Und wenn das nicht geht, so lässt sich ein Leben als Außenseiter im Ausland auf jeden Fall legitimer und angenehmer leben, als ein Außenseiterleben daheim in Schweden. 15
Die Fremdheit der zweiten Generation
Ich bin oft Menschen begegnet, die in einem anderen als dem Heimatland der Eltern aufgewachsen sind. Einige von ihnen habe ich als Emigranten in anderen Ländern getroffen. Zu Beginn der 1970er Jahre arbeitete ich in Saudi-Arabien. Dort traf ich viele Holländer, Briten, Franzosen und Italiener, die in den ehemaligen Kolonien in Afrika und Asien aufgewachsen waren. Einen Teil ihrer Ausbildung hatten sie in der Heimat der Eltern bekommen. Dort hatten sie es meist schwer gehabt, sich zurecht zu finden. Gleichzeitig war der Rückzug in das Land, in dem sie aufgewachsen waren, nicht möglich. Diesen Menschen war gemeinsam, dass sie sich in ganz anderen Ländern niederließen, für kürzere oder längere Zeit.
Manchmal kann die Idealisierung des Heimatlandes durch die Eltern dazu führen, dass sich die Kinder schwertun, sich in dem neuen Land zu verwurzeln. Der schwedische Schriftsteller Zbigniew Kuklarz (Pseudonym) schreibt in seinem autobiografischen Buch, wie er in einer polnischen Familie in Schweden aufgewachsen ist mit starken Verbindungen zum Heimatland, wo man gerne das Polnische für kostbarer als das Schwedische glorifizierte. Das schaffte in ihm einen Konflikt, als er sich, wie alle Kinder, mit der ihn umgebenden schwedischen Gesellschaft identifizieren wollte. Diesen Interessenkonflikt trug er bis weit hinein ins Erwachsenenalter. Das erste Mal, dass er einen Platz fand, wo er sich selbst innerhalb und normal fühlte, war, als er in San Francisco arbeitete.
Zwischen Chinesen, Mexikanern, Schwulen und Hippies. Da waren alle anders und ich nur einer in der Menge. […] Ein unglaublich behagliches Gefühl, einzuschmelzen.[…] Nicht eine einzige verdammte heile Identität. 16
Während meines Lebens habe ich viele Menschen wie Zbigniew getroffen. In ihrer Suche nach einer Identität wählen sie ein drittes Land; nicht das, in dem sie aufgewachsen sind, und auch nicht das Heimatland der Eltern.
Nicht immer ist die Ansiedlung in einem dritten Land die Lösung für einen solchen Konflikt. Matti wählte eine andere, originellere Art. Er war 15 Jahre alt, als seine Familie von Finnland nach Schweden umzog. Als er 20 Jahre alt war, brach er begeistert auf, um dem Einberufungsbefehl zum Militärdienst in Finnland Folge zu leisten. Er hasste Schweden und die Schweden. Unter dem Einfluss seiner Eltern und der finnischen Siedlung war er von Finnlands heroischer Geschichte stark beeindruckt.
Nun sollte er seine Pflicht tun für das Heimatland und danach für immer dortbleiben, aber:
„Das Verhalten der Offiziere mir gegenüber war, 'den verdammten Schweden da hinauszudrängen'. Der Autoritätsglaube, der in der finnischen Armee herrschte und von dem ich in Schweden verschont geblieben war, bewirkte, dass ich nach Abschluss der Wehrpflicht nach Schweden zurückkam. Obwohl diese Erlebnisse negativ waren, bewirkten sie, dass ich die Welt nuancierter zu sehen begann. Dies trug auch dazu bei, dass ich so allmählich meine innere Balance zwischen dem Finnischen und dem Schwedischen fand.“
Nach ein paar Jahren beschloss er, nach Australien auszuwandern. Als er gerade das Visum beantragt, Reisetickets gebucht und die Eigentumswohnung verkauft hatte, begegnete ihm Maria, ein Mädchen aus Spanien. Er heiratete sie und sie lebten glücklich in Schweden. „Ihr Spanischsein war meine Emigration.“
Motive für den Umzug
Die Frage ist, ob es immer etwas im persönlichen Hintergrund geben muss, das bewirkt, dass man umzieht. Ich glaube das nicht. Nicht für den Deportierten, nicht für den Vertriebenen, für den Flüchtling und Emigranten und auch nicht für den, dessen einzige Überlebenschance darin bestand, die Heimat zu verlassen. Auch nicht für diejenigen, meistens Frauen und natürlich Kinder, die kaum eine Wahl haben, wenn ihr Partner oder ihre Eltern auswandern. Aber wie ist das mit uns anderen?
