Es mag auf den ersten Blick so aussehen, als gäbe es keine Notwendigkeit für diese religiösen Begriffe oder diese religiöse Gesinnung. Wenn das Ziel darin besteht, zu etwas dem Menschen Überlegenem zu werden, uns zum Übermenschen zu entwickeln, so wie der Mensch sich aus dem Affen entwickelt hat – falls diese Aufeinanderfolge tatsächlich der Wahrheit entspricht – und wie der Affe aus niedrigeren Tierformen hervorging, diese wiederum aus Weichtieren und Protoplasma, aus Quallen oder pflanzenähnlichen Tieren und so fort bis ans Ende der Reihe, welche andere Notwendigkeit besteht dann als die Ausbildung, vorzugsweise die intelligenteste und wissenschaftlichste Ausbildung unserer mentalen, moralischen und physischen Energien, bis hin zu dem Punkt, an dem sie durch die psychische Chemie der Natur in den kommenden höheren Typus umgewandelt werden? Doch in Wirklichkeit ist das Problem nicht so einfach. Drei versteckte Irrtümer liegen dieser skeptischen Frage zugrunde. Wir haben eine falsche Vorstellung von der Natur des auszuführenden Unternehmens, wir haben eine falsche Vorstellung von der Natur der ausführenden Kraft und ihrer Prozesse, und wir verkennen die Natur der Sache, die sich der Kraft bedient und ihre Prozesse zur Anwendung bringt.
Die Natur bietet es dem Menschen nicht an, einen höheren mentalen, moralischen und physischen Variationstypus nach dem Muster des gegenwärtigen Menschen zu erarbeiten, dem Symbol, das wir sind. Sie schlägt ihm vielmehr vor, diesen allgemeinen Typus ganz und gar zu durchbrechen und zu einem neuen Symbolwesen vorzudringen, das dem jetzigen Menschen gegenüber so übernatürlich ist wie der jetzige Mensch dem Tier gegenüber. Es ist zu bezweifeln, ob die Natur in der rein menschlichen Form sehr viel weiter gehen kann als sie es bisher tat, dass sie zum Beispiel einen höheren mentalen Typus als Newton, Shakespeare, Caesar oder Napoleon hervorbringen kann, einen höheren moralischen Typus als Buddha, Christus oder den Heiligen Franziskus, einen höheren physischen Typus als den griechischen Athleten oder, um moderne Beispiele anzuführen, einen Sandow oder einen Ramamurti. Sie mag versuchen, eine bessere Kombination mentaler und moralischer oder mentaler, moralischer und physischer Energien zustandezubringen. Aber wird es ihr je gelingen, etwas weit über das Niveau eines Konfuzius oder Sokrates Hinausgehendes zu produzieren? Auf diesem Gebiet ist es wahrscheinlicher, und es scheint auch so zu sein, dass die Natur auf die weitere Verbreitung eines höheren Niveaus und einer besseren Kombination aus ist. Aber auch hier ist nicht anzunehmen, dass es ihr Anliegen ist, alle Menschen auf dieselbe Stufe zu heben, denn so etwas kann nur geschehen, wenn nach unten hin angeglichen wird. Nichts in der Natur ist frei von Unterschieden, mit Ausnahme der untersten und am wenigsten entwickelten Formen. Je bedeutender das Erreichte, je reicher ausgestattet der der Art eigene Organismus, desto größer sind auch die Gelegenheiten zu Ungleichheit. Bei einer so hoch angelegten und so weit entwickelten natürlichen Formation wie dem Menschen ist zwar individuelle Chancengleichheit vorstellbar, die Gleichheit seiner natürlichen Fertigkeiten und Begabungen aber muss als ein Hirngespinst angesehen werden. Außerdem kann eine Verallgemeinerung der Fertigkeiten oder ein Zuwachs an Material nichts an dem Grad des von der Natur Erreichten ändern. All die angesammelten Entdeckungen und vielseitigen Kenntnisse des modernen Wissenschaftlers machen ihn einem Aristoteles oder Sokrates nicht mental überlegen. Er ist weder ein scharfsinnigerer Denker noch eine mentale Kraft von größerer Tragweite. All die vielfältigen Betätigungen der modernen Philanthropie bringen keinen vollkommeneren moralischen Typus als den Buddha oder den Heiligen Franziskus hervor. Die Erfindung des Automobils entschädigt uns ebensowenig für eingebüßte Schnelligkeit und Ausdauer, als uns die Gymnastik die körperliche Leistungsfähigkeit eines Eingeborenen oder Indianers wiedergibt. Wir sind uns also der Grenzen bewusst, die den Möglichkeiten der Natur im menschlichen Sinnbild gesetzt sind. Sie sind durch die Beschaffenheit des Sinnbildes selbst bedingt und werden von der Natur in ihren Bestrebungen beachtet.
