Grundlos heiter. Harald Malz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harald Malz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783934900516
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für Schnirr

       Anderswo

       Brockenexpedition

       In der DDR

       Kastration auf dem Küchentisch

       Gott wünscht sich ein Kind

       Weihnachten in Völksen

       Blick zurück

       Aufräumen

       »Eten un drinken smecket, (blot immer so mööi mööi)!« – Erinnerungen an meine Urgroßmutter

       Wir waren Detektive …

       Sanitär(t)räume

       Aus der Welt der Elektrizität – Heinrich Göbel, Springes größter Sohn

       Goethe in Springe

       Zu guter Letzt

       Nasenhaartrimmer

       Zipperlein

       Viszeralfett

       Chapeau, Richard

       Des Dichters Wohnhaus

       Per aspera ad astra – durch Mühsal gelangt man zu den Sternen

       Über den Autor

      Vorwort

      Grundlos heiter zu sein, ist schwierig. Aber man kennt Hilfsmittel – nur dann ist’s nicht mehr grundlos. Heinz Erhardt löste melancholische Stimmungen mit alkoholischen Getränken auf. Er singt: »Wenn ich einmal traurig bin, trink ich einen Korn, wenn ich dann noch traurig bin, trink ich noch ’n Korn …« Wilhelm Busch weiß, dass der von Sorgen Verfolgte immer auch Likör hat. Schiller meint: Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Ist Heiterkeit etwas, das man sich mühsam erarbeiten muss, oder ist sie ein Geschenk? Heiterkeit ist aufgeräumte, frohgemute Stimmung. Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Wort »Klarheit«. Noch erhalten in der Wendung »heiteres Wetter«. Ich finde, das ist eine wunderschöne zweite Bedeutung. Doch wie kann Kunst Heiterkeit auslösen, wenn man bisweilen von Schreibblockaden geplagt ist? Dann wird auch die Kunst plötzlich bitterernst. Dagegen kann oftmals nur noch eine Tafel Schokolade Abhilfe schaffen, sage ich.

      Wenn jedoch erstmal das Hindernis »Schreibblockade« aus dem Weg geräumt ist, sprudelt meine Fantasie geradezu über: die Zeitungslektüre, ein einzelnes Wort, eine Beobachtung, ein Traum oder eine ungewöhnliche Assoziation sind die Inspirationen für meine Kurzgeschichten. Viele meiner Geschichten und Texte sind in Lesungen erprobt – und haben Heiterkeit ausgelöst. Das ist auch der Grund, warum ich sie in diesem kleinen Buch konservieren möchte, um sie auf diese Weise noch weiterzuverbreiten und damit die ihnen innewohnende Fröhlichkeit.

      Auch ich bin nicht wirklich grundlos heiter, aber beim Verfassen meiner Texte ergreift mich häufig diese angenehme Verfasstheit, die ein gewisses Suchtpotential birgt. Doch Heiterkeit ist flüchtig. Ich glaube, niemand ist in der Lage, sie auf Dauer festzuhalten. Ich wünsche mir, dass die Lektüre meines Buches einen Hauch von Heiterkeit verbreitet und ein Lächeln auf die Gesichter meiner Leser zaubert.

Es ist Magie!

      Das fliegende Klavier

      Neulich erwachte ich aus dem Schlaf, weil ich eine ungewöhnliche Melodie einschließlich der Begleitung in der linken Hand geträumt hatte. Sie war in As-Dur. Sie hatte ungewöhnliche Intervallsprünge, Halbtöne, mal orientalisch klingend, dann wieder hymnisch, mal im Vierviertel-, dann im Neunachteltakt. Ich eilte, nein ich taumelte noch schlaftrunken in meinen Kreativraum, zog ein Blatt Notenpapier aus dem Regal und schrieb das im Traum Gehörte mit fliegendem Bleistift in 32 Takten nieder. Anschließend stürzte ich ins Musikzimmer an meinen Sauter-Flügel und spielte die ersten Takte. Etwas Seltsames geschah. Sein Hinterdeckel begann, sich um zwei bis drei Zentimeter auf und ab zu bewegen. Der Flügel klapperte wie ein zahnloser Greis vor dem Einsetzen der Vollprothese. Die Rollen unter den Beinen fingen an zu rotieren. Sie drehten durch, so dass auf dem Parkett ein sirrendes Geräusch entstand. Das Instrument war in eine gewaltige Unruhe versetzt. Es wollte etwas von mir. Nur langsam drang in mein Bewusstsein vor, dass der Flügel sein angestammtes Zimmer verlassen wollte. Mein Musiksalon weist in den Garten und hat eine große Glasschiebetür. In einem Anflug von Erkennen schob ich sie auf. Schon kam das schwarze Hochglanz-Ungetüm auf mich zugerollt. Und drängte hinaus. Ich schnappte die Klavierbank und begann von Neuem, die sonderbare Melodie zu spielen. Der Deckel schlug heftiger. Die Ausschläge waren schon einen Meter weit. Der dadurch entstehende Luftzug verwehte mein Haar, die drei Rollen hoben leicht vom Boden ab, ein Beben erfasste das Instrument. Immer heftiger und weiter schwang der Deckel bis wir alle drei, der Flügel, die Klavierbank und ich schon einen Meter über dem Boden schwebten.

      Die Melodie schwang sich chromatisch in die Höhe. Dasselbe tat jetzt mein fliegender Flügel. Wir hoben ab, befanden uns nun über den Apfelbaumwipfeln. Die Sicht war gut. Der Vollmond hatte die Landschaft in ein sanftes, silbernes Licht getaucht. Ohne mein Zutun spielte der Flügel »Claire de Lune« von Claude Debussy. Mein Nachtgewand flatterte sanft im uns umströmenden Wind. Mit angenehmer Fluggeschwindigkeit überquerten wir den Bach und die stille Straße. Mein Fluggefährt hatte eine bestimmte Vorstellung davon, wo es hinwollte. Wir flogen auf den Deister zu. Wir befanden uns jetzt über dem Kamm, also mussten wir eine Flughöhe von mindestens vierhundert Metern erreicht haben. Das war meinem Flügel nicht genug. Er stieg und stieg. Gewaltig rauschte sein Deckel in der Nachtluft. Nun spielte das Klavier den dritten Satz von Beethovens Mondscheinsonate, Presto agitato. Ich griff ins Spielwerk und beruhigte mein fliegendes Instrument mit Brahms’ »Guten Abend, gute Nacht«. Ich wurde gewahr, dass mir mein Flügel auch gehorchte. Spielte ich die Tastatur hinauf, so stieg er, spielte ich einen Abwärtslauf, so sank er. Die Richtung konnte ich mit dem linken und rechten Pedal ändern. Ich folgte der Bundesstraße bis in die niedersächsische Landeshauptstadt. Ich überflog das Rathaus, machte eine Kehre bewegte mich über den mild das Mondlicht widerspiegelnden Maschsee. Ich hatte einige Schwäne aus dem Schlaf geschreckt. Sie ließen ein gedehntes, heiseres Trompeten hören. Mein Flügel machte einen Scherz und spielte ein paar Takte aus Schwanensee. Humor hatte er. Wir folgten dem Flusslauf der Leine aufwärts bis zur Marienburg mit ihrem beeindruckenden Profil vor dem Nachthimmel. Wir drehten scharf nach Westen und befanden uns schon wieder auf dem Heimflug, als uns das Triebwerksgeräusch einer herannahenden F-16 zu Tode erschreckte. Mein Flügel kam ins Trudeln. Ich konnte ihn gerade noch mit schnellem linken und rechten