus darf nichts nach draußen dringen. Deshalb lautet die entscheidende Frage: Wo ist Marlene?“

      Will verstand, worauf der Kommissar hinauswollte. „Die ist im Keller und macht die Wäsche“, sagte er. „Du hast recht. Wir sollten ihr eine andere Geschichte auftischen. Zum einen macht die sich nur wieder unnötig Sorgen und zum anderen könnten wir das sonst auch gleich in die Tageszeitung setzen. Was hältst du davon, wenn wir sagen, dass die Frau Dinglmaier deine Verlobte ist und du die der schöne Selfkant zeigen willst? Und dass du uns als alter Freund hier besuchst, dürfte ja keinen wundern im Dorf.“

      Kleinheinz sah über seine Schulter und Lilly nickte ihm mit einem angedeuteten Lächeln zu. Der Kommissar rieb sich kurz übers Kinn und meinte: „Warum nicht? Außerdem fällt mir auch nichts Besseres ein.“

      Will erhob sich und rief mit seinem tiefen Bass nach seiner Frau. Es dauerte nicht lang und Marlene schnaufte mit einem vollen Wäschekorb die Kellertreppe hinauf. Als sie den Kommissar erblickte, ließ sie den Korb fallen und schlug sich die Hände vor die Wangen. „Das gibbet doch gar nicht. Bist du das wirklich, Peter!“, presste sie hervor, während ihre Augen feucht wurden.

      Kleinheinz ging auf sie zu und umarmte sie herzlich. „Hallo Marlene, wir wollten euch besuchen kommen.“

      „Wer ist denn wir?“ fragte Marlene irritiert, bevor ihr Blick auf Lilly fiel, die auf dem Sofa sitzengeblieben war.

      Kleinheinz stellte die beiden Damen einander vor. „Lilly, das ist Marlene. Marlene, das ist Lilly Dinglmaier, meine Verlobte. Wir wollten ein paar Tage bei euch bleiben, quasi als Hoteltester.“

      Marlene drückte die junge Frau an ihre mächtige Brust und sagte: „Das freut mich aber. Der Peter ist ein ganz besonderer Mann. Der hat es verdient, wieder glücklich zu sein!“ Sie ließ los und Lilly holte Luft. „Dann kommen Sie doch gleich mal mit nach oben, Frau Dimpflmoser. Ich zeig Sie die Zimmer. Noch können Sie sich das Schönste aussuchen.“

      „Hör mal“, rief Will ihr hinterher. „Bis auf Weiteres sind die beiden unsere einzigsten Gäste. Wir warten mit die große Eröffnung von ‚Wills Wald- und Wiesenparadies‘ noch, bis die wieder weg sind. Damit die was Ruhe haben.“

      Marlene drehte sich am Treppenabsatz um und erwiderte: „Nee, das geht nicht. Morgen zieht noch ein Gast ein. Ein Schriftsteller, der hier arbeiten will. Den hab ich heute in der Kreisverwaltung getroffen und der ist ganz begeistert von ‚Haus Marlene‘.“

      „Wie ‚Haus Marlene‘?“ Wills Augen zuckten nervös. „Was ist das denn für ein Name? Das hört sich ja an, wie ein unseriöses Etablissemeng! Ich denke, wir waren uns schon einig mit der Name. Und was ist das überhaupt für ein komischer Schriftsteller-Gast? Werd ich hier vielleicht auch noch mal wegen irgendswas gefragt?“

      Kleinheinz, der ähnliche Eskalationen früher oft miterlebt hatte, griff sofort ein. „Beruhig dich, Will. Das ist doch überhaupt kein Problem, wenn hier noch ein Gast wohnt. Mach dir darüber keine Gedanken.“

      Will schnaubte noch einmal laut, regte sich aber schnell wieder ab. Er nahm den Cognacschwenker vom Wohnzimmertisch und erhob ihn staatsmännisch. „Na dann, würde ich mal sagen: Liebe Frau Dingensmaier, lieber Peter. Herzlich willkommen in ‚Wills Wald- und Wiesenparadies‘.“

       5

      Sonntag, 7. Juni, 8.30 Uhr

      Der mit viel Liebe gestaltete Frühstücksraum der Pension hatte es Hauptkommissar Kleinheinz besonders angetan. Will, Schlömer Karl-Heinz und dessen Schwager Horst, ein begnadeter Schreiner und Fensterbauer, hatten sich hier besonders viel Mühe gegeben. Will hatte sich dazu entschieden, den ehemaligen Vorraum zum Schweinestall, in dem früher das Futter angemischt wurde und der auf der rechten Seite an den Kuhstall grenzte, zum Speisesaal umzubauen. Das hatte den Vorteil, dass der Raum von der Küche aus gut zu erreichen war, um Marlene lange Wege zu ersparen. Zum anderen konnte mit einem einfachen Durchbruch ein Zugang zur Treppe nach oben geschaffen werden, sodass die Gäste von ihren Zimmern sofort in den Frühstücksraum gelangten. Die Einrichtung mit den vier rustikalen Eichentischen und den dazu passenden Stühlen mit Sitzkissen war weniger spektakulär als der besondere Clou, den Will sich hatte einfallen lassen. Er hatte in die Wand zum Kuhstall eine riesige Panoramascheibe einsetzen lassen, durch die man nun die Tiere beobachten konnte, quasi ein analoger Livestream aus der Welt der Landwirtschaft.

      Kleinheinz stand mit einer Tasse Kaffee vor der Scheibe und sah den Kühen fasziniert beim Fressen zu. „Eine klasse Idee“, bemerkte er anerkennend, „und auch das Frühstück war 1A. Es wird nicht lange dauern, bis ihr eine Fünf-Sterne-Herberge seid. Ich hab vorhin mit Lilly gesprochen. Sie fühlt sich nicht nur sehr wohl hier, sondern sie hat auch zum ersten Mal seit Wochen durchgeschlafen. Das ist im Moment das Wichtigste. Sie muss dringend zur Ruhe kommen. Du kannst dir nicht vorstellen, was die Frau alles mitgemacht hat in den letzten Monaten.“

      Will war ganz überrascht von der Leidenschaft, mit der Kleinheinz sprach. Er kannte ihn von früher eher als kühlen Analytiker, was ihn zu der Frage veranlasste: „Hör mal, Peter. Das ist mir gestern Abend schon aufgefallen. Du sagst immer Lilly für die Frau Dinglhuber.