Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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reizend von Anfang bis zu Ende. Man spielte ein entzückendes Trio von Mendelssohn, das ich noch nicht kannte (Rubinstein, Wieniawski und ein Namenloser). Darin kam ein Scherzo vor, so einschmeichelnd und übermüthig zugleich, daß ich ganz verging in stiller Wonne. Und die großfürstliche Helene in demselben Freudenrausch wie ich ließ das Scherzo wiederholen“ …

      Den 21. April 1861.

      … „Bismarck hat mehrmals kleine rheumatische Anfälle gehabt, die mich vielleicht mehr alterierten wie ihn. Außerdem sind seine Nerven immer in einem so erbärmlichen Zustande, daß man ihn nur mit Bangigkeit ansehen kann“ …

      1. Juni 1861.

      … „So Gott will, ziehe ich den 5ten in das Heimathland ab mit Kindern, Lehrer, Französin und Dienstboten, leider noch ohne Bismarck, der mir in drei bis vier Wochen zu folgen hofft … Mir wird die Trennung von ihm zum Weinen schwer – und wenn er ein Wort vom Bleiben sagte, rührte ich mich trotz aller Heimathssehnsucht nicht von der Stelle – aber er treibt mich mit aller Macht fort um Billchens willen, damit die Hitze uns nicht Schaden bringend überfällt wie im vorigen Jahre“ …

      Reinfeld, den 20. Juli 1861.

      … „Er ist gekommen! – Nicht ‚in Sturm und Regen‘7, sondern im herrlichsten Sonnenschein – gestern, ohne jegliche Anmeldung, ganz überraschend – umso schöner! … Er soll Kissinger hier trinken und Soole baden, auch hier, zu gleicher Zeit, drei bis vier Wochen lang – dann noch eine drei bis vier Wochen lange Ostseeabkühlung in Stolpmünde.“ …

      8. August.

      … „Unsere Reinfelder Existenz ist unbeschreiblich angenehm, so ruhig, wie ich sie nur irgend zu wünschen vermag. Bismarck hat nun 16 Kissinger Flaschen und 7 Soolbäder überwunden und trinkt und badet fröhlich fort. Die Reinfelder Stille behagt ihm herrlich. Niemand stört ihn hier. Diplomaten sind in weiter Welt, Vettern tief in Erntefreuden vergraben und die alten und jungen Dämchen, die sich manchmal, aber selten blicken lassen, derangieren ihn nicht in seinen Spaziergängen, seiner ‚Hausblätter‘-Lektüre und dergleichen harmlosen Vergnügungen, die er hier treibt. Ich hoffe, er soll durch solch’ sanftes beschauliches Leben recht gesund werden, und bitte Gott innig, daß Er’s ihm segnen möge an Leib und Seele.“ …

      Reinfeld, 15. Oktober.

      … „Als wir von Stolpmünde auseinanderflogen, wähnte Bismarck in acht Tagen spätestens wieder da zu sein. Es sind aber drei Wochen geworden, die er in Coblenz und Berlin, dann in Schönhausen, Kröchlendorf, Külz und Zimmerhausen zugebracht. Von Letzterem hatte er Blanckenburg gleich mitgenommen, mit dem er zwei Tage hier war. Gottlob sehr munter. Vorgestern eilte er weiter nach Königsberg, wo, wenn die Krönung vorüber, unser Schicksal sich entscheiden soll, über welches noch immer so viel Möglichkeiten auf und nieder schwanken, daß man schwindlich davon wird. Denken Sie, man hat ihm plötzlich London angedeutet, aber nur interimistisch für einige Monate, was mich in verbissene Wuth bringt, weil wir natürlich für die Zeit getrennt bleiben müßten, und wie weit getrennt! – Dann ist’s mit der Wilhelmstraße auch wieder ’mal nicht geheuer, dann tänzelt Paris vor uns auf und nieder und dann ist auch Petersburg wieder ziemlich sicher! So geht’s her und hin den ganzen Sommer und ich möchte mitunter vor innerer Ungeduld in alle Tische beißen …“

      Reinfeld, 26. Oktober.

      … „In Königsberg, als am 20. die Festlichkeiten ausläuteten, hieß es plötzlich: schleunigst nach Petersburg. Dieselbe Weisung sandte er mir.“ …

      Petersburg, 25. November.

