Versteckspiel. Friederike Schmöe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friederike Schmöe
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783834632647
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ab. „Dann geht’s mir am besten.“ Sie hatte keine Lust, ständig ausgequetscht zu werden wie eine Zitrone. Am wenigsten von ihrer Mutter. Ab und zu sehnte sie sich einfach nach einem Platz, der weit weg von allem war und ihr allein gehörte. „Du bist nicht nur rotzfrech und ungezogen.

      Du klaust auch noch.“ Die Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. Die tiefe Stirnfalte schien auf ihrer Nasenwurzel zu balancieren wie ein Besenstiel. Sie erwartete eine Antwort. Maj hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.

      „Warum, Maj? Wenn du Geld brauchst, rede mit mir. Wir müssen zusammenhalten. Du trägst auch Verantwortung mir gegenüber.“

      „Du hättest mir bestimmt Geld für Whisky gegeben“, platzte es aus Maj heraus.

      „Sei nicht immer so schnodderig!“

      Mit unterdrücktem Zorn strich die Mutter sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn.

      Das Gel, das sie sich in großen Mengen in die Frisur schmierte, machte ihr Haar ganz stachelig. Maj konnte sich erinnern, wie weich es früher gewesen war, als sie klein war.

      „Das ist alles der Einfluss von diesem Lars.

      Ich will nicht, dass du Whisky trinkst, hast du mich verstanden?“

      „Wir trinken nicht viel“, wich Maj aus.

      „Wir mixen ihn.“

      „Was mixt ihr denn?“

      „Ein paar Drinks halt. Jeder steuert was bei.“

      „Ich will das nicht, Maj. Nicht mit Lars. Du weißt nicht einmal, was er dir da reinmischt.

      Die Jungs …“

      „Er mischt mir nichts rein!“, fauchte Maj.

      „Lass mich doch einfach in Frieden!“ Gespräche mit ihrer Mutter endeten immer in genau der gleichen Sackgasse.

      Maj rannte auf ihr Zimmer. Sie stellte ganz laut Nightwish an. Wenn sie Musik hörte, wurden ihre Gedanken ruhiger. Dann zerbrach sie sich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit den Kopf. Wem sollte sie schon erzählen, dass ihr der Täter bekannt vorgekommen war? Kommissar Weber kam nicht in Frage. Er hatte ihr Angst eingejagt. Am liebsten hätte sie den fetten Mann mit den schmutzigen Fingernägeln für immer vergessen. Außerdem nagte das schlechte Gewissen wegen der Whisky-Flasche an ihr.

      Sie überlegte, ob sie Gila anrufen sollte.

      Mit Gila konnte sie eigentlich ganz gut reden. Doch seit Gila mit Lars zusammen war, hatte ihre Freundschaft einen Knacks bekommen.

      Gila quatschte nur noch über ihren Typen.

      Wie sie ihm verliebte Smileys simste, Weihnachtsgeschenke aussuchte und all so was. Das war Maj wirklich komplett egal. Lars war ganz o.k., aber so weltbewegend, wie Gila ihn fand, war er auch wieder nicht.

      Ihre Mutter klopfte. „Kann ich reinkommen?“

      Maj drehte sich auf den Bauch. „Nein“, murmelte sie in ihr Kissen. „Nein, nein, nein.“ Wenig später hörte sie ihre Mutter im Wohnzimmer telefonieren. Sie stellte die Musik leiser, um lauschen zu können.

      „Sie ist immerhin deine Tochter!“, sagte die Mutter. „Selbst wenn du dich nicht mehr für sie interessierst, hast du immer noch eine Verantwortung.“

      Na super, dachte Maj. Das fehlte gerade noch, dass ihr Vater hier hereinschneite und sie wegen der Sache mit dem Klauen rund machte. Sollte er doch bei seiner neuen Frau und seinen Zwillingen bleiben.

      Als Maj später im Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen. Immer wieder sah sie auf den Radiowecker neben ihrem Bett. Stunde um Stunde verstrich. Irgendwann fiel sie in einen unruhigen Schlaf, in dem der Mann, den sie bei den Altglastonnen gesehen hatte, auf sie zeigte. Und plötzlich hatte er ein Messer in der Hand und kam auf Maj zu. Sie wich zurück, stürzte und sah den Kerl hoch über sich aufragen.