Man wünscht sich vielleicht, dass es ausschließlich rationale, vernünftige Ursachen für einen Umzug gibt. Aber wenn dem nicht so ist? Es gibt viele verschiedene Motive dafür, zu emigrieren, sowohl gefühlsmäßige als auch äußere Gründe.
Ein kosovo-albanischer Flüchtling fragt:
Weshalb man geflohen ist, kann man nicht mit Worten beschreiben. Reicht es nicht damit: Dass man sein Leben verlassen hat? 17
Sollten wir uns damit zufriedengeben? Oder sollten wir doch versuchen, Worte dafür zu finden? Auf jeden Fall kann es hilfreich sein, über die Hintergründe und verschiedenen Motive für einen Umzug zu reflektieren.
Der Kluge passe sich, im Schmuck des Geistes wie des Leibes, der Gegenwart an, wenngleich ihm die Vergangenheit besser schiene. Bloß von der Güte des Herzens gilt diese Lebensregel nicht; denn zu jeder Zeit soll man die Tugend üben.
Baltasar Gracián18
ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN
Wenn ich in Polen zu Besuch war, wurde ich oft über das Leben im Westen befragt. Besonders in den 1980er Jahren, vor dem Fall der Mauer. Die Menschen waren des Kommunismus' überdrüssig, es fehlte ihnen an Zukunftsvertrauen und sie wollten das Land verlassen. Ich antwortete so aufrichtig wie möglich, sowohl was ich positiv fand, als auch zu den Anpassungsschwierigkeiten. Überlegen lächelnd antworteten mir die Leute ausnahmslos, dass es selbstverständlich wichtig sei, sich den regionalen Gebräuchen anzupassen. Die Anpassung an die Normen des Gastlandes wurde als etwas Selbstverständliches und Unproblematisches angesehen.
Den Ausdruck Andere Länder, andere Sitten gibt es, glaube ich, in jeder Sprache. Das zeigt, dass die Regel, dass auf die Sitten und Gebräuche des Gastlandes Rücksicht genommen werden muss, allgemeingültig ist.
Das Interessante ist, dass die optimistische und positive Einstellung zu Andere Länder andere Sitten sich verändert, wenn man eine Zeit lang in dem neuen Land gewohnt hat.
Was ist es, das da auf dem Weg von der Auswanderung zur Einwanderung geschieht? Weshalb verschwindet die positive Einstellung, und verschwindet sie für immer oder kommt sie zurück? Die Schwierigkeiten, damit im Alltag zurecht zu kommen, sind für viele kaum zu bewältigen. Und das nicht ohne Grund.
Die Wahrheit ist, dass Fremde nirgendwo beliebt sind, und wenn ein Einwanderer Zutritt zu den feinen Salons der Mehrheiten bekommen will, so muss er mit einer Menge Widerstand aus allen Ecken und Enden rechnen. Glaube nicht, dass er mit offenen Armen empfangen wird. Diese Wahrheit gilt weltweit. So ist das menschliche Geschlecht.
Ana Martinez19
ES IST ÜBERALL UNGEFÄHR GLEICH
Ist es leichter, Einwanderer in irgendeinem anderen Land zu sein?
Unter Einwanderern findet sich die verbreitete Vorstellung darüber, dass es Länder gäbe, wo es für Fremde viel leichter sei, sich zu akklimatisieren, als gerade in dem Land, wohin sie sich begeben haben. In jenen Ländern würden Zugezogene sofort wie seinesgleichen behandelt, seien dort willkommen und bräuchten sich nicht zu fühlen, als ob sie außerhalb der Gesellschaft stünden.
Untersuchungen, die parallel in Australien und Kalifornien gemacht wurden, haben gezeigt, dass Einwanderer in beiden Ländern die gleichen Konflikte erlebten und vor die gleichen Probleme gestellt waren. In beiden Fällen war die Ursache ein Mangel an Übereinstimmung zwischen den eigenen Werten und Normen der Einwanderer und den Normen, die im Zielland galten.20
Überall in der Welt sind Neuankömmlinge ungefähr den gleichen Anstrengungen ausgesetzt und bekommen dieselben Probleme mit der Anpassung und gehen durch dieselben Prüfungen.
Viele Bücher, geschrieben