Es bleibt die Frage, ob es innerhalb dieser Grenzen das Hauptanliegen der Natur sein kann, die Möglichkeiten des menschlichen Symbols voll auszuschöpfen. Denn eigentlich ist dies eher die Hauptbeschäftigung des Menschen und daher die Richtung, die die Natur einschlägt, wenn der menschliche Verstand sich in ihr normales Vorgehen einschaltet. Sich selbst überlassen und sogar dann, wenn sie sich der menschlichen Eingriffe bedient, scheint sie mehr darauf erpicht zu sein, die Form zu zerbrechen als sie zu vervollkommnen – dies allerdings nur in ihren fortgeschritteneren Individuen und bei ihren kühneren Unternehmungen und auch nur mit gebührlicher Rücksicht auf die Sicherheit des allgemeinen Menschentyps. Aber dies ist ja stets ihre Methode, wenn sie zu einem neuen Symbol überzugehen wünscht, ohne die vorhergehenden Arten zu zerstören. Je zivilisierter der Mensch wird, desto mehr plagt sie ihn mit moralischen Entartungen, mit Exzessen sowohl der Sünde als auch der Tugend, ja selbst mit Verwechslungen der eigentlichen Urbilder von Tugend und Sünde. Je mehr er mit seinem Verstand erklärt, je mehr er auf Rationalität als seinem höchsten Zweck beharrt, desto ungehaltener wird sie und desto lautstarker verlangt sie von ihm, stattdessen seine Instinkte und seine Intuitionen zu entwickeln. Je mehr er sich um Gesundheit und Hygiene bemüht, desto mehr vermehrt sie die Krankheiten des Mentals und des Körpers. Er triumphiert über den Supranaturalismus, er kettet sie fest an das Materielle, das Menschliche und das Rationale, doch sofort bricht sie ungestüm in unerwartete Erneuerungen und gigantische Supranaturalismen aus. Was sie auch vorhaben mag, sie wird sich nicht durch die beschränkte menschliche Vernunft daran hindern lassen. Durch ihr ganzes unermessliche Wesen fühlt sie den Pulsschlag einer übernatürlichen Kraft und das Wirken und Drängen eines der materiellen Vernunft weit überlegenen Wissens. Deshalb bricht sie aus, zwingt, fordert, beharrt. Überall sehen wir sie darum bemüht, den von ihr erschaffenen mentalen, moralischen und physischen Typus zu durchbrechen und über ihn hinaus zu neuen, bislang noch nicht klar erkennbaren Prozessen zu gelangen. Vorsätzlich greift sie die gute Gesundheit und das ungestörte Gleichgewicht unserer normalen Intelligenz, Sittlichkeit und körperlichen Existenz an. Außerdem ist sie von einer Manie zum Kolossalen besessen: Gewaltige Strukturen, gigantische Zusammenschlüsse, riesige Höhen und Geschwindigkeiten, ungeheure Träume und Ambitionen zeichnen sich überall mehr oder weniger deutlich, mehr oder weniger verschwommen ab. Bisher unfähig, ihren Willen im Einzelnen durchzusetzen, arbeitet sie mit Massen. Unfähig im Mental, befasst sie sich mit materiellen Formen und Erfindungen. Unfähig im aktuell Gegebenen, wirkt sie durch Hoffnungen und Träume. Unfähig, Napoleone und Super-Napoleone nachzuschaffen oder neu zu erschaffen, wirkt sie auf eine weitere Verbreitung und eine größere Reichweite der menschlichen Fähigkeiten hin, so dass solche Wesen künftig vielleicht leichter hervorzubringen sein werden. Und inzwischen produziert sie stattdessen Großkampfschiffe und Supergroßkampfschiffe, Trusts und Riesenkonzerne, strotzt vor entfernungsüberwindenden Erfindungen und scheint darauf versessen zu sein, alle Grenzen des Raumes und der Zeit niederzureißen, die sie selbst geschaffen hat.
Wie um mit ihrem Finger auf ihr Vorhaben zu deuten, hat sie die Merkmale dieses Vorgangs des Zerbrechens und Wiederaufbaus im Phänomen des Genies angehäuft. Es ist heutzutage Allgemeinwissen, dass Genie kaum jemals in der menschlichen Art auftritt, ohne von Abnormitäten des Körpers, der Lebenskraft oder des Mentals vorbereitet oder begleitet zu sein. Anlagen zu Entartung, Irrsinn oder Verkrüppelung sind in der Erbmasse enthalten, aus der es hervorgeht, und sogar Störungen und paranormale Einflüsse können in dem menschlichen Umfeld vorkommen, in dem es auftritt. Mit der Voreile einer brillanten Verallgemeinerung wurde auf dieser Grundlage das Paradox aufgestellt, dass Genie selbst eine morbide Form des