      Maj versuchte, rückwärts über den Boden zu kriechen. Nur weg von ihm, weg! Mit einem Mal war das Messer in seiner Hand zu einer Pistole geworden. Sie hörte Schüsse. Einen. Zwei. Drei. Maj schrie auf. Schweißnass fuhr sie hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie mitbekam, dass das laute Hämmern von der Tür kam.

      „Maj, was ist los? Schließ bitte auf!“ Die Stimme ihrer Mutter überschlug sich.

      Maj sah auf die Uhr. Halb vier! Sie fror. Im Schlaf hatte sie die Decke zu einem Knäuel geformt und unter ihren Bauch geschoben.

      „Alles o.k., Mom! Ich habe nur schlecht geträumt.“

      „Maj, mach bitte auf.“ Ihre Mutter rüttelte an der Klinke, aber Maj antwortete nicht. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter hereinkam, sich zu ihr aufs Bett setzte und die Ich-bin-doch-deine-Mutter-Show abzog.

      Sie würde Maj ohnehin nicht verstehen.

      „Alles o.k.“, rief Maj noch einmal und kuschelte sich unter ihre Decke.

      Leise murmelte sie: „Geh einfach weg.“

      KAPITEL 4

      „Boa, und ich dachte, der Typ wäre tot!“

      Lars stöpselte seinen MP3-Player aus den Ohren und zog Gila fester an sich. Gila grinste blöd.

      Es war halb acht. Der Morgen war trüb und kalt.

      Sie standen an der Bushaltestelle gegenüber vom Supermarkt. Mit gemischten Gefühlen sah Maj zu den Altglastonnen. Da flatterten noch ein paar zerfetzte rot-weiße Bänder von der Polizeiabsperrung.

      „Ich kriege eine Anzeige“, stöhnte sie. Ihre Mutter war ihr ständig damit auf den Geist gegangen, hatte noch zwei Mal versucht, sie in ein Gespräch zu verwickeln und ihr ins Gewissen zu reden, aber Maj war in ihrem Zimmer abgetaucht. Im Grunde war sie ganz froh, dass sie an diesem Donnerstag wieder zur Schule musste.

      „Halb so schlimm“, unkte Lars. „Musst halt beim nächsten Mal ’n bisschen cleverer sein.“

      Als wenn sie sich dumm angestellt hätte! Sollte Lars doch selbst den Whisky klauen, wenn er es so gut konnte.

      „Es war einfach ein blöder Zufall“, half Gila aus.

      Pfff, machte Maj im Stillen. Zufall vielleicht, aber Gila und Lars waren fein raus. Auf sie wartete keine Anzeige, sie hatten kein Hausverbot im Supermarkt. Am schlimmsten war, dass Maj keine Ahnung hatte, wie alles weitergehen, welche Strafe sie bekommen würde. Dann waren da die Albträume. Heute früh hatte sie überlegt, ob sie Gila einweihen sollte. Irgendwoher kannte sie diesen Mann, der dort drüben bei den Tonnen gestanden und sich zu ihr umgedreht hatte. Ein Schauer jagte über Majs Rücken.

      Lars küsste Gila. Ziemlich lange. Maj verdrehte die Augen. Zum Glück kam der Bus, und als sie einstiegen, musste Lars sich von Gilas Lippen lösen.

      In der Pause tauchte Frau Stefany, Majs Deutschlehrerin, neben Maj auf. Wenn sie Hilfe bräuchte, könnte Maj sich gerne an sie wenden. Du liebe Zeit, dachte Maj nur. Frau Stefany war wirklich die Letzte, der sie irgendetwas Persönliches erzählen würde.

      Auch Lars nervte gewaltig. Er prahlte überall mit Majs Erlebnissen herum und schmückte sie in den buntesten Farben aus. Als seien sie ihm zugestoßen und nicht Maj. Dass er und Gila bloß an der Bushaltestelle gewartet hatten, während der Mann niedergestochen wurde, schien Lars auszureichen, um sich als Held aufzuspielen. „Wenn du alles so genau beobachtet hast, warum seid ihr dann abgehauen, ohne der Polizei was zu sagen?“, fragte Maj spitz, als sie mittags im Bus saßen.

      „Komm schon, Maj!“ Wie üblich nahm Gila Lars in Schutz. „Wir haben doch gar nichts