      … „Es gab wohl im Sommer oft Momente, in denen mir Paris mit Klima und allerlei andern herrlichen südlichen Vorzügen besonders verlockend erschien, sodaß der Wunsch nach „Veränderung unserer Lage“ sich ziemlich fest in meine alte Seele eingenistet; aber jetzt fühle ich mich hier wieder ganz behaglich und das völlige sans-gêne, in dem ich hier, fast wie in Frankfurt, leben kann, möchte ich drüben, jenseits des Rheins, wohl sehr vermißt haben, da es mir nach 37-jähriger Gewohnheit so zur andern Natur geworden, daß ich mich in förmlichen Verhältnissen, wie sie in Paris sein sollen, gewiß nicht leicht zurechtfinden würde. Und wer hätte mir dort die Zimmer zum fröhlichen Willkommen mit Blumen und Früchten ausgeschmückt, wer hätte mich liebreich in den Arm genommen und mit lautem Jubel begrüßt wie hier meine lieben Freundinnen Bertheau und Schrenck?8 Kein Mensch weit und breit. Darum kein Wort mehr von seufzender Unzufriedenheit, nur tiefe Beschämung über alle mögliche Undankbarkeit und herzinniger Dank gegen Gott für alle gnädige Fügung und Führung.“…

      4. Januar 1862.

      … „Heute hatte ich einen fröhlichen Brief von Bismarck, der die Erlegung eines Elch’s meldet, welches 2 ½ Elle hoch und 3 ½ Elle lang, „also nur klein“ gewesen wäre. Er scheint zufrieden, obgleich 11 Wölfe (elf!) furchtbar aufgeregt, mitten durch’s Treiben gerannt.“ …

      7. Januar.

      … „Nach mehreren Jagdtagen ist er gestern sehr froh heimgekehrt mit einem Bären und einem riesengroßen Elch und gottlob recht munter trotz aller Strapazen. Den Kindern geht’s auch gut, gottlob, und sie waren gestern überglücklich durch die Bekanntschaft mit den Eisrutschbergen, auf die Baron Stieglitz uns eingeladen.“ …

      29. Januar.

      … „Wir husten allesamt und ich so, daß ich nächstens die Stumme von Portici spielen könnte – „italiansky banditzky“ heißt es hier –, sonst aber geht es uns leidlich gut. Fest auf Fest folgt sich, private und kaiserliche; letztere sind so brillant gewesen, zweimal, wie meine unwissenden Augen sich dergleichen nimmer vorstellen konnten. Die Diamanten, mit denen Ihre Majestät die Kaiserin geschmückt war, wurden von Sachverständigen auf 15 Millionen geschätzt.“ …

      * * *

      Mitte März 1862 kam ich zum zweiten Mal als Gast des Gesandten nach Petersburg. Bei meiner Ankunft war der Hausherr nicht anwesend. Wenige Tage vorher hatte ein Bauer gemeldet, daß etwa 250 Werst von Petersburg entfernt, aber unweit der Eisenbahn, ein im Winterschlaf liegender Bär zu finden wäre. Bismarck entschloß sich sogleich, dorthin zu fahren. Am Tage nach meiner Ankunft kam er zurück und schien so munter und frisch, wie ich ihn seit Jahren nicht gesehen. Er trug einen Jägeranzug von braunem Schafpelz, der mit dem gleichen Pelz gefüttert war. Nach der ersten Begrüßung ging er, ohne an Wechseln des Anzuges zu denken, im Salon auf und ab und sagte, zu mir gewendet:

      „Sie konnten nicht zu den Winterfesten kommen wegen hartnäckiger Erkältungsbeschwerden. Wahrscheinlich, weil Sie zu wenig auf die Jagd gehen. Das Jägerleben ist eigentlich das dem Menschen natürliche. Und wenn man auch nur einen Tag in den Wäldern sein kann, so bringt man doch immer merkliche Stärkung mit nach Hause. Unsere gestrige Jagd freilich war verfehlt. Der Bär kam zwar gerade auf mich los in langsamem Trabe, aber ein anderer Jäger verscheuchte ihn durch einen vorzeitigen Schuß und er ging zwischen den Treibern davon. Dennoch freue ich mich, einmal wieder in der beschneiten Waldwildnis geatmet zu haben. Es geht nichts über Urwälder, in denen keine Spur von Menschenhänden zu finden. In Rußland gibt es deren noch viele, wahre Jägerparadiese. Auch bei Ihrem Vetter Sacken in Dondangen, wo ich vor Jahren zwei Elche schoß, gibt es noch Urwälder. Dort haben Sie ja auch gejagt. In Deutschland gibt es zwar keine großen Urwälder mehr, aber doch herrliche Waldungen in Masse, wo man Erquickung und Stärkung finden kann.“

      Dieser Aeußerungen habe ich mich später erinnert, wenn er als Minister trotz drängender Geschäfte nicht selten Einladungen zu Hofjagden annahm. Das Bedürfnis der Nervenstärkung zog ihn in die Wälder. Die durch den Ausfall eines oder zweier Tage entstandenen geschäftlichen Rückstände schnell zu erledigen, schien ihm immer leicht zu gelingen.

      Abends saßen wir rauchend am Kaminfeuer. Er erzählte von verschiedenen Bärenjagden. „Nur einmal,“ sagte er, „ist ein angeschossener Bär hoch aufgerichtet, mit offenem Rachen, auf mich zugekommen. Ich ließ ihn bis auf fünf Schritte herankommen und gab ihm dann zwei Kugeln in die Brust, wonach er tot hintenüberfiel. Ich hatte dabei keinen Moment das Gefühl, mich in einer Gefahr zu befinden. Hinter mir stand immer der Jäger mit einer zweiten geladenen Doppelbüchse. Die andern Bären, die ich erlegen